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Augenoptik in der Welt

Eike Leonhardt: Dubai? Als Frau? Allein?

Dubai
Dubai? Als Frau? Allein? Optometristin Eike Leonhardt lebt und arbeitet seit neun Jahren dort

„Du verreist ja nicht, du ziehst gleich um“, sagt Eike Leonhardts Vater über seine Tochter. Die deutsche Augenoptikermeisterin und Optometristin widerspricht nicht. Ihr Umfeld war geschockt, als sie im österreichischen Vorarlberg ihre Koffer packte und den Kontinent verließ. Ausgerechnet in Richtung Dubai. Als Frau? Und allein? Mittlerweile arbeitet sie seit neun Jahren dort und mag nicht mehr weg.

„Im Vorarlberg war ich umgeben von Bergen, das war nach einigen Jahren wie ein mentales Gefängnis, mir fehlte der Weitblick“, erzählt Eike Leonhardt. Sie entdeckte eine Annonce, in der eine österreichische Augenoptikerin eine Nachfolgerin für ihre Stelle in Dubai suchte. Eikes Fernweh war geweckt. Nicht zum ersten Mal. Geboren in Leipzig, aufgewachsen bei Frankfurt am Main, ausgebildet in Bad Homburg, die Meisterschule in Dietz absolviert, hat sie schon einmal ihr berufliches und soziales Umfeld radikal hinter sich gelassen, als sie mit Anfang 20 schnurstracks nach Österreich zog.

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Doch Dubai, die Hauptstadt des Emirats Dubai mit Scheich Mohammed Bin Rashid Al Maktoum an der Spitze einer absolutistischen Monarchie ist eine andere Nummer. Die künstliche Glamourstadt am Persischen Golf mit den höchsten Wolkenkratzern, den längsten Limousinen, den luxuriösesten Einkaufsmalls und einer stetig wachsenden Bevölkerung, von der lediglich 270.000 Emirati sind, die restlichen 3,1 Millionen Zugereiste (Stand 2020), ist für Europäer unabhängig vom Geschlecht eine Herausforderung. Umgeben von Wüste herrscht Hitzealarm zwischen Juli und September, wenn die Temperaturen auf 50 Grad klettern, die Luftfeuchtigkeit bis zu 95 Prozent beträgt.

Wolkenkratzer in Dubai
Wolkenkratzer in Dubai

Im April und Mai letzten Jahres verordnete der Scheich einen radikalen Lockdown. Nur mit polizeilicher Genehmigung durfte man die Wohnung verlassen. Mittlerweile hat sich das Leben normalisiert, allein die Maskenpflicht ist geblieben. Bedienstete des Dubai Economic Departments kontrollieren rigoros, hohe Geldbußen drohen bei Verstößen.

Hohe Hürde für Arbeitserlaubnis

Wer als Augenoptiker*in in Dubai arbeiten möchte, muss zwei Jahre in einem anderen Land als Optometrist gearbeitet haben. Als Eike Leonhardt 2007 ihren Meister machte, gab es den Optometristen in Deutschland noch nicht. Ihr Meisterbrief musste für die Emirate so übersetzt werden, dass er dem Abschluss des Optometristen glich und vom Gesundheitsamt in Dubai anerkannt wurde. Eine dreistündige Prüfung musste sie zudem bestehen.

Eike Leonhardt - Optometristin in Dubai
Eike Leonhardt – Optometristin in Dubai

Eike begann ihren Job bei Anneke Verkaik und „Anna by Top Vision Optics“ mit der Bitte um eine sechsmonatige Probezeit. Diese Tür wollte sie sich offenlassen. Hätte sie innerhalb des ersten Jahres gekündigt, hätte sie das Visum anteilig zurückzahlen müssen. Kein Pappenstiel: Das Aufenthaltsvisum für zwei Jahre kostete 10.000 Dirham, das sind 2.500 Euro.

Während ihrer gesamten Zeit in Dubai haftet Eikes Arbeitgeberin für sie. Egal, ob Führerschein umschreiben lassen, Bankkonto eröffnen oder eine Wohnung mieten, für all diese Belange benötigt sie die Erlaubnis ihrer „Sponsorin“. „Wenn ich meinen Job verliere, habe ich 30 Tage Zeit, etwas Neues zu finden, falls nicht, dann bye-bye. Ich bekomme kein Arbeitslosengeld, habe keinerlei Ansprüche hier“, so Eike nüchtern.

Anna by Top Vision Optics“

Das augenoptische Fachgeschäft mit rund 80 Quadratmetern, das Anneke Verkaik 1991 gegründet hat, befindet sich in der illustren 2nd December Street in einem Stadtteil, in dem man alles kaufen kann, alle Nationalitäten vertreten sind. Auf der rund 1,3 Kilometer langen Straße gibt es noch fünf weitere Augenoptiker*innen. Dort herrsche großer Preisdruck. Rabatte von 25 bis 70 Prozent seien die Regel. „Wir geben keinen Rabatt. Unsere Kunden möchten auch mal etwas Verrücktes, wenn sie schon in Dubai sind. Manche Neukunden haben woanders schlechte Erfahrungen gemacht und finden über Mund-zu-Mund-Propaganda zu uns.“

Dubai - Anna by Top Vision Optics
„Anna by Top Vision Optics“ in der 2nd December Street, einer beliebten Einkaufsstraße in Dubai

Zu „Anna by Top Vision Optics“ kommen vor allem Stammkunden, zu 50 Prozent Einheimische („Locals“), zu 50 Prozent Zugezogene („Expats“). Darunter manche Niederländer, denn Geschäftsinhaberin Anneke kommt von dort. Zum Team gehört außerdem ein indischer Kollege, der sein technisches Know-how einbringt.

Die Gläser kommen aus Holland

Angeboten werden kleine, feine Marken aus Europa: Theo, Lafont, ProDesign, Face à Face, Anne & Valentin. „Die großen italienischen Hersteller führen wir nicht“, so Eike. Als Anneke das Geschäft 2012 neugestaltete, entschied sie sich für den Flair einer Boutique und eine „geschlossene Präsentation“. Nur wenige Fassungen werden gezeigt, die Neugierde der Kunden wird geweckt, die Öffnung der Schubladen soll überraschen.

Dubai - Anna by Top Vision Optics
„Anna by Top Vision Optics“: Das Flair einer noblen Boutique mit geschlossener Präsentation und orangen Farbakzenten, die ein wenig Holland nach Dubai bringen

Die Gläser importiert man aus Holland, was zwei Wochen Lieferzeit bedeutet. Augenoptiker mit lokalen Produkten sind billiger, liefern schneller, aber in der Regel eine niedrigere Qualität, so Eike. „Neukunden müssen wir das manchmal erst erklären. Unsere Nische: Wir liefern europäische Qualität und europäisches Wissen. Sonnenbrillen verkaufen wir nur wenig, und wenn dann mit Stärke.“ Eine Besonderheit im Kaufverhalten, die ihr in Dubai aufgefallen ist: Arabische und indische Frauen fragen häufig farbige Kontaktlinsen nach, sie möchten europäischer aussehen.

Araber, Europäer, Asiaten, Inder

Von Samstag bis Mittwoch hat „Anna by Top Vision Optics“ geöffnet, Donnerstag und Freitag ist zu. Der Freitag ist Moslems heilig. Doch mittlerweile haben die meisten Läden wie die Malls sieben Tage die Woche offen. „Auch wenn ich frei habe, komme ich hier kaum zur Ruhe, weil ich immer das Gefühl habe, etwas zu verpassen.“ Die 37-Jährige wohnt im älteren Teil von Dubai, wo die Häuser maximal vier Stockwerke haben dürfen, ist umgeben von Arabern, Europäern, Asiaten und Indern.

„Ich habe einen komplett internationalen Freundeskreis. Das wäre in Deutschland, Schweiz oder Österreich so nicht unter einen Hut zu bringen“, sagt sie. In den Expat-Quartieren Dubais wie etwa Marina oder Emirates Gills wollte sie nicht wohnen, die Bewohner dort ziehen zumeist nach zwei bis vier Jahren wieder in die Heimat zurück, da könne man sich kaum ein soziales Umfeld aufbauen.

Dubai Landschaft
Sonnenuntergang in Dubai

„Die Menschen sind freundlicher, vielleicht liegt‘s an der Sonne. Auch lernte ich den Islam von einer anderen Seite kennen“, erzählt Eike. „Ich habe als Frau noch nie so viel Respekt von Männern erfahren und mich so sicher gefühlt, weil ich hier um drei Uhr nachts durch die dunkelsten Gassen gehen kann und weiß, mir passiert nichts.“

Schatten hinter glitzernder Fassade

Amnesty international kritisiert Dubai regelmäßig für „eine Politik systematischer Unterdrückung jeder Form von Dissens oder Kritik“. Anfang des Jahres geriet die Königsfamilie in die Schlagzeilen, als die Tochter des Scheichs Prinzessin Latifa der Welt mitteilte, dass sie gegen ihren Willen in Dubai gefangen gehalten wird und um ihr Leben fürchtet. Das Thema beschäftigt auch die Vereinten Nationen.

Eike nimmt die Schattenseiten hinter der Glitzerfassade der Stadt sehr wohl wahr („Der Scheich befiehlt, wir müssen folgen!“), hat in den neun Jahren, in denen sie hier lebt, aber auch politische Veränderungen wahrgenommen. Seit 2021 gibt es ein Gesetz, dass Frauen und Männer erlaubt, unverheiratet zusammenzuwohnen, was bislang offiziell verboten war. Einheimische junge Frauen werden dazu ermutigt zu studieren. Viele davon in England oder Amerika.

Dubai bei Nacht
Dubai bei Nacht

Eike hat einen Emerati als Partner. In den kühleren Monaten von November bis Mitte März sind Wüstensafaris mit Barbecue ihre Highlights. „Die Stille in der Wüste hilft mir abzuschalten.“ Jeden Freitag trifft sich Eike mit ihrem internationalen Freundeskreis zum Brunch.

„Ich habe zweieinhalb Jahre gebraucht, um anzukommen, eine einsame Zeit“, gibt Eike zu. Fernweh nach Deutschland hat sie nicht mehr, hält Kontakt übers Internet, ist auch Mitglied bei einer deutschen Augenoptikergruppe auf Facebook. Der Beruf des Optometristen begeistert sie, weil er so allumfassend ist. „Ein Kunde kommt mit einem Problem zu mir und ich kann ihm von Anfang (Sehtest) bis Ende (fertige Brille oder Kontaktlinsen) helfen. Jeder Kunde hat, gerade in Dubai mit den vielen unterschiedlichen Nationalitäten, eine völlig andere Mentalität.“

Von Dubai nach Neuseeland?

Zukunftspläne? Da muss Eike, die während unseres Zoom-Gesprächs auf dem Balkon ihrer Wohnung in Dubai sitzt – umgeben von zwei Katzen, die ins Bild drängeln, schmunzeln. „Dubai ‚versaut‘ einen für den Rest der Welt. Man wird hier so verwöhnt. Lebt in einer unwirklichen Blase, genießt den Luxus. Ich bekomme mein Auto getankt, meine Einkaufstüten vollgepackt nach Hause getragen. Die öffentlichen Toiletten sind selbst an Metrostationen so sauber, dass kaum ein deutsches Restaurant mithalten kann.“

Andererseits ist Fernweh selten ein einmaliges Verlangen, oft aber ein wiederkehrender Zustand. „Ich könnte hierbleiben“, sagt Eike Leonhardt, „spiele aber auch mit dem Gedanken, noch weiter wegzugehen. Neuseeland reizt mich.“

/// JÜRGEN BRÄUNLEIN

www.annabytopvisionoptics.com

 


Vereinigte Arabische Emirate - FlaggeVereinigte Arabische Emirate

Staatsform: absolutistische Monarchie

Hauptstadt: Dubai

Einwohner: 3,4 Mio. Einwohner, davon (nur) 270.000 Emirati

Amtssprache: Arabisch, Englisch weitverbreitet

Touristen: 14 Mio. jährlich


 

Beitrag aus der eyebizz 4.2021 (Juni/Juli)

 

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