Wer sind die Menschen hinter den Brillen? Wessen Ideen beeinflussen das, was Hersteller produzieren, Außendienstler in Läden bringen, Augenoptiker verkaufen und Menschen auf der Nase tragen? Eyebizz portraitiert die Kreativen der Branche. In der Ausgabe 1.2019 ist es Yuichi Toyama.
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Schon der Messestand auf der SILMO ist einmalig. An den Leinentüchern bewegen sich von außen sichtbar nur die Schatten seiner neuesten Kreationen. Federleicht, vom sanften Hauch der Luftströmungen bewegt – poetisch. Inspiration zu der neuesten Linie „Mobile“ spendeten Yuichi Toyama die kinetischen Kunstwerke von Alexander Calder.
Der Stand des japanischen Designers Yuichi Toyama wirkt wie eine Insel im Messegetöse. Abgeschirmt vom restlichen Trubel herrscht hier Konzentration aufs Wesentliche. Eine andere Welt. Ohne aufdringliche Farbe schirmen naturfarbene Leinentücher das Geschehen im Messestand ab. Kleine, etwa 20 Zentimeter große Mobiles stehen hinter den Tüchern auf hellem Holz präsentiert, neben den jüngsten Fassungsmodellen.
An den Draht-Konstruktionen, die sich wie feine Stängel im Wind bewegen, schweben gebogene Drähte wie Blätter, mal hier hin, mal dort hin. Immer wieder schweben aber auch die Newcomer des gebürtigen Tokioter wie Teile dieses Kunstwerkes mit. Ganz leicht. Geräuschlos. Erhaben. Scheinwerfer setzen Akzente und spiegeln nach außen nur die Schatten dieses Designkosmos‘.
Auf die Art der Präsentation und überhaupt zu dem aktuellen Designentwurf inspirierte Toyama die Konstruktionen des amerikanischen Künstlers, die ihn schon seit Kindesbeinen faszinierten. Als Kunststudent war er immer wieder auf Alexander Calders Werk gestoßen.
Alexander Calder (1898–1976) brachte mit seinen schwebenden, technisch raffinierten Mobiles lebendige Skulpturen in die Kunst, die es zuvor nicht gab. Der ein oder andere kennt Mobiles von der Decke schwebend aus dem Kinderzimmer. Es sind frei hängende, ausbalancierte, leichte Gebilde, die schon von schwachem Luftzug bewegt werden.
Der Begriff stammt aus dem Französischen (Adjektiv: mobile „beweglich, verstellbar, drehbar, lose, lebhaft“, Substantiv: Mobile „beweglicher Körper, fig. Motiv, Anlass, Beweggrund, Antrieb).
Sehr zurückhaltend und ohne großes Tamtam bewegt sich der freundliche Erfinder durch diese Welt. Yuishi Toyama trägt eine seiner neuen Kreationen auf der Nase. Den jungen Mann schützt ein großer runder Hut auf der Messe. Er wird seine Gründe haben.
Ein altes Spiel – neues Design bei Yuichi Toyama
Wer denkt, dass ausgerechnet ein altes Kinderspiel Grundlage für ein möglicherweise geniales Brillendesign ist? Die Story, die Toyama erzählt, ist wahrlich ungewöhnlich. Schon mal von „Double Dutch“ gehört?
Frei übersetzt geht es um „Kauderwelsch“, eine Anspielung auf die schwer verständliche Sprache der Holländer. Gemeint ist aber eine faszinierende Art des Seilspringens, bei der zwei Kinder, die sich gegenüberstehen, ihre Seile gegenläufig schlagen. Manchmal kommt ein drittes oder gar viertes Kind zum Seilzirkus dazu. Das Spiel kommt aus den Niederlanden, und es lohnt sich, das Seilspring-um-die-Wette-Wirrwarr mal auf YouTube zu bewundern.
Ein altes holländisches Spiel mit zwei gegenläufigen Springseilen inspirierte Yuichi Toyama zu seiner Double-Dutch-Kollektion.
Einwanderer brachten den Spaß im 17./18. Jahrhundert mit nach New York. Von dort ging er rund um die Welt. Mittlerweile gibt es internationale Wettkämpfe. In Millisekunden fliegen die Seile, springen die Protagonisten. Mehr Lebensfreude, gepaart mit Akribie, geht nicht.
Yuichi Toyama jedenfalls stieß im Tokioter Yoyogi-Park auf solche Seilakrobaten. Ihn beeindruckten nicht nur die blitzschnellen Reflexe der Kids, sondern vor allem die Formen, welche die gegenläufig geschlagenen Seile in der Luft zeichneten. Während er den Kindern zusah, entstand vor seinem geistigen Auge die Linie einer Brillenfassung. Er machte sich sofort Notizen. Das war die Geburt des Double-Dutch-Designs, zwei Metalldrähte, die sich am Scharnier zwischen Brillenbügel und Brillenfront kreuzen.
Dabei sind die Modelle gekennzeichnet durch Minimalismus in Design und Funktion – befreit von allen überflüssigen Elementen. Qualitativ hochwertig ist jedes Produkt auch ein ästhetisches Erlebnis, genau wie die Mobiles von Calder und die Seilspringer aus den Niederlanden. Toyama ergänzt: „Unser Anspruch bleibt aber auch die wiederentdeckte Qualität von Made-in-Japan, womit wir traditionelle Handwerkskunst mit innovativem Design verbinden.“
Vor zwei Jahren hatte er den Markennamen von USH by yuichi toyama in Yuichi Toyama geändert. Heute ist der junge Mann bereits das 26. Jahr als Fassungsdesigner unterwegs: seinem ganz persönlichen Design und Ästhetik in Reinform verpflichtet.
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Brillendesigner Yuichi Toyama
1993: Arbeit in den Bereichen Marketing und Planung bei einem Brillenhersteller in Fukui
2004: freiberuflicher Designer und Eyewear-Berater
2009: Gründung des ersten eigenen Labels „USH“
2017: Neuer Markenauftritt unter dem Namen Yuichi Toyama
Eine sehr gute Idee ein „Designer Portrait“ zu erstellen. Ich hoffe es folgen noch viele dieser Artikel.