Den Beruf des Augenoptikers kann man bekanntlich auf unterschiedliche Weise ausüben. Viele machen vieles gleich oder ähnlich, aber manche gehen andere Wege, mit Mut zum Risiko. Solche Unternehmerpersönlichkeiten porträtiert eyebizz in jeder Ausgabe. Dieses Mal ist es Markus Nikolai von Markus Nikolai Optic in Frankfurt am Main.
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Der Chef ist in Berlin. Kurz vor der 25-Jahr-Feier für Markus Nikolai Optic. Markus Nikolai sucht mit drei seiner Mitarbeiter neue Styles aus. Designt aber auch selbst Fassungen in Kooperation mit zwei der besuchten Independent-Adressen. Ach ja, und dann ist da natürlich seine zweite große Passion: die Musik.
Sein Instagram-Post verrät es: Er schaukelt durchs Design-Studio und lacht. Ganz locker, im sommerlichen Short, auf einer an der Decke installierten Schaukel für Große, die sich ein Stück kindlicher Freude erhalten haben. Am nächsten Tag flimmert live eine Hörprobe für den Gig am Abend im Berghain über Instagram. Markus fläzt da mit zwei Herren auf dem Ledersofa im Studio, ca. 30 Zentimeter über dem Betonfußboden. In einem Loft der Extraklasse. Wieder lacht er in die Kamera. Bei ihm ist scheinbar alles extra, easy, Spaß XXL.
Abends geht’s zum Feiern, auch für die drei Frankfurter Mitarbeiter, in die Panorama Bar des weltbekannten Szeneclubs Berghain. Nikolais Plattenlabel lädt dort jeden ersten Freitag im Monat zur Party. Wo andere an der Tür Schlange stehen, stehen ihre Namen längst auf der Gästeliste. Das gibt es in der Augenoptik nur ein Mal. Zumindest in Deutschland. So funktioniert Mitarbeiterbindung.
Bleiben wir zunächst bei seiner Musik: Sein Sound geht unter die Haut. Auf YouTube ist einiges von Nikolais Plattenlabel „Perlon“ zu finden: „Kiss your mind“, „Bushes“, „Passion“ – „It’s time for love“ haucht es tief im Bass aus den Lautsprechern. Get pernolized, lautet das Partymotto. Techno? War der nicht tot? Es schwingt auch House mit, auf jedem Fall lässt sich dazu tanzen. Nächtelang. Tagsüber heben die Melodien, der Bass, der Rhythmus die Laune.
Musik liegt Markus Nikolai als Enkel eines Dirigenten im Blut. Auch die Optik wurde ihm als Sohn eines Augenoptikers in die Wiege gelegt: „Die ganze Präzision hat mein Vater mir beigebracht!“
Musik im Blut
Wann er anfing, Musik zu spielen? Kann er gar nicht sagen. „Ich habe eigentlich alles an Instrumenten gelernt, was es so gibt“, erzählt er, als wäre das so nebenbei passiert. Akkordeon, Gitarre, Klavier, Schlagzeug. Die Liste ließe sich verlängern. Anfang der 1980er war der damals 15-Jährige total fasziniert von den neuartigen Synthesizern.
Heute groovt Nikolai jeden Monat in Berlin, um im Berghain aufzulegen. 500 bis 1.000 Leute tanzen dort, wenn sie den Türsteher überzeugt haben. Der fast vollumfänglich tätowierte Türwächter Sven Marquardt hat bereits ein Buch über diese Parallelwelt geschrieben. Das Berghain ist lebendige Subkultur inklusive Anarchie, Unabhängigkeit, Toleranz, Liebe zum Leben. Sexy. Doch da geht mehr. In den vergangenen Monaten war Nikolai für seine Auftritte viel unterwegs, in Frankreich, Italien, der Ukraine, in Japan, auch mal wieder in Kalifornien, in L.A. und San Francisco. Cool. Auch, weil er dort seiner Surf-Leidenschaft nachgehen kann.
Was groß ist, ist komisch
Wer ihm zuhört, hört mehr über ein Leben, das dem Abbrennen einer Kerze an zwei Enden gleicht. Falsch? Ja. Und nein. Denn Nikolais Verhältnis zu Erfolg und Ruhm ist ein begrenztes. Das zeigt sich immer wieder während er spricht. Er ist einerseits kompromisslos, kann aber auch Nein sagen.
Stopp ist angesagt, wenn es zum Super-Hit kommen könnte. Egal, in welchem Bereich. Sei es in der Musik – sei es in der Augenoptik – dann tritt er zurück und sagt: Nein, danke. Er betreibt ein Geschäft, nicht zwei, nicht zehn. „Wenn die Qualität unter der Größe leidet, mache ich es nicht.“
Ähnlich reagierte er in Anfang der 90er, als er mit Warner Brothers und sogar Madonna und Martin Scorsese zusammengearbeitet hat. Es kündigten sich andere große Projekte an. Nikolai verlor das Interesse. Was groß wird, fühlt sich plötzlich komisch an. Nikolai: „In unserem Plattenlabel hätten wir zehn Leute einstellen können. Aber das ist nicht unser Ding. Wir machen immer das, was wir wollen.“
„Wenn die Qualität unter der Größe leidet, mache ich es nicht.“
Wenn sie nach dem Hit „Bushes“ Singles produziert hätten, wären sie in einen A-Bereich gestoßen. Kein Bedarf. Zu viel Arbeit abseits der eigentlichen Basis. Markus spricht im Plural, weil er 1997 gemeinsam mit Thomas Franzmann „Perlon“ gegründet hat, ein Plattenlabel, das in der Szene Kultstatus hat. Aber er produziert keine Musik, um Karriere zu machen, sondern weil er die Musik als Lebenselixier nutzt.
Auch in der Augenoptik: Team de Luxe
Mit seinen Klangkompositionen muss Nikolai kein Geld verdienen. Mit der Augenoptik sichert er sich seine Freiheit in der Musik. Er ist hier, er ist da. Er ist fast täglich im Laden, aber zwischendurch auch im Studio.
Anders als andere zu sein, ist ebenso Anspruch in der Augenoptik. Alle im zehnköpfigen Team sind Meister und Individualisten. Seine Passion beschreibt der dreifache Vater vermeintlich ganz simpel: „Ich mache keine Kompromisse.“ Der Anspruch gilt von der Auswahl der Fassung, des Kaffees bis hin zur Anpassung und Mitarbeitern.
Mainstream-Labels sucht der Kunde vergebens im minimalistisch eingerichteten Laden. Lauflage? Fehlanzeige. „Ich wollte gar nicht auf die Frankfurter Zeil“, grenzt sich als Avantgardist ab. Wer zu ihnen kommen will, kann auch zum abgelegeneren 1B-Standort kommen. Der Laufkunde möge bitte ausbleiben. Individuell zu sein, ist Anspruch an die verkauften Fassungen, die Mitarbeiter, den Service.
Dabei ist die Frequenz an der Brönnerstraße 21 an einem Samstagvormittag eindrucksvoll: Die Leute geben sich in dem Eckgeschäft die Klinke in die Hand, treten auch durch die wegen der Wärme weit offen stehenden bodentiefen Fenster einfach so ins Geschäft.
Das Publikum ist bunt gemischt. Der stylische Mitt-Vierziger holt seine Brille ab: Adidas-beschuht, leichtgewelltes dunkles Haar mit hoher Stirn. Ein Vater mit seinem etwa vierjährigen Sohn kommt in den Laden. Die vier Mitarbeiter, ganz in weiß, mit weißen Sneakers und bunten Socken rotieren zwischen Geschäft und Werkstatt, bleiben aber stets freundlich. Ein Kunde bekommt etwas zu trinken. Zwei Chinesinnen wollen, dass in einer Arbeitsplatz-Brille der Lesebereich höher eingearbeitet wird. Die nächsten zwei Kunden bringen drei Kinder mit. Es geht rund.
Alle Fassungen liegen wie Schönheiten aus „1000 und einer Nacht“ hinter den mit Milchglasscheiben verdeckten Regalen an der Wand. Das Design der Geschäftsräume ist smart: helles Naturholz, mit Glas und Mint kombiniert, genauso hochwertig wie die Brillen, die hier verkauft werden. Alle Gläser werden im abgetrennten Werkstattbereich auf Hightech-Maschinen selbst geschliffen.
„Wir legen Wert auf Marken, bei denen die Qualität im Vordergrund steht, nicht das Logo und der Markenname auf der Fassung sind bei uns zentral“, erläutert Nikolai. „Selbst bei den Marken, die wir führen, achten wir darauf, immer auch besondere Modelle zu bieten, die es nur bei uns gibt.“
Besonderes Highlight sind die selbst kreierten Modelle von seiner eigenen Linie „Markus Nikolai Eyewear“ und Modelle in Zusammenarbeit mit Mykita und ic! Berlin. Im Frühling kam eine auf 150 Stück limitierte Box mit Vinyl-Schallplatte und Sonnenbrille für sein Plattenlabel Perlon, produziert von Mykita, auf den Markt. Schon vor Auslieferung war die gesamte Auflage ausverkauft.
Der Anspruch an das Design ist, dass es ausgefallen und dabei zeitlos sein muss. Zeitlos in dem Sinne, dass es dem aktuellen Trend entspricht, aber nicht „alt“ wirkt, sodass man sich daran niemals „satt“ sehen kann: „Unser Qualitätsanspruch wird auch bei Betrachtung unseres Teams deutlich. Wir haben super Mitarbeiter.“
Seine Kunden brauchen keine Marke, um sich zu schmücken oder um sie als Prestigeobjekt einzusetzen. Sie sind selbst Persönlichkeiten und bei Nikolai finden sie die passende Brille dazu. Das geht ganz ohne Anstrengung vor sich. Man ist einfach da und macht irgendetwas. Nikolai: „Der Kunde redet mit uns, über Musik, das Leben, er trinkt Kaffee und kauft nebenher zwei Brillen.“ Tatsächlich sind einige Promis darunter, deren Namen diskret verschwiegen werden. Alles nur Sonnenschein? Nikolai: „Ja klar!“
Markus Nikolais größter Wunsch?
Er ist Fan von Kombinationen. Nicht nur, was Musik und Augenoptik angeht. Er möchte Perlon-Künstler mit Mega-Stars zusammen Musik produzieren lassen. Sein Traum: Mit Sade zusammen zu produzieren. Sein Wunsch, was die Augenoptik angeht? Weitere coole Mitarbeiter einzustellen.