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Krisen besser meistern

Die sieben Säulen der Resilienz

Resilienz – plötzlich begegnet sie einem an jeder Ecke. Ein Modewort? Nein! Resilienz ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um Stress, Krisen und unvorhersehbare Ereignisse (Covid-19) möglichst unbeschadet zu überstehen und möglicherweise sogar gestärkt daraus hervorzugehen. Die sieben Säulen der Resilienz helfen dabei. [13585]

Resilienz
Sieben Säulen der Resilienz (Bild: Pixabay / Kookay)

Man kann sich Resilienz gut am Bild des „Stehaufmännchens“ vorstellen: Umfallen, aber schnell wieder aufstehen, um mutig und gutgelaunt weiter zu hüpfen. Resilienz stammt aus dem Lateinischen – „resilere“ – und steht für „zurückspringen“ im Sinne von federnd und elastisch. Die Übersetzung aus dem englischen „resilient“ fügt noch „belastbar“ und „unverwüstlich“ hinzu. Der Duden beschreibt das Wort Resilienz so: „Die psychische Widerstandskraft; Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigungen zu überstehen.“ Das meint auch die innere Widerstandskraft, die Fähigkeit der Selbststeuerung und nicht zuletzt ganzheitliche Achtsamkeit. Das Gegenteil von Resilienz heißt „Vulnerabilität“, also „Verwundbarkeit“.

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Flexmaterial als Vorbild

Ein Beispiel für Resilienz, das dem Augenoptiker täglich im Geschäft begegnet, sind Brillen aus Flexmaterial. Flexmaterial geht nach dem Biegen wieder in die Ausgangslage zurück, es bricht nicht, weil es elastisch und anpassungsfähig ist. Dieses Material wird in der Industrie auch als resilient bezeichnet.

Es wird zwischen „roher Resilienz“ (Resilienz, die in der Persönlichkeit steckt) und „erworbener Resilienz“ unterschieden. Die gute Botschaft also: Resilienz ist erlernbar. Man geht davon aus, dass die erworbene Resilienz in einem konstruktiven, unterstützenden Umfeld positivere Ergebnisse hervorbringen kann als die angeborene Resilienz. Erlernen von Resilienz geht nicht ohne Selbstreflexion. Eine Möglichkeit dazu ist, die Metaebene einzunehmen und zu versuchen, sich selbst von außen zu beobachten. Stellen wir uns etwa bildlich vor, wie ein Adler von hoch oben uns sehen und unsere Handlungen interpretieren würde. Unaufgeregt und eben mit dem nötigen Abstand. Daraus erschließen sich zukünftige Ansichten und Lösungen leichter.

Sieben Säulen der Resilienz

„Die sieben Säulen der Resilienz“ (nach Reivich & Shatté) helfen, genauer zu verstehen, was Resilienz wirklich ausmacht. Damit zu arbeiten, ist ein erster Schritt auf dem Weg zur Resilienz.

1: Steuerung der Emotionen

Die Fähigkeit, negative und störende Gefühle mit innerer Distanz wahrzunehmen und zu neutralisieren. Es fällt manchmal wirklich schwer, wenn im dümmsten Moment wieder ein Kunde „stört“, just in dem Moment, wenn die eilige und komplizierte Online-Bestellung bearbeitet wird. Hier das strahlende, ehrliche Lächeln zur freundlichen Begrüßung und erstem Eindruck zu zeigen, mit dem uneingeschränkten Wollen, ist in diesem Moment besonders schwer und erfordert viel Selbstkontrolle und regelmäßiges Training.

2: Impulskontrolle

Die Fähigkeit, das eigene Verhalten in (Krisen-)Situationen so zu steuern, dass man sich nicht von den eigenen langfristigen Zielen abbringen lässt. Hier geht es um die Selbstdisziplin in uns, die sich ebenfalls trainieren lässt. Verlockende Angebote gilt es, zugunsten der eigenen Ziele zu ignorieren.

Ein Beispiel aus der Augenoptik, bei dem die Impulskontrolle misslingt, ist folgende Erfahrung: Der Einkaufsplan für die Augenoptik-Messe sieht vor, bei Lieferant A, B und C insgesamt 100 Brillen zu kaufen. Bei diesen Partnern sind die Preislage, die Qualität, die guten Abverkaufszahlen und der perfekte Service bekannt. Doch dem unüberschaubaren Angebot und den vermeintlich noch besseren Herstellern können wir – aufgrund fehlender Selbstdisziplin – leider nicht widerstehen. Das Ergebnis: Der Einkauf von 200 Brillen bei Lieferant X, Y und Z. Kurze Zeit später macht sich der Einkauf bemerkbar. Hohe Kosten, zu hoher Lagerbestand und die Produkte und Lieferanten halten lange nicht das, wie es bei Partner A, B und C war. Mancher Schnellschuss kann so ins Auge gehen!

3: Kausalanalyse

Die Fähigkeit, einen Misserfolg gründlich und nüchtern zu analysieren, um daraus für das nächste Mal zu lernen, um den Fehler nicht zu wiederholen. Auf das Beispiel von oben bezogen hieße das: Den Einkaufsplan in Zukunft strenger einhalten, auch wenn es manchmal schwerfällt. Und akzeptieren, dass häufig auch die zweitbeste Lösung eine gute Entscheidung ist.

4: Selbstwirksamkeit

Die Überzeugung, das eigene Geschick selbst beeinflussen zu können und den anstrengenden Herausforderungen gewachsen zu sein. Dadurch nehmen wir wahr, wie gut unsere Kontrolle über unser eigenes Schicksal und unsere Umwelt ist. Für uns entscheiden wir autonom, ob und wie eine Aufgabe zu bewältigen ist.

5: Realistischer Optimismus

Darauf vertrauen, dass die eigenen Ziele erreicht werden können, obgleich sich Probleme auf dem Weg auftun werden, die gemeistert werden müssen. Das heißt, auf Fehler oder unerwartete Hürden vorbereitet sein und diese mit Ausdauer und Energie bewältigen.

6: Empathie

Die Fähigkeit, die Gefühle anderer Personen nachzuvollziehen und sich in ihre Situation hineinzuversetzen. Leicht sollte uns das fürs eigene Team fallen, da wir ein Teil der gleichen sozialen Gruppe sind, in der wir uns gegenseitig fair verhalten wollen. Schwieriger ist die Optiker-Kunden-Beziehung. Hier treffen unterschiedliche Erwartungen, soziale Differenzen und Ansprüche aufeinander. Das Einfühlungsvermögen wird hier oft auf eine harte Probe gestellt. Der Augenoptiker ist hier besonders gefordert, sich intensiv und tief in die Person und Situation des Kunden hineinzuversetzen, um seine Wünsche oder Probleme präzise verstehen zu können.

7: Reaching out

Der Wille, sich unabhängig von der Meinung anderer zu entwickeln und sich aus eigenem Antrieb Ziele zu setzen, um diese konsequent zu verfolgen und schließlich auch zu erreichen. Durch die eigene Wahrnehmung und Selbstbeobachtung seiner Möglichkeiten gilt es, die für sich passenden Aktionen zu finden. Aus eigener Meinung, aus eigener Überzeugung und nicht, weil es „all die anderen“ auch tun. Das Wissen darüber, dass man selber in der Lage ist, etwas zu verbessern.

Was man durch Resilienz gewinnt

Bei fehlender Resilienz neigen Menschen dazu, falsche Ad-hoc-Entscheidungen zu treffen, oft mit fatalen Wirkungen. Beispielsweise im Umgang mit Kollegen: Eine unüberlegte, emotionale und unsachliche Reaktion nach einer Ursache kann zu langfristigen, negativen Konsequenzen führen, die bis zur Kündigung oder dauerhaften zwischenmenschlichen Spannungen reichen. Und das sind oft Dinge, die man ursprünglich gar nicht gewollt hat.

Vorgänge und Abläufe sind im Geschäft, im Alltag und in der Natur allerdings meist extrem komplex. Ein Hebel wird bewegt und das Gleichgewicht kommt aus der Balance. Wird in der Sahelzone die Tsetsefliege ausgerottet, sterben weniger Rinder. Das ist grundsätzlich gut. Spielen wir das Szenario aber weiter, erkennt man die fatalen Folgen dieser Einzelmaßnahme. Mehr Rinder, mehr Bedarf an Wasser, mehr Weideflächen usw. Für uns im Alltag heißt das, dass wir manchmal und nicht selten in Zeitdruck einzelne „Reparaturziele“ nur ausführen, um kurzfristig Schlimmeres zu verhindern. Resilienz hilft, das zu hinterfragen.

Resilienz heißt auch, den ständig lockenden Angeboten an neuen Geräten, Glas- und Fassungsangeboten kritisch zu begegnen und auch einmal zu widerstehen. Wir müssen die Wäsche nicht mehr am Fluss waschen und die Gläser nicht von Hand bröckeln, nur dürfen wir auch nicht unüberlegt jedem Trend oder auch jedem Ruf eines „Influencers“ hinterherrennen. Manche Innovation mag sinnvoll sein, gewiss nicht jede. Überlegt, achtsam und gut reflektiert kommen wir mitunter auch mit kleinen Schritten gut ans Ziel.

Mit Resilienz sind Augenoptiker besser gewappnet gegen unerwartete Dinge und unvorhersehbare Ereignisse. Mit dem „Plan B“ in der Tasche, scheut man sich auch nicht, einmal auch unvorhersehbare Wege zu gehen. Manchmal reicht es auch, einfach nur durchzuatmen, bis zehn zählen und besonnen bleiben. Lächeln – auch mal über sich selber –, vor allem mit dem Team und den Kunden. Und nicht vergessen: Resilienz verhindert Stress und macht den Umgang mit Stresssituationen einfacher.

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Thomas Müller (57) ist psychologischer Managementtrainer, Agile Coach und Resilienztrainer in Obermaiselstein im Oberallgäu. Sein Unternehmen heißt Personality3 und steht für Persönlichkeit, Erfolg und Präsenz. Als staatl. gepr. Augenoptiker und Optometrist (MSc) kennt er die Branche aus dem Effeff. Kontakt: mail@personality3.de.

 

Beitrag aus der eyebizz 6.2020 (Oktober/November)

 

Einführung in das Thema Resilienz

 

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