Wissen auf den neuesten Stand zu halten, ist auch für Augenoptiker und ihre Teams ein Muss. Bildung misst sich an der Zukunft, nicht an der Gegenwart. Die Überlegung lautet: „Welche zukünftigen Fortbildungsinhalte sind für die Kompetenz des Einzelnen wichtig?“ Im Folgenden eine Ermunterung, Seminare als Chancen zu begreifen. [13342]
Seminar-Hindernisse
Weiterbildung betrifft jeden Berufstätigen. Nur sind Ältere oft kritischer, wenn es um Veränderungen im Arbeitsablauf oder grundsätzlich um Neuerungen geht. Ideal wäre es, sich immer schon heute mit Themen zu befassen, die neu sind und erst morgen aktuell werden. Je näher Kenntnisse, die neu gelernt werden, an der Schnittstelle zwischen Wissen und Nichtwissen liegen, desto besser können sie von Seminarteilnehmern integriert werden. Somit ist Über- oder Unterforderung ausgeschlossen.
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Schon vor Corona hat sich allerdings eine gewisse Seminarmüdigkeit breit gemacht. Seminarbesuche kosten Geld und der Erfolg zeigt sich nicht sofort. Hinzu kommen Aufwand und Umstand von Anreise, eventueller Übernachtung und späterer Abreise. Wem das alles zu viel ist, hat nicht die nötige Motivation, sich weiter zu qualifizieren. Geplante Seminarbesuche werden immer wieder verschoben, das Tagesgeschäft ist wichtiger. Manche Firma ist zudem aufgrund von Personalknappheit jeden Tag auf die Anwesenheit der Mitarbeiter angewiesen. Mangelndes Interesse an Weiterbildung beruht gelegentlich auf Selbstüberschätzung eigener Fähigkeiten. Die Meinung, man weiß doch (fast) alles, ist ein typischer Seminarkiller.
Seminar-Planung
Nach einer Forsa-Umfrage im Auftrag des „Instituts für Lernsysteme ILS“ möchten sich vor allem Jüngere weiterentwickeln. Bei einer jährlichen Arbeitszeit von ca. 1.500 Stunden ist eine Weiterbildung von 15 Stunden (zwei Seminartage) gerade mal 1 Prozent, das mindeste, was der Chef sich und seinem Team gönnen sollte. Ideal ist es, wenn er gemeinsam mit jedem Mitarbeiter regelmäßig den Qualifizierungsbedarf prüft und klärt, welche Maßnahmen für die Weiterbildung in Frage kommen. Wünsche werden bis zu einem festgelegten Termin angenommen, die Teilnahme wird dann bedarfsgerecht geplant. Wissen muss möglichst vielen Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt, erworbenes Wissen muss breit gestreut werden, sodass das ganze Team davon profitiert. Weiterbildung bindet Personal, denn für Mitarbeiter ist die es wichtig, wenn sie von der Firma Angebote zur weiteren Qualifizierung erhalten.
Wissenserwerb hat nichts mit dem Alter zu tun, für die eigene Qualifizierung gibt es keine Altersgrenze. Auch bei den Ü50-Jährigen sollte permanente Weiterbildung, trotz Berufserfahrung, einen hohen Stellenwert haben. Bedacht werden sollte: Wer im Laufe der Zeit einen größeren Wissensrückstand aufgebaut hat, braucht die doppelte Anstrengung, um wieder auf einen aktuellen Stand zu kommen.
Fachverbände und Lieferanten stellen den größten Teil der Seminar-Anbieter dar. In der Fachpresse und im Internet findet man Adressen und Termine. Der Besuch sollte nicht von den Teilnehmergebühren abhängig gemacht werden, die Inhalte und der Seminarnutzen sind wichtiger. Denn sonst nimmt man in Kauf, dass die Inhalte dem individuellen Bedürfnis des Teilnehmers nicht ausreichend entsprechen. Da es bei vielen Seminaren eine Teilnehmergrenze gibt, ist eine frühe Anmeldung ratsam. Melden sich mehrere Personen einer Firma an, darf man einen Rabatt erwarten.
Weiterbildung darf nicht als Belohnung für gute Mitarbeiter gesehen und nur bestimmten Personen angeboten werden. Wer seine Mitarbeiter fordert, muss sie fördern und auf Gleichbehandlung achten. Der Seminartag gilt als Arbeitstag, wird nicht mit Urlaub oder Überstunden verrechnet. Durch diese großzügige Regelung des Arbeitgebers verpflichtet sich der Mitarbeiter im Gegenzug zu Seminarergebnissen.
Die Chance zur persönlichen und fachlichen Weiterentwicklung spricht sich in der Firma herum, macht Schule, wirkt ansteckend, motiviert auch Kollegen. Firmen, die in Weiterbildung investieren, motivieren die Teams insgesamt, dadurch verbessert sich die Kundenberatung. Die Führungskraft hat auch eine Vorbildfunktion und sollte selbst an Seminaren teilnehmen.
Online-Seminare – innovativ und anders
Vorteile von Online-Seminaren werden gerade zur Corona-Zeiten klarer erkannt: Bei Webinaren müssen sich Teilnehmer nicht auf einen fremden Seminarraum einstellen, sie nehmen von Zuhause aus teil, in einer vertrauten Umgebung oder in Räumen ihrer Wahl. Das wird von vielen sehr begrüßt. Mit einem Webinar spart man Hin- und Rückreise zum Seminarort und die Übernachtung, also Geld und obendrein Zeit. Doch lässt sich das herkömmliche Bildungssystem vollständig ersetzen? Der Anteil des Präsenztrainings liegt immer noch bei rund 60 Prozent.
Trotz der Vorteile für Arbeitgeber und Teilnehmer gibt es auch Nachteile: Das Seminar am Bildschirm strengt wesentlich mehr an, bei aktuellen Befragungen äußern sich über die Hälfte von Teilnehmern kritisch, nur eine Seminardauer von drei bis vier Stunden wird für sinnvoll erachtet. Beim Videotraining ist die Bild- und Tonqualität oft nicht perfekt, Teilnehmer müssen sehr diszipliniert auf Gestik und Bewegungen achten, auch um Hintergrundgeräusche zu vermeiden. Je mehr Personen an der Schulung teilnehmen, desto kleiner ist der Bildausschnitt. Für den Referenten ist die Situation besonders schwierig, wenn er über Power-Point Skizzen darstellt. Pinnwand-Übungen und Aufzeichnungen am Flipchart müssen erst trainiert werden.
Bei Lieferantenschulungen ist Präsenztraining die erste Wahl, denn Fertigungsschritte und Proben können überzeugender präsentiert werden als über Video. In der Augenoptik wird derzeit von Industrie und Privatanbietern viel mit Online-Seminaren experimentiert, doch ohne Präsenzseminare wird es auf Dauer nicht gehen. Das Ambiente professioneller Seminarräume und das persönliche Netzwerken nach der Veranstaltung werden von den meisten als elementar betrachtet. Online scheint das weniger gut zu funktionieren. Für Mitarbeiter ist ein externer Seminarbesuch zudem oft ein willkommener Tapetenwechsel.
Fazit
Es kommt auf die Themenfelder an: Verkaufsrhetorik, Beratung, Präsentation lassen sich idealerweise im Workshop mit Video-Kontrolle durchführen. Für technisches Wissen und fachliche Kompetenz in der Optik sind Webinare durchaus gut geeignet. So wie es verschiedene Verkehrsmittel gibt, die ihre Berechtigung haben, existieren verschiedene Lernformen, die sich ergänzen und nicht im Wettbewerb gegen einander stehen. In der Corona-Pandemie sind Webinare alternativlos. Und Teilnehmer und Veranstalter lernen laufend dazu, um den Erfolg für alle Beteiligten zu erhöhen.
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Rolf Leicher ist Dipl.-Betriebswirt, Fachautor und Referent aus Heidelberg
Beitrag aus der eyebizz 4/5.2020 (August/September)