Haffmans & Neumeister: Vom Blech zum anmutigen Luxusobjekt
von Dr. Jürgen Bräunlein,
Das bewährte Trio aus Daniel Haffmans, Philipp Haffmans und Jean-Pierre Neumeister startete 2017 Haffmans & Neumeister. Mit Tjarko Bohlen holte man sich einen weiteren Sparringspartner in die Geschäftsführung. Kaum möglich, sich der mitreißenden Aufbruchsstimmung zu entziehen, den die vier Männer, freundschaftlich miteinander verbunden, verbreiten. [13285]
1996 fingen sie an, seitdem lässt sie die Brillenwelt nicht mehr los. Nach ic!berlin und Mykita gründeten die Erfinder der Gattung „Flachmetallbrille“ zum dritten Mal ein Label. Wer sich mit den Geschäftsführern von Haffmans & Neumeister zum Gespräch trifft – in diesem Fall nicht im Firmensitz in Berlin-Schöneberg, wo Langenscheidt jahrzehntelang einen Vordruck seiner Wörterbücher herstellte, sondern nur per Skype, dafür technisch störungsfrei –, gleitet vom Rohmaterial Metall zum Brillendesign schnell hin zu philosophischen Betrachtungen.
In die Tiefe gehen
„Wabi-Sabi“, so erzählt Jean-Peter Neumeister, „kommt aus Japan, vom Zen-Buddhismus und meint die absolute Vertiefung in eine Kunstfertigkeit. Die Dinge werden von innen heraus verändert, das bedeutet: in die Tiefe gehen. Genau das machen wir mit unseren Brillen. Das Material wird nach außen immer nach Stahl aussehen, aber was passiert da drin? Das ist die Grundessenz. Wie können wir von innen heraus ein besseres Produkt herstellen.“
Neumeister ist studierter Produktdesigner. Bei Haffmans & Neumeister hat er die Produktionsabläufe im Blick, insbesondere das Metall, das verarbeitet wird, sein Potenzial, sein Zauber. Nicht umsonst ist er gelernter Schmied. Mit Philipp Haffmans, dem Design-Verantwortlichen im Team, hat er gemeinsam studiert. Für Aufsehen sorgte das Label 2018 mit einer schmuckhaften Kupferniete als Gelenkverbindung, mit der man der hauseigenen Flachmetallbrille eine neue Identität verpasste. Philipp Haffmanns störte „die bulkyness beim Übergang von der Fassung zum Bügel.“ So kam die Idee mit der Nietverbindung.
Brillendesign folgt Typographie
„Sie ist sehr fein, kann sich niemals lösen, hat sofort eine starken Wiedererkennungswert“, sagt er, doch das Wichtigste sei: „Durch das Wegbleiben komplizierter Blechfaltungen, ergibt sich die Möglichkeit, mit der Materialstärke hoch zu gehen – 0,6 statt wie zuvor 0,5 mm. Ein Zehntel, das sind 20 Prozent mehr Material, was in diesen Dimensionen einen enormen Unterschied ausmacht. Obwohl unsere Fassungen filigraner, fast auf Drahtstärke reduziert sind, fühlen sie sich sofort steifer an als unserer Vorgängerprodukte – bei gleichzeitig besserer Anpassbarkeit.“
Die Namen der einzelnen Kollektionen kommen bei Haffmans & Neumeister aus der Typographie. Die Analogie zur Brillengestaltung ist Programm: „Ultralight“ für feine Konturen, „Italic“ für Konturen mit dynamischen Schwüngen. „Das Liniengewicht ist für uns ein wichtiges Werkzeug, um unser Portfolio zu erweitern“, so Philipp Haffmans. „Unser Ziel ist es nämlich, dass für alle, Sie und Ihn, groß und klein, eckig und rund, auf jeden Fall was dabei ist.“
„Besinne Dich auch Deiner Stärken, und los geht die Reise. Und nicht so viel nach rechts und links schauen.“
Philipp Haffmans
Der Firmensitz in Berlin ist zum Teil Manufaktur; ein industrieller Laser, der einst mit einem Kran durchs Fenster gehievt wurde, ist Basiswerkzeug. Damit wird aus dem Edelstahlblech die Fassung herausgeschnitten und mittels Biegen und Prägen in Form gebracht. Oberflächenbehandlung und -veredelung übernehmen spezialisierte Zulieferer in Deutschland. „Es ist einfach schön zu sehen“, so Philipp Haffmans, „wie innerhalb kurzer Zeit aus einem garstigen Stück Blech ein anmutiges Luxusobjekt wird.“
Tjarko Bohlen, früher Sales Manager bei Mykita, später Geschäftsführer der zweitgrößten Optikerkette im Mittleren Osten, kümmert sich um das Vertriebsnetz. Die Brillen sind weltweit erhältlich, im asiatischen, auch im arabischen Raum. Wenn Corona nicht gekommen wäre, würde Bohlen jetzt die Expansion in den USA vorantreiben. „Doch Deutschland ist derzeit vielleicht der wichtigste Markt für uns, neben Frankreich und Italien.“
Haffmans & Neumeister: Selbstbewusst und eigensinnig
Daniel Haffmans, studierter Architekt, kümmert sich um den Markenaufbau und die Präsentation der Kollektionen auf Messen, in Stores und Shops. Kürzlich richtete er einen in Korea ein. „Die Asiaten haben gerne alles auf dem Tisch liegen, gibt da kulturelle Unterschiede.“ Bei der Eröffnung, so erzählt er, war auch zu sehen, dass ihre Brillen bei unterschiedlichen Altersgruppen funktionieren. Stilbewusste ältere Herren im Anzug trugen sie genauso wie modeaffine Jüngere. Ohnehin ginge es immer ums Gesicht, nicht um Technik: „Die Brillen gehen in den Gesichtern auf. Dasselbe Modell unserer Brillen schaut auf unterschiedlichen Gesichtern auch unterschiedlich aus.“
Die Vier von Haffmans & Neumeister – alle zwischen Mitte 30 und Mitte 50 – haben nicht nur eine lange gemeinsame Vergangenheit, sie vereint auch ein Generationsgefühl und ungewöhnliche Biografien. Die Haffmans-Brüder sind in Westafrika aufgewachsen, Jean-Pierre Neumeister hat seine Wurzeln in der französischen Schweiz und Tjarko Bohlen ist eigentlich Islamwissenschaftler, der zwei Jahre als Referent im Bundestag gearbeitet hat. Vermutlich lässt sie dieser gemeinsame Hintergrund so selbstbewusst querdenken und manchmal auch eigensinnig sein.
Als ihnen Alain Mikli 1996 die Rechte ihrer ersten Metallflachbrille abkaufen wollte, lehnten sie souverän ab: „Die Vorstellung, unser Baby gleich wegzugeben, passte nicht zu unserem eignen Unternehmergeist“, so Philipp Haffmans. Zum eigenen Kopf gehört auch, dass man keinen Webshop betreibt. „Wir hätten“, so Bohlen, „in Zeichen von Corona so etwas schnell an den Start bringen können, aber wir glauben an den stationären Handel und die Notwendigkeit richtiger Beratung. Das wird zukünftig wichtig sein. Auch unsere Brillen müssen gut angepasst werden.“ „Ohne unsere Kunden sind wir nichts“, ergänzt Daniel Haffmans. „Viele von ihnen begleiten uns schon sehr lange. Sie nehmen wahr, dass eine Evolution stattfindet von Marke zu Marke, und sie gehen mit.“
Umstellungsschmerz adieu!
Digitalisierung ist aber sehr wohl ein Thema. So hat man von Beginn an Wert gelegt auf ein Wirtschaftssystem, das ausbaufähig ist, so dass auch in Zukunft alle benötigten Daten für Produktion, Vertrieb und Verwaltung aus diesem System generiert werden können. „So bleibt uns der Umstellungsschmerz erspart, den man hat, wenn man auf das nächstgrößere System umsteigen muss, und der ist dramatisch“, so Daniel Haffmans aus früherer Erfahrung.
Es sei die Aufgabe, gemeinschaftlich mit den Augenoptikern, das Segment Independent Eyewear nach vorne zu bringen, darin sind sich alle vier einig. „Bei vielen Optikern steht ja jetzt einen Generationswechsel an“, sagt Bohlen, „und für die ist es, so denken wir, eine große Chance, Hersteller wie uns zu haben.“
In allernächster Zukunft wird es von Haffmans & Neumeister die Kombination Acetat und Edelstahl geben. Doch mehr darf noch nicht verraten werden. „Es fühlt sich für uns gerade so alles richtig an, wie es sich nur richtig anfühlen kann“, sagt Daniel Haffmans, „Wir brennen nur darauf, dass die nächsten Messen kommen, und wir unsere Neuheiten vor großem Publikum vorstellen können.“