Corona war ein bisschen so, als hätte eine höhere Macht uns alle ins Kloster geschickt. Warten, Aufschieben, Askese wurden zu Daseinsübungen, denen sich selbst ein James Bond zu unterwerfen hatte. „Keine Zeit zu sterben“ lag 18 Monate auf Eis. Erst jetzt dürfen Millionen ausgehungerte Bond-Fans die Kinos stürmen. Doch starke Marken, auch die Silmo, sterben nicht. Die erste große augenoptische Präsenzmesse seit zwei Jahren glich einer Wiedergeburt, einer Explosion der Freude, mag mancher auch der neuen Beschwingtheit noch misstrauen.
Anzeige
Ausstellerzahl halbiert, krasser Besucherrückgang – am Ende fiel’s kaum ins Gewicht. Wer da war, erfuhr so vieles, weil sich die Euphorisierten Zeit und Muße nahmen. Wo vertraute Marken fehlten, war der Blick frei für bislang Übersehenes und den Restart von Ausstellern, die sich während des Innehaltens neu positionierten. Ganz wunderbar: der Großteil der für den Silmo d’Or nominierten Fassungen. Und der Champagner, der wieder reichlich floss in Paris. Man war eben nicht in Berlin.
Dort mussten kürzlich bei der Einweihung des neuen Kaufhauses des Westens die Ehrengäste ihren Champagner mit Strohhalm aus Minifläschchen schlürfen. Dafür sahen sie Rolltreppen, „die wie Blütenblätter in alle Richtungen schießen“ (Süddeutsche Zeitung) und die Verkaufsflächen überstrahlen. Das erinnert an die Stores des südkoreanischen Brillenlabels Gentle Monster, in denen Besucher lange suchen müssen, bis sie Brillen entdecken. Natürlich Absicht: Verkauft werden hier Welten, weniger Produkte.
Diesen Trend, aber auch sein Gegenteil, erklärt Shopdesign-Experte Peter Ippolito in unserem Ladenbau-Extra. Bemerkenswert, was er über die modulare Bauweise sagt, ohne die derzeit nichts läuft: Das Modulare darf nicht mehr ins Auge fallen, denn Geschäfte sollen heute so wenig austauschbar sein wie Mitarbeiter.
Wer vom Ladenbau spricht, darf über Digitales nicht schweigen. Es müssen ja nicht gleich Roboter-Butler auf den Kunden losgehen wie bei Edel-Optics, aber die virtuelle Brillenanprobe ist schon eine Option für Augenoptiker*innen. Wir diskutieren das Pro und Kontra.
Im Berufsleben wird zu wenig gelobt, dabei ist das ein Schlüssel zur Mitarbeitermotivation. Rolf Leicher erklärt Chefs, wie sie‘s richtig machen. An dieser Stelle ein kleines Lob an unser politisches Personal, das von uns gewählt auch für uns arbeiten soll.
Wie sich die Grünen und die FDP – beide von so unterschiedlicher Programmatik und doch von der nachwachsenden Generation gleich häufig angekreuzt – gerade bemühen, eine gemeinsame Schnittmenge zu finden, verdient Respekt. Brücken bauen, statt immer nur polarisieren. Schön, das zu sehen. Auch wenn zum Erscheinen dieses Heftes am 14. Oktober alles schon wieder ganz anders sein kann.
Eine inspirierende Lektüre
wünscht Ihnen
Dr. Jürgen Bräunlein
Chefredakteur eyebizz
Artikel aus der eyebizz 6.2021 (Oktober/November), erscheint am 14. Oktober