Große Erfolgsgeschichten beginnen oft klein: Vor 175 Jahren, am 17. November 1846 eröffnete der 30-jährige Mechaniker Carl Zeiß (später Zeiss) in Jena eine Werkstatt für Feinmechanik und Optik und legte so den Grundstein für das heute weltweit tätige Technologie-Unternehmen mit rund 34.000 Mitarbeitern. eyebizz gratuliert mit einer subjektiven Auswahl an Highlights aus der Firmengeschichte.
Die Mikroskope von Robert Koch
Im Juli 1876 bestellt Robert Koch bei der Optischen Werkstätte in Jena einen mikrophotographischen Apparat nebst Kondensor und Beleuchtungsapparat. 1878 erscheint sein Buch „Untersuchungen über die Aetiologie der Wundinfektionskrankheiten“. Ein Meilenstein: Eine neue Lehre von der Behandlung von Infektionskrankheiten hält Einzug in die Medizin. „Ohne die optische Werkstätte von Carl Zeiss unter Professor Abbes genialem Beirat“ wäre das nie gelungen, so Koch später. Auch die Tuberkelbazillen (1882) und die Erreger der Cholera (1883) entdeckt er mit Hilfe von Instrumenten aus Jena. Bislang haben mehr als 20 Forscher(Teams) ihren Nobelpreis auch der Verwendung von Zeiss-Gerätschaften, vor allem Mikroskopen, zu verdanken.
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Carl-Zeiss-Stiftung gegründet
Nach dem Tod von Carl Zeiss gründet Ernst Abbe, unterstützt von Otto Schott, 1889 die Carl-Zeiss-Stiftung – heute die alleinige Aktionärin der Carl Zeiss und der Schott AG und eine der größten und ältesten Wissenschaftsstiftungen Deutschlands.
Die langfristige Ausrichtung mit dem Anspruch auf Verantwortung und Nachhaltigkeit inspiriert bis heute viele Unternehmen. Die Stiftung darf laut Satzung die Aktien ihrer beiden Unternehmen nicht veräußern. Mit den Dividenden beider Stiftungsunternehmen werden Forschung und Lehre gefördert. 2010 bis 2020 hat die Carl Zeiss AG mit etwa 300 Millionen Euro an Dividendenzahlungen dazu beigetragen.
Weichensteller Moritz von Rohr
Der Physiker und Mathematiker Moritz von Rohr arbeitet sich zielstrebig nach vorn. Erst persönlicher Assistent von Ernst Abbe, 1903 dann Rechenmeister in der Mikroskope-Abteilung und schließlich 1908 strategischer Weichensteller für das Gesamtunternehmen.
Er baut die Brillenabteilung von Zeiss auf, wird selbst zum Glas-Pionier. Punktuell abbildende Brillengläser, die 1912 unter dem Namen Punktal auf den Markt kommen, sind ihm zu verdanken. Es sind die ersten achsensymmetrischen Brillengläser, die Unschärfen minimieren, die beim Blick durch die Randbereiche auftreten. Noch heute gehören sie zur Zeisschen Produktpalette.
Geheimsache Entspiegelung
1935 zum Patent angemeldet, doch erst 1939 unter der Schriftnummer 685767 öffentlich gemacht: das weltweit erste Patent für die Entspieglung von Brillengläsern, entwickelt von Prof. Alexander Smakula für Zeiss.
Der Ansatz bestand darin, die Linsen mit einer dünnen Kristallschicht zu bedampfen, deren Brechungsindex und Schichtdicke möglichst genau auf die Wellenlänge des reflektierten Lichts abgestimmt ist.
Da die innovative Optik für Militärzwecke genutzt wurde, hielt das Unternehmen erst einmal still. Wer die entspiegelte Optik benutzt, hat ein helleres Bild und verrät sich auch weniger durch Reflexe. Bis heute hält sich die Ansicht, dass „T“ in der Bezeichnung der Antireflex-Schicht bedeutet „Tarnbelag“. Richtig ist: „Transparenz-Schicht“.
Schwaben-Produkte auf dem Mond
650 Millionen Menschen sehen am 20. Juli 1969, wie Neil Armstrong seine Füße auf den Mond setzt. Die insgesamt 1.407 Aufnahmen, 857 in Schwarz-Weiß, 550 in Farbe, sind globales Ereignis und gelingen dank schwedisch-deutscher Kooperation.
Die Kameras kommen von Hasselblad, die Objektive von Zeiss. Biogon 5.6/60 ist eine Spezialanfertigung in weniger als neun Monaten in Jena entwickelt. Um staubfreie Aufnahmen zu bekommen, müssen die Astronauten ihren zweieinhalbstündigen Mondspaziergang immer wieder unterbrechen und in der Landefähre die Objektive putzen.
Noch heute liegen elf Kameras samt Objektiven auf dem Mond, das Gewicht wollte man sich beim Rückflug sparen. Sollten die Kameras jemals zurückgebracht werden, könnte man anhand des Objektivs analysieren, wie sich die kosmische Sonnenstrahlung auf das Glas ausgewirkt hat.
Die fabelhafte Marga Faulstich
Das Jenaer Glaswerk Otto Schott und Genossen, ein Schwester-Unternehmen von Zeiss, ist der Inbegriff für deutsches industrielles Glasmacher-Know-how. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt ein Kalter Krieg auch auf Werksebene. Die amerikanische Militärführung will das Spezialwissen nicht den Sowjets überlassen und deportiert – Aktion: „We take the brain“ – die 41 besten Glasmacher in den Westen, darunter die fabelhafte Chemikerin Marga Faulstich.
Als Erich Schott 1952 in Mainz ein neues Hauptwerk eröffnet, läuft Marga, die im Krieg ihren Ehemann verloren hat, zur Höchstform auf. Sie erzeugt Flintglas durch Zugabe von Titanoxid statt wie bisher von Bleioxid. Das von ihr erfundene Glas wird als eine der 100 bedeutendsten technischen Innovationen des Jahres 1973 ausgezeichnet. Über 40 Patente reicht die Forscherin in ihrer Karriere ein, entwickelt mehr als 300 Typen an optischen Gläsern, ein Vorbild nicht nur für Frauen. Heute werden mit dem „Marga Faulstich-Programm“ Wissenschaftlerinnen und Studentinnen der Humboldt Universität zu Berlin dabei unterstützt, ihre Geschäftsidee zur Marktreife zu bringen.
Hollywood meldet sich
Keine Statuette, aber immerhin eine Oscar-Plakette: 1987 würdigte Hollywood die extrem lichtstarken Kameraobjektive von Zeiss mit einem der „Academy Awards“ der „Academy of Motion Picture Arts and Sciences“ in der Kategorie „Science and Engineering“.
Zwei weitere Technik-Oscars folgen: 1999 für das Konzept und optische Design von Zoomobjektiven mit der Leistung von Festbrennweiten und 2012 für Master Prime-Objektive. Letztere helfen, nächtliche Verfolgungsjagden ohne zusätzliche Beleuchtung zu filmen.
CO2-Neutralität bis 2025
Klimawandel. Auch Jena reagiert. Bis 2025 will das Unternehmen CO2-neutral produzieren.
Schon jetzt in 2021 zeigt man Engagement. Durch eine neue standardisierte Verpackung für Halbfabrikate von Brillengläsern werden 68 Tonnen Papier pro Jahr eingespart. Das entspricht rund 1.600 Bäumen, die vor der Abholzung bewahrt werden. Dabei werden auch 2,1 Prozent weniger Farbstoff benötigt, da die Verpackung nicht mehr bunt bedruckt wird, so das Unternehmen.