(Winter-) Sportbrillen gibt es nicht nur im Gebirge
von Katja Grimme,
Wintersport erfordert eine professionelle Skiausrüstung, damit der lang herbeigesehnte Skiurlaub auch ein Genuss wird. Wer nicht die richtige Skikleidung auswählt, um sich vor Kälte und Schnee zu schützen, wird schnell die Lust an der weißen Pracht verlieren. Aber wie sieht es mit dem optischen Durchblick und Sportbrillen aus? Nicht nur Augenoptiker in Sportgebieten sind in der Pflicht, haben aber auch Chancen.
Skier werden passgenau zur Körpergröße ausgewählt und dem skifahrerischen Können angepasst. Seit dem Skiunfall des CDU-Politikers Dieter Althaus 2009 in Österreich, der leider für eine Skifahrerin tödlich endete, gehören Ski-Helme heute fast genauso selbstverständlich zu einer optimalen Ausrüstung wie Rückenprotektoren. Diese sind auf dem Vormarsch, um die Wirbelsäule im Sturzfall vor Verletzungen schützen.
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Oft optisch im Blindflug
Der skifahrende Augenoptiker erlebt auf 3.000 Meter Höhe nicht selten Unglaubliches: Viele Pistenfans fahren mit ihrer normalen Alltagsbrille Ski, Sonnenbrillen sind nicht gebogen und schützen das Auge nur zentral, oder es werden Sportbrillen mit dunklen Gläsern getragen, obwohl die Wettersituation ein helleres Glas verlangen würde.
Es ist an der Zeit, dass Brillenträger schon beim Augenoptiker daheim professionell beraten werden. Durch die zahlreichen Wintersportaktivitäten ist die Sonnenbrille schon lange nicht mehr nur ein Lifestyle-Produkt für die Sommermonate, sondern ein Ganzjahres-Produkt. Als dieses sollte die Sonnen- und Sportbrillen eine permanente Präsenz im Schaufenster und im Geschäft haben.
Das Auge ist als komplexes Sinnesorgan bekanntlich äußerst leistungsfähig, aber auch sehr sensibel. Ähnlich wie bei einem Fotoapparat reguliert die Pupille als Blende den Lichteinfall, den Autofokus übernehmen Linse und Netzhaut, ähnlich wie der Sensorchip einer Digitalkamera. Festplatte und Bildverarbeitung sitzen im Gehirn. Dieses System gilt es zu schützen.
UV-Wirkung wird häufig unterschätzt
Viele Wintersportler unterschätzen die Auswirkung von UV-Strahlung auf ihr Auge. Sie verwechseln Blendschutz mit UV-Schutz. Sie sind sich nicht darüber im Klaren, dass der UV-Anteil pro 1.000 Meter Höhe um zehn Prozent steigt. Sie wissen nicht, dass schneebedeckte Pisten die UV-Reflexion um bis zu 40 Prozent erhöhen können.
Der Schutzmechanismus des Auges, das Blinzeln, ist bei reflektiertem UV weniger wirksam als bei UV, das aus dem oberem Himmelsraum kommt. Im schlimmsten Fall fängt man sich einen Sonnenbrand der Hornhaut des Auges ein, wird schneeblind oder erleidet eine Bindehautentzündung. Im Urlaub besonders schade.
Mehr Durchblick für mehr Sicherheit
Für eine individuell angepasste Sportbrille/Sonnenbrille spricht, dass gutes Sehen die Sicherheit beim Wintersport erhöht. Nur mit dem richtigen Durchblick macht Skifahren und Snowboarden wirklich Spaß. Die optimale Sehschärfe ist notwendig, um z.B. Unebenheiten auf der Piste, die Fahrspuren anderer Schneesportler oder riskante Situationen frühzeitig erkennen zu können. Nur so kann in jeder Situation richtig reagiert werden.
Grundsätzlich sollten Kurzsichtigkeiten bereits ab –0,50 dpt und Hyperopien ab ca. 1,5 dpt in einer Sport- bzw. Sonnenbrille auskorrigiert werden. Leider sieht die Realität häufig anders aus: Rund ein Drittel aller Schneesportler üben ihren Sport fehlsichtig aus und ca. 50 Prozent aller Skiunfälle gehen auf Seh- und Wahrnehmungsfehler zurück (Stiftung Sicherheit im Sport/Arbeitsgemeinschaft Sicherheit im Sport).
Dabei ist die Auswahl an optisch korrigierbaren Sportbrillen mittlerweile so riesig, dass für jeden Wintersportler ein passendes Modell gefunden werden kann. Wichtig für Skifahrer, Snowboarder und Langläufer ist, dass sie sich an unterschiedliche Witterungsverhältnisse anpassen können und vor allem eine Lösung für schlechtes Wetter parat haben.
Das kann ein Skigoogle (Skimaske) mit einem speziell angefertigten Innenclip für die optischen Gläser sein oder eine Sportbrille, bei der die Sonnenbrillengläser gegen kontraststeigernde Filter ausgetauscht werden können. Blueattenuator (Blauabschwächer; meist gelb-orange Gläser) verbessern die Wahrnehmungsleistung, da sie bei Nebel, Dämmerung oder diffusem Licht den Blauanteil des Lichtes (sogenanntes Streulicht) reduzieren.
Sogenannte Blueblocker (Kantenfilter), die den Blauanteil des Lichtes vollständig herausfiltern, sind – trotz ihrer extrem kontraststeigernden Wirkung – für den Sport nicht zu empfehlen. Das menschliche visuelle System benötigt besonders beim peripheren Sehen etwas Blauinformation. Das hängt mit der Verteilung der Zapfen auf der Netzhaut zusammen.
In der Makula Lutea (Stelle des schärfsten Sehens) findet man ausschließlich M- und L-Zapfen. Diese haben ihr Absorptionsmaximum bei 534 nm (Gelb/Grün) bzw. bei 563 nm (Rot). S-Zapfen, die ihr Absorptionsmaximum bei 420 nm haben (Blau), sind eher peripher angesiedelt. Gerade das periphere Sehen ist aber wichtig für die Orientierung, die Gleichgewichtsregulation und die Bewegungswahrnehmung.
Dreifach-Schutz durch Sportbrillen
Die Sportbrille schützt die Augen nicht nur vor UV-Licht, sondern auch vor Fahrtwind, Kälte und Fremdkörpern. Damit sie im Falle eines Sturzes nicht selbst zur Verletzungsursache wird, sollte sie bruchsicher sein. Als Brillenglasmaterial empfiehlt sich Polycarbonat oder Trivex. Zahlreiche Glashersteller bieten geeignete Kontrast steigernde Filtergläser aus diesen Materialien an.
Ungeeignet für den alpinen Schneesport sind allerdings die häufig empfohlenen Polarisationsfilter. Sitzt man in der Gondel mit Blick zur Sonne, lässt ein Polarisationsfilter zwar beim Blick in die Ferne die Umgebung kontrastreicher erscheinen, auf der Piste – mit der Sonne im Rücken – können aber wichtige Details auf der Schneeoberfläche, wie z.B. Eisplatten, durch die Polarisation „verschwinden“. Daher sollten polarisierende Filtergläser vor allem auf der Piste komplett gemieden werden.
Winterwanderer können mit gebogenen Sonnenbrillen ausgerüstet werden, die die Augen auch peripher schützen. In der Regel reichen Gläser der Schutzkategorie 3 (bis 18 Prozent Lichtdurchlässigkeit) aus. Soll es höher hinausgehen (ab ca. 4.000 Höhenmeter), sind allerdings Gläser der Schutzkategorie 4 (drei bis acht Prozent Lichtdurchlässigkeit, zu dunkel für den Straßenverkehr) absolutes Muss.
Die Blendempfindlichkeit ist bei jedem unterschiedlich stark ausgeprägt. Was für den einen gut ist, muss für den anderen nicht passen. Für eine individuelle Beratung sind Informationen vom Kunden wichtig: frühere Augenentzündungen, welche Filter er bislang getragen hat und wie er sich damit fühlte.
Meine Erfahrung zeigt, dass (brillentragende) Wintersportler sich in der Regel nicht am Urlaubsort um geeigneten Schutz für ihre Augen kümmern möchten, sondern zuhause beim Augenoptiker ihres Vertrauens. Also Sonnen- bzw. Sportbrillen zum Ende des Sommers nicht in die Schubladen legen, sondern einen prominenten Platz im Schaufenster reservieren.
// Katja Grimme
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Fotos: Sziols Sportbrillen
Katja Grimme
ist Augenoptikermeisterin (HFA Köln), Inhaberin des Augenoptikgeschäfts „sport:optic“ (Gründungsjahr 2001) in Dortmund und von Anfang an dort Spezialistin für Sportoptik.