Personal-Suche in der Augenoptik: Quereinsteiger erwünscht!
von Eva Dieker,
Eine erstaunliche Zahl erschien beim Spectaris Trendforum 2020: 71 % der von der Hamburger Agentur Spotleit befragten Augenoptiker*innen wären bereit, fachfremdes Personal einzustellen. Doch bei der Umsetzung hapert es. Fachfremde, Fachverkäufer oder Optik-Berater sind verpönte Begriffe mit fadem Beigeschmack. Warum eigentlich?
Die Branche pflegt ihr Image vor allem über den Titel. Es stellt sich die Frage nach der Gewichtung. Warum liegt der Fokus in der Personalsuche auf einer bestandenen Prüfung? Zumal die Suche nach Fachkräften immer schwieriger geworden ist, die Anforderungen immens sind. Die Werbung eines Kollegen zeigt es: „Wir sind Stylisten, Trendscouts, Designer, Physiker, Psychologen, Feuerwehrleute und geprüfte Augenoptiker.“
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Fakt ist: Die Nachwuchssorgen wurden vernachlässigt und sind jetzt groß. Anwärter sind rar, die anspruchsvolle Ausbildung ist nicht für jeden machbar. Die Kosten, die Auszubildende verursachen, und die Zuwendung, die eine gute Ausbildung verlangt, sind für Betriebe durchschnittlicher Größe eine Herausforderung.
Qualifikation versus Kundenansprache?
Haben Inhaber die Bewerbung einer Fachkraft ergattert, wiegt die Qualifikation zum Augenoptiker immer stärker als Attribute wie Eloquenz und Sympathie. Die Wünsche: M/W/D passen ins Team, können die Zielgruppe ansprechen, spiegeln die Philosophie und die Corporate Identity wider, werden zur Nebensache. Über allem schwebt der mahnende Zeigefinger des Steuerberaters, der die Personalkosten im Blick hat. Der Personalbestand steht häufig am Limit der Belastbarkeit. Jede Krankmeldung, Kur, Elternzeit, Fortbildung und erst recht der Worst case Kündigung treibt allen die Schweißperlen auf die Stirn.
Wenn das passiert, gerät das ganze Gefüge ins Wanken, denn die Arbeitsplatzbeschreibung jedes Mitarbeiters ist ausgesprochen vielseitig: Werkstatt, Buchhaltung, Postbearbeitung, Glaspost, Gutschriften und Reklamationen einsenden, Telefondienst, Kontaktlinse, Refraktion, Bestellungen, einschließlich der zeitaufwendigen Zentrierdatenauswertung, Azubi-Betreuung, Einsatzpläne, Geräte- und Arbeitsplatzpflege einschließlich Warenpräsentation … und – ups, ach ja – die Beratung von Kunden.
Verkaufstrainer erinnern an die imaginäre rote Linie, die Mitarbeiter beim Eintritt eines Kunden überschreiten müssen. Sie müssen die ausgeübte Aufgabe loslassen, ein Lächeln zaubern und sich ihm mit jeder Faser zuwenden. Sie durchlaufen regelrecht eine Metamorphose. Allen, die diese Kunst beherrschen, gilt ein Chapeau; ein Glück, wer solche Mitarbeiter hat.
Filialisten und Optikketten mussten bereits erkennen, dass sie ihren hohen Bedarf an Personal nicht über den Markt abdecken können. Allein Fielmann sucht aktuell 1.136 neue Mitarbeiter. Hier wurden seit langem interne Schulungen installiert. Nach kurzer Zeit steht ein Fachverkäufer mit erlernten Modulsätzen, einer Firmenphilosophie und einem Verkaufsleitfaden bewaffnet parat. Das wichtigste Ziel ist erreicht: Der Kunde wird bedient, bleibt im Geschäft.
Der Gedanke – „Das ist nur was für Ketten, aber nicht für mich“ – ist bei vielen gegenwärtig. Und das Urteil, dieses Denken wäre arrogant, überheblich und herablassend, steht dem Argument gegenüber, dass die Augenoptik dem Gesundheitswesen angehört und sich die traditionelle Augenoptik über die Kompetenz abheben kann.
Personal: das unterschätzte Marketingtool
Oberste Priorität hat Kunden-Neugewinnung, Kunden-Zufriedenheit und Kunden-Bindung. Wo aber ist noch anzusetzen, wenn der Ladenbau gemacht, die Gerätetechnik ausgereizt, Kollektionen als Basis erwählt, schlecht einschätzbare Werbemaßnahmen das Budget ausgeschöpft haben und Kunden-Events angeboten werden, die zurzeit nicht einmal möglich sind?
Die uns bescheinigte Systemrelevanz und die hohe Kundenzufriedenheit können ein Ansporn sein. Der Kurztrip nach Paris fällt aus, Essen gehen, Kino, Bummeln in der City nicht möglich. Aber eine neue Brille ist Shoppen für die Gesundheit, das Wohlbefinden und das Aussehen. Zusätzlich verstärkt das Home office das Bewusstsein für das Sehen. Die Überlegung, sich etwas Besonderes zu gönnen, kann in dieser Zeit in die Gunst der Einzelunternehmen fallen. Eingeschränkte Terminwahl und Wartezeiten vor der Tür wegen Quadratmeter-Einschränkung beim Filialisten – dafür kippt die Waage bei dem Punkt Preiswert so manches Mal nicht.
Personal ist ein unterschätztes Gut als Marketingtool. Gerade jetzt kann dem Kunden bei guter und ausreichend vorhandener Aufstellung von Mitarbeitern der qualitative Mehrwert eines traditionellen Augenoptikers deutlich gemacht werden. Denn wenn ein Kunde das Geschäft betreten hat, ist die Wahl für seinen Favoriten bereits gefallen, ein entscheidender Moment entsteht: Kunde trifft auf seinen Berater.
Klassische Augenoptikfachgeschäfte betonen ihre Kompetenz über ausgebildetes Fachpersonal. Das Marktangebot begrenzt jedoch die Umsetzung. Eine Lösung liegt deshalb, wie so oft, nicht im Schwarz oder Weiß, sondern im Grauton. Warum nicht engagierte Quereinsteiger im Team integrieren?
Um bei Kompetenzen und Unterschieden zum Wettbewerb zu bleiben, müssen die Anforderungen an einen Quereinsteiger für ein Einzelunternehmen höher sein. Es muss eine Lösung sein, die verantwortungsbewusst die Wertigkeit der traditionellen Augenoptik erhält. Eine Definition dieser Anforderungen ist zu erstellen. Die Kriterien Eloquenz und Sympathie können in den Vordergrund rücken, Lebenserfahrung und Neugier miteinbezogen werden. Auch findet der Aspekt „Passt ins Team und spiegelt die Corporate Identity“ mehr Beachtung. All das wäre gut für den Kunden, gut für das Team.
Am besten ein Individual-Coaching
Schwieriger ist die Umsetzung einer Vermittlung von Basiswissen und dem Vorgang der Bedarfsanalyse zur Brillenberatung. Kurse im Frontalunterricht oder eigenes Anlernen erfordern viel Zeit. Bis ein Optikassistent individuell im internen Ablauf integriert und mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut ist, muss er intensiv betreut werden. Die Gefahr von Fehlinformationen und zu knapp gehaltenen Auskünften von beschäftigten Mitarbeitern ist groß. Als Inhaber kann man das im laufenden Geschäftsalltag kaum leisten.
Wie bei jedem anspruchsvollen Training wäre ein Individual-Coaching das Optimum. Eine Theorie, die fundiert, relevant und vor allem basisnah mit den Sehempfindungen des Kunden in Verbindung gebracht wird. Eine Praxis in direkter Umsetzung im Geschäft. Ansprechen, verstehen, analysieren, empfehlen. Jeder Schritt mit einem Coach an der Seite. Ein Kunde erhält die doppelte Aufmerksamkeit, eine optimale Beratung. So entstehen Vertrauen und Kundenzufriedenheit.
Die Pandemie kann hier einen Impuls geben. Gibt es nicht ganz in Ihrer Nähe einen feinen Menschen aus Gastronomie, Hotellerie oder Einzelhandel, der sich nichts sehnlicher wünscht, als wieder zu arbeiten? Quereinsteiger ersetzen vielleicht nicht die Weitersuche nach einem Augenoptiker, doch die Entlastung, die sie bringen, ist ein Gewinn: Sie sind immer bereit und in der Lage, das zu tun, was uns am wichtigsten ist: Den Kunden herzlich willkommen zu heißen.
Eva Dieker ist Augenoptikermeisterin mit langjähriger, vielseitiger Berufserfahrung. Als Mentorin und Referentin gibt „Die Diekerin“ ihr Branchenwissen weiter, bildet fachfremde Persönlichkeiten zu Seh-Profilern aus. Sie schult Quereinsteiger dual am Arbeitsplatz, orientiert sich dabei an den individuellen Wünschen des Auftraggebers. www.diediekerin.eu
Und wenn der Optikbetrieb die Schulungskosten wie z.B. auch Übernachtungskosten zu tragen hat, schlafen solche professionellen Quereinsteigerkurse schnell ein, weil dann gut 50% der Teilnehmer abgemeldet werden.
Schon vor zehn Jahren bei einem Einkaufs-und Marketingverbund derartiges erlebt.
Und wenn der Optikbetrieb die Schulungskosten wie z.B. auch Übernachtungskosten zu tragen hat, schlafen solche professionellen Quereinsteigerkurse schnell ein, weil dann gut 50% der Teilnehmer abgemeldet werden.
Schon vor zehn Jahren bei einem Einkaufs-und Marketingverbund derartiges erlebt.