Brillen-Farben und ihre Wirkung: Vorsicht bei Schwarz!
von Dr. Jürgen Bräunlein,
„Ich glaube nicht, dass es ‚abstoßende‘ Farben gibt“, meint der britische Maler David Hockney zu Recht. Auch bei Brillen ist das so. Nahezu jede Farbe ist möglich, nur steht sie eben nicht jedem. Warum das so ist und wie sich herausfinden lässt, welche Fassungsfarben für welche Kunden eher geeignet sind, erklärt Wirkungsexpertin Petra Waldminghaus im Gespräch mit eyebizz.
eyebizz: Bei Ihren Seminaren und Coachings arbeiten Sie mit bis zu 100 verschiedenen Farbtüchern. Warum?
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Petra Waldminghaus: Farbe ist ein physikalischer Effekt, den ich besonders gut sichtbar machen kann, wenn ich eine Farbe unter das Gesicht halte. Stoffe sind dabei die ideale Möglichkeit vorzuführen, wie Farben wirken und wie sie sich in ihrer Wirkung voneinander unterscheiden. Für mich ist das ein didaktisch sinnvoller Beratungspunkt. Augenoptiker müssen selbst gar nicht mit Stoffen arbeiten, wenn sie aber einmal die Wirkung erlebt haben, können sie das auf Brillenfassungen übertragen. Und im nächsten Schritt ihren Kunden erklären.
Wenn ein Augenoptiker nach einer Fassungsfarbe für einen Kunden sucht, sind Haut- und Haarfarbe der beste Ausgangspunkt, oder?
Ja. Haarfarbe und Hautfarbe liegen – genetisch bedingt – nah beieinander. Sie sind von denselben Pigmenten geprägt. Wenn ich viele warme Anteile in den Haaren habe, habe ich die auch in der Haut. Wenn ich die Naturhaarfarbe einschätzen kann, weiß ich in der Regel schon, ob derjenige eher kühle oder eher warme Farben tragen kann. Selbst die grauen Haare, die wir irgendwann bekommen, harmonieren weitgehend mit unserer Hautfarbe. Dabei ergraut jeder Farbtyp in seiner Richtung, allerdings wird die Haarfarbe mit zunehmendem Alter, wenn sie nicht gefärbt ist, etwas kälter, auch bei den Warmtonigen.
Augenoptiker stehen oft vor dem Problem, dass Kunden gefärbte oder gesträhnte Haare haben oder Make-up tragen, sodass es nicht einfach ist, den Naturzustand zu ermitteln. Hier hilft es, auf den Haaransatz zu schauen. In meinen Seminaren arbeiten wir viel mit kalten und warmen Farben im Gesicht, sodass die Teilnehmer ein Gespür dafür bekommen, auch ohne Tücher erkennen zu können, ob bei Kunden eine warme oder kalte Farbe ins Gesicht muss.
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Blue is the king!
Bei der Hautfarbe spielt aber auch die Durchblutung eine Rolle. Es gibt Menschen, die haben knallrote Gesichter, da sieht man überhaupt nichts von der Pigmentierung. Zudem ist die Durchblutung bei jedem Menschen kühl. Wenn jemand häufig pink im Gesicht ist, egal was für ein Farbtyp er ist, würde ich keine Brille im intensiven Rot oder Orange wählen, die sich dann mit der Durchblutung beißt. Da nehme ich dann eher eine neutralere Farbe: Grau, Braun oder Blau.
Blau ist seit Jahrzehnten die Lieblingsfarbe in vielen Ländern, auch bei uns. Passt sie als Brillenfassung?
Blau geht immer. Das ist eine Farbe, die einfach einzusetzen ist, da sie jedem Menschen steht, natürlich nicht immer als knalliges Blau, aber in einer gedämpften, gedeckten Variante schon.
Wie sieht es mit der zweitbeliebtesten Farbe aus, Rot?
Da kommt es schon sehr auf den Ton an. Eine knallrote Brille passt eher zu Menschen, die richtig starke Kontraste mitbringen, z.B. zu jemandem mit kräftigen schwarzen Haaren, der vielleicht auch von der Persönlichkeit her eher extrovertiert ist. Einem ruhigen Menschen eine knallrote Fassung ins Gesicht zu setzen, ist in der Regel wenig sinnvoll.
Ein großer Nachteil von Knallrot: Es überstrahlt jede Augenfarbe. Sogar Dunkelbraun hat dann keine Chance mehr. Was hingegen gut geht, sind neutrale Rottöne, die weder richtig kalt, noch richtig warm und leicht gedämpft sind. Das passt für warme und kalte Farbtypen. Bei Frauen empfehle ich häufig beerenfarbene Fassungen, die gut zu einer pinken Lippentönung passen. Bei manchen Männern sieht ein dunkles Rot, ein Bordeauxrot toll aus.
Als Fassungsfarbe ist Schwarz sehr beliebt.
Viele denken: Für meine Brille brauche ich etwas Ausdrucksstarkes, also nehme ich eine schwarze Fassung. Oder sie haben eine Freundin, die eine schwarze Brille trägt, die super bei ihr ausschaut, und sagen dann: Genau die will ich auch haben!
Doch bei Schwarz würde ich sagen: Vorsicht! Da kann man viel falsch machen. Denn die meisten Menschen wirken mit Schwarz viel zu hart. Da ist Anthrazit, ein dunkleres Braun oder ein dunkles Blau, was noch nicht schwarz ist, viel besser. Schwarz macht auch älter.
Ich sehe oft Männer mit Glatze, die eine schwarze Fassung tragen.
Gerade wenn die Fassung eher breit ist, wirkt das oft unvorteilhaft. Menschen mit hochgewandertem Haaransatz, so umschreibe ich das, haben kaum Kontraste. Wie ein schwarzer, wuchtiger Balken kann die Fassung dann das Gesicht förmlich erschlagen. Besser wäre es dann, einen Farbton zu wählen, der die Farbe der Augenbrauen aufgreift und verstärkt.
Wie sehr muss ich die Augenfarbe berücksichtigen?
Die Augenfarbe ist wichtig, aber sie bestimmt nicht den Farbtyp. Früher hat man geglaubt, wer braune Augen hat, ist ein warmer Farbtyp, und wer blaue Augen hat, ein kalter. Das stimmt nicht. Die Brillenfarbe sollte nach Möglichkeit die natürliche Leuchtkraft der Augen aufnehmen, ohne sie zu übertönen.
Haben Personen mit starken Farbkontrasten mehr Möglichkeiten bei der Auswahl der Fassungsfarbe?
Nein, sie haben andere Möglichkeiten. Die Kontrastreichen sollten eher kontrastreiche Fassungen wählen. Wenn sie eine nicht so sichtbare Brille tragen, etwa eine transparente im milchigen oder hellblauen Ton, dann geht der wirkungsvolle Kontrast zu der Haarfarbe oder den ausdrucksstarken Augen verloren.
Was müssen Menschen mit wenig ausgeprägten Kontrasten beachten?
Man könnte annehmen, jemand der von Haus aus wenig ausgeprägte Farbkontraste mitbringt, sollte auch eine Brille mit wenig Farbkontrasten tragen, aber das stimmt nicht. Es gibt Menschen mit heller Haut und grauen Haaren, die sehen umwerfend edel aus, wenn sie eine graue Brille tragen. Eine ähnliche Person mit einer anderen Ausstrahlung wirkt damit vielleicht langweilig und sollte besser eine Fassung mit stärkeren Kontrasten tragen.
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Verblüffend, wie Farben wirken
Blau wurde bis ins 12. Jahrhundert gering geschätzt, für die Römer war sie die Farbe der Barbaren.
Rot macht freigiebig: Eine Studie von 2012 fand heraus: Kellnerinnen in roten Kleidern bekommen 26 Prozent mehr Trinkgeld, allerdings nur von Männern.
Grün ist ein echtes Chamäleon. Zwischen Tageslicht und Kunstlicht verändert es sich stärker als alle anderen Farben.
Orange ist nichts für Protz und Prunk. Teure Luxusartikel in Orange gibt es so gut wie gar nicht.
Schwarz ist kein Weichmacher. Ein schwarzes Sofa erscheint uns härter gepolstert als ein weißes.
Die Schlüsselfrage an den Kunden ist ohnehin immer: Wie möchten Sie mit Ihrer Brille wirken? Davon hängt auch ab, auf welches Kontrastlevel ich mich begebe. Welches Material ich wähle, glänzend oder matt, und natürlich welche Farben. Alle diese Facetten spielen mit hinein.
Wie wichtig ist die Unterscheidung in warme und kühle Farbtypen?
Wir haben in Deutschland einen großen Anteil an kühlen Farbtypen. Die warmen Farbtypen haben wir eher in den nordischen Ländern: England, Irland, Schottland, Russland, Norwegen, Schweden. Da wir hierzulande so wenige warmtönige Menschen haben, sind wir farblich eher kühl orientiert. Der gesamte Businessbereich ist kühl, besonders Männer tragen eher kühle als warme Farben.
Einen rothaarigen Mann kann ich deshalb nicht zwangsläufig eine Brille in warmen Farben empfehlen. Blau ist hingegen gut, weil die Farbe kompetent wirkt. Gut vorstellbar wäre in diesem Fall auch eine Havanna-Fassung, in der warme und kühle Anteile zusammenkommen.
Welche Fehler machen Augenoptiker*innen bei der Farbberatung?
Viele Augenoptiker*innen beraten nach ihrem eigenen Geschmack. Oder sie schlagen Trendfarben vor, die gerade modern sind. Beides hat aber nichts mit dem Kunden zu tun. Augenoptiker*innen, die so beraten, ordern dann auch so. Ihr Geschäft ist voll mit Trendfarben, die sie selber mögen, aber dem Kunden vielleicht gar nicht stehen.
Augenoptiker*innen, die sich mit Farben auskennen oder sich hier weitergebildet haben, ordern ganz anders, nicht nur nach Trends, sondern sie fragen sich: Wen habe ich als Kunden? Was brauchen sie? Danach kaufen sie ihre Farben ein.
Was halten Sie von Trendfarben, die jährlich ermittelt werden?
Trends, wie etwa die aktuellen „Pantone colours of the year“ Gelb und Grau, haben ihre Berechtigung. Denn Trends machen Spaß und Lust auf Neues. Doch man muss wissen, ob sie zu einem passen.
Trends verändern uns auch. Wir gewöhnen uns an neue Formen, neue Materialien, neue Farben. So wie sich die Pantoform und der Doppelsteg durchgesetzt haben. Viele Menschen sehen gut damit aus und wollen das tragen, was diese Trends beschleunigt hat. Doch nur wenn ein Trend vielseitig interpretiert wird, passiert das. Wenn ein Trend sehr eng ausgelegt wird, ist er schnell wieder vorbei.
Männer mögen es bei Brillen nicht so farbenfroh. Stimmt das noch?
Da hat sich nicht viel geändert, zumindest in Deutschland. Die Männer bei uns wollen sportlich, natürlich oder klassisch aussehen, aber nicht wie bunte Hunde herumlaufen. In Holland ist das anders, die Männer dort ziehen sich gern farbenfroh an. Ich hatte aber schon viele Männer in der Weiterbildung, die jetzt mit Freude Farbe bei Brillen verkaufen. So gesehen könnte sich das längerfristig schon ändern.
/// DAS INTERVIEW FÜHRTE JÜRGEN BRÄUNLEIN
Petra Waldminghaus ist Wirkungsexpertin und Geschäftsführerin von CorporateColor. Als Beraterin, Referentin und Ausbilderin ist sie für namhafte Unternehmen rund um Farbe, Stil und Image tätig. Seit Jahren gehört das Thema Brille zu ihren Schwerpunkten. Derzeit gibt sie – pandemiebedingt – In-House-Seminare in kleinen Gruppen. Ab nächster Ausgabe hat sie in eyebizz eine eigene Rubrik: In ihrer Stilkritik nimmt sie regelmäßig Prominente und ihre aktuellen Brillen unter die Lupe.
Mehr zu Farben . . .
Eva Heller, Wie Farben wirken. Farbpsychologe, Farbsymbolik, kreative Farbgestaltung, Rowohlt 2018 (9.Auflage)
Kassia St. Clair, Die Welt der Farben, aus dem Englischen von Marion Hertle, Atlantik 2019
. . . und zu Brillen und Farben:
Kerstin Kruschinski, Petra Waldminghaus, Lebensgefühl Brille. Verkaufen mit Stylingkompetenz, Heidelberg 2013
Beitrag aus der eyebizz 3.2021 (April/Mai)
eyebizz-Webinar mit Petra Waldminghaus
Im Spätsommer organisiert eyebizz mehrere Webinare für Augenoptiker*innen mit der Top-Imageberaterin zum Thema Trends bei der Farb- und Stilberatung. Details folgen.