Lange galt die Augenfarbe als ein von nur wenigen Genen kontrolliertes Merkmal. Jetzt entdeckten Forscher in einer Studie unter fast 195.000 Menschen in Europa und Asien gleich 50 neue Genvarianten für die Farbe der Iris. Die Genetik der menschlichen Augenfarbe ist demnach wesentlich komplexer.
Ein internationales Forscherteam unter der Leitung des King’s College London und des Erasmus University Medical Center Rotterdam hat in der bisher größten genetischen Studie ihrer Art 50 neue Gene für die Augenfarbe identifiziert. Die Studie, die Mitte März in Science Advances veröffentlicht wurde, umfasste die genetische Analyse von fast 195.000 Menschen in Europa und Asien.
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Blaue Augen „erst“ seit 10.000 Jahren
Etwa 90 Prozent aller Menschen weltweit haben braune Augen, darunter der weitaus überwiegende Teil der Menschen nichteuropäischer Abstammung. Der Rest verteilt sich auf Blau, Grün und Grau, wobei Grün mit weniger als 2 % die seltenste Augenfarbe ist. Die wenigsten braunäugigen Menschen gibt es im Ostseeraum: In Estland haben 99 % der Bevölkerung blaue Augen (Quelle: Wikipedia).
Menschen europäischer Abstammung zeigen demnach die größte Vielfalt in der Augenfarbe. Die Unterschiede kommen durch unterschiedliche Anteile der Pigmente Melanin und Phäomelanin in der Iris zustande. Überwiegt das schwarz-braunes Melanin, erscheinen die Augen braun, bei einem größeren Anteil des helleren Phäomelanin sind die Augen grün oder grau. Fehlen die Pigmente ganz, entstehen blaue Augen. Die Blau-Variante könnte Genforschern zufolge „erst“ vor 6.000 bis 10.000 Jahren entstanden sein.
Rätsel um graue und grüne Augenfarbe
Am Anfang dachten Wissenschaftler, dass die Variation der Augenfarbe nur von einem oder zwei Genen gesteuert wird. In weiteren Forschungen identifizierten Forscher ein Dutzend Gene, die mit der Augenfarbe in Verbindung stehen, und es erlauben beispielsweise vorherzusagen, ob ein Mensch blaue oder braue Augen besitzt. Graue oder grüne Augen jedoch blieben außen vor. Die Wissenschaftler gingen schon damals davon aus, dass es hierfür noch mehr Gene geben muss.
Größte Vergleichsstudie in Europa und Asien
Auf der Suche nach diesen zusätzlichen Genen haben die Forscher aus London und Rotterdam die bislang größte genomweite Vergleichsstudie durchgeführt. Dafür analysierten sie das Erbgut von fast 195.000 Menschen aus zehn Populationen in Europa und zwei in Asien.
Dabei suchten sie gezielt nach Genorten und Punktmutationen, die gehäuft bei Menschen gleicher Augenfarbe vorkommen – und entdeckten 50 weitere Genorte, in denen Genvarianten für die Augenfarbe liegen und die einige der bislang fehlenden genetischen Zusammenhänge erklären. Erstaunlicherweise fanden sich viele dieser Genvarianten aber auch bei Asiaten, obwohl ihre Augenfarbe „nur“ zwischen verschiedenen Brauntönen variiert.
Hilfe für Medizin und Forensik
Diese Erkenntnisse werden laut Forscher dazu beitragen, das Verständnis von Augenkrankheiten wie dem Pigment-Glaukom und dem okulären Albinismus zu verbessern, bei denen die Augenpigmentierung eine Rolle spielt. Außerdem können die neuentdeckten Genvarianten nun Forensikern und Anthropologen dabei helfen, die Augenfarbe von Skeletten bei archäologischen Ausgrabungen oder auch bei kriminalistischen Untersuchungen anhand der DNA genauer zu bestimmen.