sonntags bei Anne Will. Vier Millionen Voyeure starren gebannt auf den Bildschirm. Nicht wegen des Talkthemas – zum hundertsten Mal Corona –, sondern wegen Peter Altmaiers Brille. Unser Bundeswirtschaftsminister trug ein Desaster-Modell. Was war passiert? Am rechten Glas ein gutes Stück abgebrochen! Geht es ihm wie vielen anderen? Maske auf, Maske ab: Brille kaputt (S. 74)? Eine Freundin schwor, ihn genauso bei einer anderen Talkshow gesehen zu haben. War‘s dem Single egal? Ist es Hohn? Hoho, zersplitterte Sehhilfen tun’s auch?
Der Kümmerer und Kämpfer für den Mittelstand geht allerdings mit schlechtem Beispiel voran. Zwar frisst Corona die Bundeskassen leer, Altmaier muss staatseigenes Tafelsilber verhökern. Wie könnte er da Geld für neue Brillengläser verschwenden, wenn die abgebröckelten noch funktionieren? Anderseits fehlt es ihm wohl doch am Respekt vor dem Beruf. Der ist auch deshalb systemrelevant, damit kein Fehlsichtiger so angenagt herumlaufen muss. Weiß Altmaier zu wenig über den augenoptischen Mittelstand? Wir schicken ihm diese eyebizz zu.
In unserem aktuellen Glas-Extra stellen wir mit Kaps Vision in Rathenow ein innovatives Start-up vor, das Glasstärken im extremen Dioptrien Bereich herstellt (S. 26). Außerdem gehen wir der Frage nach, wann bei Smart Glasses mit einem Durchbruch zu rechnen ist (S. 36). Dass hier wenig in Deutschland geforscht wird, sollte Herrn Altmaier zu denken geben.
Viel tut sich derzeit, wenn es darum geht, das ausgefallene Messegeschäft zu kompensieren. Silhouette eröffnete einen digitalen Showroom, Oculus startet im Frühjahr eine Deutschlandtour, um doch noch persönlich zum Kunden zu kommen. Diskussionen zu Fachthemen werden vielfach online geführt, mit neuen Formaten, so bei Menicons’ digitalen Round-Table-Talks. Der Einstand: gelungen (S. 54). Ob sich eine Online-Video-Beratung auch bei Augenoptiker*innen durchsetzt? Wir werden sehen (S. 62).
„Art? Ist das nicht ein Männername?“, scherzte Andy Warhol. Dass Brillendesign und Kunst bestens zueinander passen, zeigt diese Edition gleich zweimal. Wir stellen Massada Eyewear vor, ein Independent Brillenlabel, bei dem sich jede einzelne Fassung auf ein Gemälde, einen Film, Architektur oder Details der Kunstgeschichte bezieht (S. 16). Und wir freuen uns, Bilder des Spaniers Javier Mayoral präsentieren zu können. Der Maler, der als Koch gearbeitet hat, bevor aus dem Hobby ein Beruf wurde, hat nicht nur einen beeindruckenden Pinselstrich, seine Brillenbilder sind auch philosophisch (S. 58). Und sie machen Spaß, und zwar deutlich mehr als der Anblick ramponierter Brillengläser bei unseren Volksvertretern. Welche/r Berliner Augenoptiker/in fühlt sich herausgefordert, dem armen Minister zu helfen? Ich bin gespannt!