Premiere an der Seine! Voller Erwartungen fuhren die drei Gründer von Kerl-Eyewear nach Paris: „Die Messe hat uns einen riesen Schub nach vorn gebracht!“. So das einhellige Resümee des Trios, das dank dem Newcomer-Award der SILMO in Kooperation mit eyebizz mit seinen Carbon-Fassungen zum ersten Mal auf dem internationalen Parkett punkten konnte.
Paris ist ein Sehnsuchtsort. Nicht nur für die drei Kreativen von Kerl-Eyewear, Jaromir Ufer, Johannes Dillinger und Branchenkenner Markus M. Moser. Verständlich also, wenn gerade hiesige Boutique-Augenoptiker Jahr für Jahr den Weg in die Seine-Stadt finden, auf der Suche nach Newcomern, neuen Kontakten und inspirierenden Gesprächen, diesmal unter 970 internationalen Ausstellern. Während Chanel auf den Dächern von Paris zeitgleich zur Fashion-Week seine Show präsentierte, erwartete die 35.888 Besucher (+2,5% im Vergleich zu 2018 laut Messe) am eher nüchternen Messegelände vor den Stadttoren die Neuigkeiten der Branche in zwei gut bestückten Hallen: Brillenfassungen, -Gläser, Kontaktlinsen, Ladenbau, Geräte …
Die Internationalität der Silmo ist das große Plus für die Aussteller
Erfreulich verbuchten die Aussteller im Gespräch mit der eyebizz-Redaktion die Internationalität der Besucher: von China, über Russland, Taiwan, Israel, Rumänien, Tschechien, Saudi-Arabien, Mauritius. Weltweite Kontakte für eine hoffentlich noch lange grenzenlos gedeihende Optikbranche. Die Messe gab 56% der Besucher als international an. Technischer Fortschritt, neues Design werden bei der Silmo besonders gehyped: Seit 25 Jahren schon zeichnet die Messe – jetzt mit dem Team rund um Silmo-Präsidentin Amelie Morél – Innovationen mit dem Silmo d‘ Or aus.
Die Gewinner des Silmo d’Or
OPAL mit „Tartine & Chocolat TC AA353″in der Kategorie „Kinder“, FREISICHT mit „Avantgarde” in der Kategorie „Korrektionsfassungen Technologie“, SAFILO mit „Attack MTB” – Smith in der Kategorie „Sport“, CAROLINE ABRAM mit „DIVINE”in der Kategorie „Sonnenbrillen Eyewear Designer“, BBGR mit „LUMIZ 100″ in der Kategorie „Geräte und Ausrüstung“, MARCHON mit dem Modell Marni „ME2632″ in der Kategorie „Korrektionsfassungen Fashion Trend“, VOXIWEB mit „VOXIONE” in der Kategorie „Low Vision“, Leica mit „Variovid Volterra” in der Kategorie „Brillengläser“, SONIA RYKIEL mit „Endlesse Summer” L’AMY in der Kategorie „Sonnenbrillen Fashion Trend“, Johnson & Johnson mit „Acuvue Oasys mit Transitions in der Kategorie Kontaktlinsen, TARIAN mit „Graphic” in der Kategorie „Korrektionsfassungen Eyewear Designer“ und JACQUES MARIE MAGE with „Loewy“und seinem Design in der Kategorie „Spezialpreis der Jury“, LIGHTBIRD für die Damen-Sonnenbrille „Planet“ in der Spezial-Kategorie „Premiere Classe“, ABEYE mit „Lexilens“ in der Kategorie „Spezialpreis Visual Health“ Glückwunsch!
In den Gängen bei den Besuchern und den Ausstellern, mit denen eyebizz sprach, herrschte positive Stimmung. Trotz der Konzentrationsprozesse in der Branche, trotz Brexit und trotz drohender Handelskriege, zeigten sich die Hersteller auch jenseits von EssilorLuxottica zuversichtlich: Gerade weil sie sich vom neuen Giganten am Markt absetzen können, erwachsen ihnen neue Chancen.
News zu Brillengläsern
Mit Neuerungen am Glasmarkt trat Essilor zu Beginn der Messe den internationalen Journalisten bei einer Pressekonferenz entgegen: Die herkömmlichen Refraktionstechnologien mit Korrekturabstufungen von 0,25 Dioptrien reichten nach neuesten Erkenntnissen der Franzosen nicht aus, weil demnach 95% aller Menschen feinere Abstufungen als die üblichen Korrekturschritte von 0,25 Dioptrien wahrnehmen. Die Antwort aus der Pariser Abteilung von Forschung und Entwicklung hat den eingängigen Namen „Ava“ und integriert eine präzisere Refraktion in 0,01 Dioptrien-Abstufungen durch den Vision-R 800 in Premium-Brillengläsern des Hauses. Die Feedbacks von deutschen Augenoptikern seinen eindrucksvoll, hieß es.
Transitions Country Produktmanagerin Maralen Busche gab eyebizz auf Nachfrage einen Ausblick auf die neuste Generation phototropen Gläser. Die Amerikaner bringen das Glas unter dem Markennamen „Transitions Signature GEN 8“ 2020 in Europa auf den Markt. Auf der opti wird man mehr erfahren. Busche sieht große Chancen: „Wir lieben Licht: Licht ist Energie, Licht gibt uns Kraft. Doch neun von zehn Menschen sind lichtempfindlich. Das bedeutet, dass fast jeder Brillenträger eine Lösung für störendes, blendendes Licht benötigt. Intelligente, selbsttönende Transitions-Gläser überzeugen durch Klarheit im Raum, Dunkelheit im Freien, schnelles Aktivieren, Aufhellen, langanhaltende Leistung sowie durch Schutz vor UV-Strahlung und blauem Licht.“ Die Expertin spricht von einer neuen Kategorie selbsttönender Brillengläser.
Einen SILMO d‘ Or räumte Leica Eyecare von Novacel mit seinem neuen Brillenglas ab. Durch die Anwendung von mathematischen Reihen von Vito Volterra, einem italienischen Mathematiker (1860-1940), werden bei der Berechnung des Gleitsicht-Glasdesigns laut Hersteller optische Aberrationen je nach Stärke und Addition um 50% bis zu 65% reduziert. Novacel Divisional Director Leica Gunter Fink: „Die Volterra Reihen wurden bisher hauptsächlich in anderen Bereichen, z. B. der Akustik angewandt, jedoch noch nie in der Optik. Wir haben somit den ersten Equalizer optischer Oberflächen kreiert.“ Nutzer beschrieben den Eindruck, es sei wie ein Einstärkenglas zu tragen. Drei Jahre soll die Neuentwicklung Inhouse gedauert haben.
Nachhaltigkeit, Natur – Form und Farben
Eines der großen Themen der Messe war Nachhaltigkeit. Immer wieder wurden die jungen Proteste von Fridays for Future auf den Gängen angesprochen. Die Bewegung ist international, die Herausforderung allgegenwärtig. Gar nicht so wenige Hersteller reagieren darauf mit autarken Gebäuden, die sich selbst mit Energie versorgen, mit E-Autos für die Flotte, Bienenstöcken oder der Verbannung von Plastikverpackungen. „Wir verfolgen das Thema bereits seit über zehn Jahren“, so Michaella René von der Design Eyewear Group. Ihr neuestes Projekt: Koffer für den Außendienstler, die aus Mais gefertigt werden.
„Ein wichtiges Thema, auch bei uns“, bestätigt Bertrand Ragonneau-Flemming von Julbo. „Es fängt mit Kleinigkeiten an, z. B. dass wir unsere Mitarbeiter in der Produktion mit zwei Bussen zur Arbeit abholen, dass wir unsere Brillen zu 75% in Europa fertigen und bei der Verpackung Plastik, wo es geht, vermeiden. Dazu gehört auch, dass wir unsere Brillen möglichst stabil herstellen und für fünf Jahre Ersatzteile bereithalten.“ Das schwedische Label EOE hat ein Recycling-Verfahren in Arbeit, aus alten Brillen neues Material für die Herstellung zu gewinnen.
Was das Farbenspiel fürs kommende Jahr angeht, gilt erneut: Erlaubt ist, was gefällt. Trotzdem ließen sich von der Redaktion Tendenzen aufspüren, denen man weiter nachgehen sollte. En vogue sind knallige Farben (Kirk, Etnia), viel transparente Looks, aber auch Naturtöne. Mehrfach zu sehen und zu hören war, dass die Farbe Grün gut im Rennen liegt. Die Freude am Umgang mit geometrischen Formen bleibt weiterhin eine Vorliebe der Designer (Dilem, Tarian). 3D-Druck ist nicht mehr wegzudenken, doch die Innovation wird jetzt zunehmend ein Teil eines umfassenderen Fassungsentwurfs, so etwa bei Beate Leinz, die nach über 20 Jahren Brillendesign für namhafte Modelabels auf der Silmo ihre erste eigene Kollektion vorstellte. „In love with hybrids“ kombiniert Acetat mit 3D-Druck. „Mit 3D-Druck lässt sich gut skulptural arbeiten, Acetat wiederum gibt Energie und Lebenskraft“, erklärt Leinz, „Beide Materialien beleben sich wechselseitig.“ Man darf auch diesen Trend im Auge behalten.
DIE haben den Durchblick
Bio, Nachhaltigkeit, aber auch technischer/digitaler Fortschritt: Welche Aspekte gibt es, die Ihr Unternehmen dazu im Blick hat? Bertrand Ragonneau-Flemming, Sales Manager International, Julbo, F-Longchaumois „Wir stellen eine Weltpremiere im Bereich Sportbrille und Digitalisierung vor: unsere eGlasses. Während man Sport treibt, kann man in Verbindung mit einer Smart watch oder einem SmartPhone im Glas Daten sehen, wie Geschwindigkeit, Höhenunterschiede, Herzfrequenz usw. Markteinführung ist im Februar 2020. Gewohnte Sport-Features wie entsprechende Brillengläser und variable Nasenstege, Bügel etc. sind dabei.“
Was läuft bei den Scharnieren? Elise Huang, Marketing Coordinator, Vaerk Copenhagen, DK-Hedehusene„Wir haben in Zusammenarbeit mit dem renommierten dänischen Industriedesign-Duo Harrit-Sørensen ein neues schraubenloses Scharnier konstruiert. Das ist zum einen praktisch und einfach, auch beim Wechseln der Bügel, und zum anderen unterstreicht es das minimalistische Design. Je nach Optik der Brille kann es farblich angepasst werden.“
Welcher übergeordnete Trend zeichnet sich ab? Johannes Nagl, Produktmanager OWP Brillen GmbH, Passau „Ich sehe vor allem geometrische Formen als großen Trend, das beginnt beim immer noch angesagten Rund und geht über in Kreisrund und wird auch bei Sonnenbrillen genutzt. Wir hatten die letzten Jahre selbst sehr stark die Pantoform. Ein anderer Trend ist der zu immer mehr Feinheit. Alles an der Fassung soll sehr fein sein.“
Aus welcher Szene kommen derzeit die größten Einflüsse? Eline De Munck, Odette Lunettes, Belgien „Viele Brillendesigner sagen: Architektur, Mode oder Autos inspiriert sie. Bei mir ist es anders. Mich inspirieren Menschen, die einen markanten Lifestyle haben. Wenn ich jemanden auf der Straße oder im Fernsehen sehe, der eine interessante Brille trägt, fotografiere ich ihn sofort.“
Metall, Acetat, Naturmaterial, Holz oder ein ganz neues Material? Dimitri Grunhauser, Spectacls for Humans, San Francicso „Alle Arten von Naturmaterialien sind jetzt ein großes Thema, auch Materialien, die sich recyceln lassen. Wir selbst bevorzugen aber Acetat. Es gibt ein angenehmes, warmes Gefühl und trägt sich gut auf der Haut.“
Rund, Pilot, Cateye – gibt es neue Silhouetten, welche bleiben? Audrey Larbot Kommunikationschefin für J. F. Rey,Marseille „Ganz neu sind bei uns Fassungen, die ein bisschen an Muscheln erinnern. Dreidimensional, inspiriert von Sonnenbrillen.“
Was läuft bei den Farben anders als sonst? Lucas de Stael, Paris: „Unsere aktuelle Kollektion ist grundsätzlich auf natürliche Farben ausgerichtet, weil die Fassungen aus Stein oder Leder gefertigt sind, speziell aus Ziegenleder oder Kuh. Bei der aktuellen Kollektion wird noch ein bisschen Patina aufgelegt. Das Thema Natur steht im Vordergrund.“
Unsere Gesellschaft wird immer älter – wie packen Sie das Thema Silver Society an? Marco Hering, Marketing Manager, Lunor, Bad Liebenzell „Die Marke Lunor ist klassisch ausgerichtet, läuft nicht jedem Trend hinterher. Wir bedienen das Segment von 20 bis 60 Jahren. Deshalb haben wir bei unserer neuen Kampagne drei Modelle gewählt: ein junges, eins um die dreißig und eins im fortgeschrittenen Alter. Jeder Augenoptiker hat seine spezielle Zielgruppe, auf die er seine Werbung abstellt. Dieses Bedürfnis wollen wir bedienen.“
Was läuft ganz neu bei den Holzbrillen? Thomas Winter, Freisicht, Freising: Neu ist unser gesamter Ansatz, da wir alles anders machen als bisher in der Holzbrillenbranche üblich. Um die immer wiederkehrenden und allseits bekannten Probleme von Holzbrillen zu lösen, haben wir ganz vorne am Material Holz begonnen und dieses physikalisch optimiert. Unser Holz ist unter Wärme individuell anpassbar, kann filigran und frei organisch designt und gefertigt werden und hat einen unsichtbaren Schließblock zur Verglasung integriert.“
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