Kunden, die beim Augenoptiker unzufrieden sind, sagen es nur selten dem Personal, sondern melden sich später auf Social-Media-Kanälen und Bewertungsplattformen. Augenoptiker*innen müssen darauf reagieren, denn schlechte Bewertungen im Netz vergraulen Neukunden und schaden dem Image. Rolf Leicher zeigt, wie’s geht.
Negativbewertungen bleiben lange im Netz, werden ausführlicher gelesen als Positivbewertungen und sprechen sich herum. Darauf angemessen reagieren zeigt, dass Augenoptiker*innen das Feedback ihrer Kunden ernst nehmen. Die individuelle Antwort auf eine Kundenkritik beeinflusst auch andere User, die die Seite aufrufen.
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Auch wenn die Enttäuschung über die Unzufriedenheit groß ist, sollten betroffene Augenoptiker*innen nach Prüfung des Sachverhalts sofort Stellung beziehen, im ersten Satz auch Verständnis zeigen: „Zunächst einmal vielen Dank für Ihr kritisches Feedback. Für uns ist es immer hilfreich, wenn wir von Kunden einen Hinweis auf Verbesserungsmöglichkeiten erhalten.“
Verständnis zeigen, gut begründen
Dann geht man auf jeden einzelnen Kritikpunkt ein: „Wir entschuldigen uns, dass Sie auf die Beratung lange warten mussten. Wir haben das sofort im Team geklärt und eine interne Regelung getroffen.“ Begründungen müssen nachvollziehbar sein, die Maßnahmen zur Verbesserung sind dem Kritiker meist wichtiger als das Aufzählen von Problemen. Wenn Reklamierende nur pauschal schreiben, dass sie unzufrieden waren, sollten Augenoptiker*innen das im Netz hinterfragen und um präzise Inhalte bitten.
Der Zufriedenheitsgrad der Kunden ist immer das Ergebnis eines Vergleiches zwischen ihren Erwartungen und der wahrgenommenen Leistung. Hinzu kommt der Vergleich mit dem Wettbewerb. Im Fokus der Bewertungen stehen in der Regel die Themen Beratung, Auswahl und Preis. Auch auf schwer änderbare Kritikpunkte, z.B. Öffnungszeiten oder fehlende Parkplätze, sollte eingegangen werden, jedoch ohne falsche Erwartungen zu wecken.
Halten sich bei einer Bewertung positive und negative Inhalte die Waage, ist der Kunde nicht verloren. Eine Stellungnahme ist trotzdem sinnvoll. Kritiker macht es nachdenklich, wenn Augenoptiker*innen in ihrer Antwort auf viele positive Bewertungen anderer Kunden hinweisen. Gezeigt wird so Selbstbewusstsein, ohne die Unzufriedenheit des anderen abzuweisen. Der überkritische Kunde fühlt sich isoliert, wenn er der Einzige ist, der mit einigen, womöglich unwesentlichen Punkten nicht zufrieden ist.
Eine mögliche Reaktion wäre: „Obwohl wir Ihre kritischen Bemerkungen ernst nehmen, möchten wir darauf hinweisen, dass es sich um eine Einzelmeinung handelt. Wie Sie lesen können, gibt es sehr viele Positiv-Reaktionen zufriedener Kunden, die uns seit Jahren die Treue halten.“
Der Ton macht die Musik
Wer sich der Kritik stellt, verschafft sich ein gutes Image, die Reaktion auf die Kritik wird von Interessenten gelesen und interpretiert. Wenn in der Antwort Mängel erklärt und begründet werden, kann der Kunde sie verstehen. Beispiel: „Es war nicht absehbar, dass wir nach dem Umbau und den beiden Inseraten am Samstag so viel Kundenandrang haben würden. Deshalb gab es Wartezeiten bei der Beratung.“
Beispiel: Antwort auf eine schlechte Bewertung im Netz
Sehr geehrter Herr Mustermann,
vielen Dank für Ihr Feedback. Wir wollen den Wünschen unserer Kunden immer entgegenkommen und nehmen daher jede Kritik ernst. Ihre Hinweise über unsere… (kritisierte Themen nennen) sind für uns wichtig.
Ihr Unbehagen wegen der körperlichen Nähe bei der Anpassung ist verständlich, aber auch beim Arzt und Friseur üblich. Die Sehschärfenprüfung ist nicht unbedingt angenehm, da haben Sie Recht. Möchten Sie mit uns darüber sprechen? Wir freuen uns auf ein konstruktives Gespräch mit Ihnen.
Erfreulich, dass Sie schon seit vielen Jahren zu unseren Stammkunden gehören und bisher zufrieden waren.
Freundliche Grüße
Auch wenn es schwerfällt – Gelassenheit bei der Antwort ist wichtig. Wer sich nur verteidigt, entschärft die Situation nicht. Statt den Kunden um Verständnis zu bitten, ist es wirksamer, für seine Enttäuschung Verständnis zu zeigen. „Wir verstehen, dass Sie enttäuscht sind, wenn wir die Fassung nicht einfach kostenlos zurücknehmen können“ liest sich viel besser als „Wir bitten Sie um Ihr Verständnis, dass…“
Unzufriedene Kunden sollte man möglichst offline, also persönlich kontaktieren. So werden die Bemühungen des Augenoptikers noch mehr anerkannt. Bei zukünftiger Kritik kommuniziert der Kunde seine Unzufriedenheit vielleicht ebenfalls per Telefon oder E-Mail. Im Idealfall ist er bereit, seine Bewertung im Netz zu korrigieren oder sie sogar komplett zu entfernen.
Man muss auch den Mut haben, eine unberechtigte Reklamation abzulehnen. Man kann auf Üblichkeiten hinweisen und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen erwähnen. „Wir können hierfür üblicherweise nicht die Verantwortung übernehmen“ liest sich dabei anders als „Nach unseren Konditionen §§ 12345 sind wir berechtigt/nicht verpflichtet …“
Etwa die Hälfte der verärgerten und enttäuschten Kunden heben ihre Kritik nach einer Entschuldigung wieder auf (Quelle: Impulse „So ein Scheißladen“ 10.3.2020). Das sollte Augenoptiker*innen ermutigen, mit Kritikern den Dialog zu beginnen. Bewertungsportale und Kommentare auf der eigenen Website und den Social-Media-Kanälen müssen wöchentlich kontrolliert werden.
„Hierzu kann man automatische Benachrichtigungen einrichten, z.B. Mediendienste wie Google Alerts, die dem Anbieter online Erwähnungen anzeigen“, rät Anne M. Schüller, führende Expertin für das Customer Touchpoint Management. „Wer anonym bewertet, wird von anderen Lesern sehr kritisch wahrgenommen. Trotz Datenschutz sehen viele Leser den Kritiker in der Pflicht, seine Bewertung offen zu legen und sich nicht in der Anonymität zu verstecken.“
Untersuchungen zeigen, dass einzelne kritische Bewertungen dem Augenoptiker mehr Glaubwürdigkeit verleihen als ausschließlich positive Urteile. Sonst könnte der Verdacht aufkommen, dass der Inhaber die lobenden Kommentare selbst verfasst oder in Auftrag gegeben hat.
Übertreibungen in der Kritik werden am besten ignoriert. Gelegentlich kommt es zu unsachlichen Äußerungen und Vorwürfen. Auf persönliche Angriffe reagieren Augenoptiker*innen am besten mit Betroffenheit: „Wir sind über Ihre persönlichen Vorwürfe sehr überrascht und nehmen nur zum Sachverhalt Stellung.“ Oder: „So wie wir Sie kennen, haben Sie trotz der Anschuldigungen sicher nichts gegen uns persönlich.“ Persönliche Angriffe bei Bewertungen werden von anderen Usern angezweifelt oder auch nicht ernst genommen. Solche Angriffe können auch einfach ignoriert werden.
Kunden, die sie im Netz kritisieren, werden von Augenoptiker*innen häufig negativ eingestuft. Sie gelten als schwierig und Nörgler. Doch wenn sich jemand kritisch äußert, gibt das dem Augenoptiker die Chance, sich zukünftig zu verbessern. Im harten Wettbewerb genügt nicht Kundenzufriedenheit, optimal ist Kundenbegeisterung. Auch im Internet.
Die Bewertungsfehler der Kunden
Eine Leistung zu bewerten, ist für Kunden nicht einfach, es verlangt gute Urteilsfähigkeit sowie Vergleichsmöglichkeiten mit Wettbewerbsfirmen. Dabei kommt es zu Fehlern. Vom „Überstrahlungseffekt“ spricht man, wenn der Kunde von einem auffälligen Merkmal z.B. die beeindruckende Ladengestaltung auf das Thema Auswahl schließt und sie positiv bewertet. Ein Thema kann die gesamte Beurteilung beeinflussen, es überstrahlt alle anderen Wahrnehmungen und drängt Mängel in den Hintergrund.
Der „Sympathie-Effekt“ bedeutet, dass das sympathische Personal großzügig und positiv beurteilt wird, längere Lieferzeiten hingegen keine Rolle mehr spielen. Höhere Erwartungen an den Augenoptiker stellen Stammkunden sowie die Zielgruppe der höheren Einkommen, die sich für Premium-Brillen entscheidet. Obwohl Wahrnehmungen des Kunden immer subjektiv sind, sind sie vom Augenoptiker ernst zu nehmen.
Wie Leistungen bewertet werden
Muss-Faktoren: Fachkompetente Glasberatung, Sehstärkenbestimmung und Fassungsberatung sind bei der Leistungsbeurteilung ein absolutes Muss. Bei Nichterfüllung lösen sie beim Kunden Unzufriedenheit aus, erzeugen aber auch bei Erreichen keine signifikante Zufriedenheit. Nur das Übertreffen wird positiv registriert und begeistert.
Soll-Faktoren: beziehen sich auf Ladengestaltung, Garantieleistungen, kurze Lieferzeiten, eine große Auswahl. Werden sie nicht erreicht, wird der Kunde nicht reklamieren, ist aber enttäuscht. Soll-Faktoren können nicht gegen Muss-Faktoren aufgerechnet werden. Die Erfüllung der Muss-Faktoren hat größere Bedeutung.
Plus-Faktoren: Mit einem Getränkeangebot in der Wartezeit können Augenoptiker*innen Kunden überraschen, begeistern, verblüffen. Eine Plus-Leistung wird auch im Netz erwähnt und kann Nachteile etwas ausgleichen. Beispiel: Bei einer Reklamation wegen Lieferverzugs erhält der Kunde einen Preisnachlass auf die Brille, die für den Sommerurlaub zu spät eingetroffen ist.
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Rolf Leicher ist Dipl.-Betriebswirt, Fachautor und Referent aus Heidelberg.