Augenoptiker und Augenärzte: Kooperation statt Konfrontation
von Redaktion,
Ende November haben Augenärzte und Augenoptiker im Rahmen des 60. Kolloquiums der Fielmann-Akademie Schloss Plön gemeinsam über die Chancen und Möglichkeiten zur Kooperation der beiden Berufsgruppen diskutiert. Das Web-Seminar verfolgten rund 200 Zuhörer.
„Aus der Distanz betrachtet sollte die Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen der Augenoptiker und der Augenärzte kein Problem darstellen“, sagte Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. (FH) Hans-Jürgen Grein, Leiter Wissenschaft der Fielmann-Akademie Schloss Plön zu Beginn. Augenoptiker haben im Wesentlichen die Verbesserung der Sehleistung augengesunder Menschen im Blick, während der Schwerpunkt der augenärztlichen Tätigkeit in der Diagnostik und Therapie von Augenerkrankungen liege. Beide Berufsgruppen eine die gemeinsame Sorge um das bestmögliche Sehen ihrer Kunden und Patienten.
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In den letzten zwanzig Jahren sei eine schleichende Vermischung der Tätigkeitsfelder eingetreten, so Grein. In vielen augenärztlichen Praxen arbeiteten Augenoptiker und in den augenoptischen Betrieben habe die Beratungstätigkeit zu augengesundheitlichen Themen zugenommen. Die Diskussion um die Bedeutung und Möglichkeiten der Kooperation zwischen den beiden Berufsgruppen eröffnete Prof. Dr. Marcel N. Menke, Chief Scientific Advisor der Ocumeda AG aus Riedt bei Erlen in der Schweiz und Chefarzt sowie Klinikleiter der Augenklinik des Kantonsspitals Aarau.
Mehr Sehbehinderung durch Überalterung
Die Bevölkerung in Deutschland werde immer älter. Die Alterung zeige sich sowohl am steigenden Alter der Gesamtbevölkerung als auch an der zunehmenden Zahl an Menschen im Rentenalter. Dies wirke sich auch auf die Anzahl der Ärzte aus, die ebenfalls älter werden und vermehrt ins Rentenalter kommen. Gleichzeitig gehe mit der alternden Bevölkerung eine höhere Morbidität einher.
Glaukom, altersabhängige Makuladegeneration und diabetische Retinopathie seien die häufigsten ophthalmologischen Erkrankungen des Alters und gleichzeitig die Hauptursachen für Sehbehinderung und Erblindung in Deutschland. Zahlreiche Studien, vor allem aus Großbritannien und den USA, belegten, dass gezielte Screenings und Früherkennung das Risiko einer Erblindung durch diabetische Retinopathie verringern können. Auch wegen der hohen Folgekosten von Blindheit lohne sich die Vorsorge.
Obwohl Diabetiker ohne regelmäßige Augengesundheits-Vorsorge schlechtere Prognosen haben, gehen nur etwa die Hälfte der Patienten innerhalb der ersten beiden Jahre nach Diagnosestellung zum Augenarzt. Dies liege auch daran, dass die Vorsorge-Untersuchungen derzeit nicht durch die Krankenkassen bezahlt werden. Zudem sei die augenärztliche Vorsorge aufgrund der geringen Versorgungs-Kapazität mit langen Wartezeiten verbunden. „Heutige Angebote sind unzureichend, um flächendeckend Menschen Zugang zur Augenheilkunde zu bieten“, fasst Menke die aktuelle Situation zusammen.
Telemedizinisches Angebot zur Versorgungs-Sicherung
Die Diskrepanz zwischen Versorgungs-Bedarf und Versorgungs-Angebot habe Menke gemeinsam mit einigen Kollegen dazu veranlasst, Ocumeda zu gründen und auf diese Weise eine Brücke zwischen Augenoptikern, Augenärzten und Patienten zu bauen. Ziel des Programms seien diejenigen Kunden eines Augenoptikers, die noch keinen Anschluss an eine augenärztliche Versorgung haben. Nach einer standardisierten Anamnese werde eine Fundus-Fotografie und eine Tonometrie durchgeführt.
Die erhobenen Daten werden verschlüsselt an die Ocumeda-Plattform versendet und dort von Augenärzten abgerufen und beurteilt. Das Ergebnis der telemedizinischen Beurteilung erhalten die Kunden in Form eines Berichtes in leicht verständlicher Sprache, unterstützt durch eine farbliche Kennzeichnung in Grün, Gelb und Rot.
Bei roten Berichten seien die Abweichungen so gravierend, dass eine umgehende Vorstellung bei einem Augenarzt empfohlen werde. In diesen Fällen erfolge, wenn notwendig, eine Unterstützung bei der Zuweisung zum niedergelassenen Augenarzt. Da die Beurteilung der Befunde durch Augenärzte erfolge, gebe es keine Limitierungen auf bestimmte Erkrankungen, wie es bei Systemen der künstlichen Intelligenz derzeit üblich sei.
In einem Pilotprojekt mit Fielmann konnte Ocumeda bislang 15.000 Screenings durchführen. 18 Prozent der Kunden wiesen Auffälligkeiten auf, in zwei Prozent der Fälle wurde eine dringende Abklärung empfohlen. Alleine diese Zahlen zeigten, wie wichtig die Kooperation zwischen Augenoptikern und Augenärzten im Sinne der Augengesundheit unserer Bevölkerung sei, resümierte Menke.
Kooperation aus Sicht der Augenoptiker
Der mit eigenem Betrieb selbstständige Augenoptiker Dirk Engisch, Dipl.-Ing. (FH) Augenoptik, Geschäftsführer im eigenen Augenoptik-Fachgeschäft in Friedberg, beschrieb die Zusammenarbeit zwischen Augenoptikern und Augenärzten als „durchwachsen“. Er sei in der glücklichen Lage, seinen Betrieb in einer Region zu führen, in der die augenoptische und augenärztliche Versorgung gut sei. Er selbst biete das volle augenoptische Spektrum von der Refraktions-Bestimmung mit Brillenkorrektion bis hin zur Anpassung von Speziallinsen. Auch Low Vision-Kunden seien willkommen.
Ein Schwerpunkt seiner Arbeit liege im Bereich Kinderoptometrie, hervorzuheben sei vor allem die Versorgung aphaker und hochmyoper Kinder. Seit einigen Jahren sei die Myopie-Prophylaxe als neuer Tätigkeitsbereich hinzugekommen, die auch in immer mehr Augenarztpraxen thematisiert werde und einen Dialog ermögliche. Die Refraktions-Bestimmungen führe Engisch auch bei Kindern selbst durch, wenn der Termin beim Augenarzt einige Monate Wartezeit bedeute und die Kinder dadurch trotz Problemen ohne Brille in die Schule müssten. Die Vorstellung beim Augenarzt empfehle er den Eltern dennoch.
Transparente Kommunikation
Die Low-Vision-Versorgung biete ebenfalls eine gute Schnittstelle, um mit den umliegenden augenärztlichen Praxen in Kontakt zu kommen. Ein Austausch zur bestmöglichen Versorgung eines gemeinsamen Patienten/ Kunden werden von augenärztlicher Seite jedoch nur selten gesucht. Bei vielen Kunden, die wegen altersabhängigen Erkrankungen regelmäßig beim Augenarzt seien, spreche meist er die Möglichkeit der Sehverbesserung durch vergrößernde Sehhilfen an. Die entsprechende Verordnung werde nach der Beratung nachgefordert.
Um die Kommunikation zu verbessern, ist Engisch selbst aktiv geworden und habe einen Arztzettel entworfen. Auf diesem dokumentiere er die wesentlichen Ergebnisse seiner Messungen sowie Besonderheiten aus der Anamnese. Auf der Rückseite seien alle Augenärzte der Umgebung alphabetisch aufgelistet. Diesen Zettel erhalten seine Kunden. Auf diese Weise gewährleiste er die Weitergabe der Informationen aus erster Hand und müsse sich nicht darauf verlassen, dass seine Kunden alles richtig verstanden haben und sich dies bis zum Arzttermin merken.
Einige seiner Kunden konnten aufgrund klarer Angaben bei der Termin-Vereinbarung schneller einen notwendigen Augenarzt-Termin bekommen. Insgesamt beobachte er, dass die Kunden den Augenoptiker zunehmend als ersten Ansprechpartner für alle Fragen rund um das Auge ansehen.
Konflikt um finanzielle Ressourcen
Engisch sieht einen der Hauptgründe in der Vergütungsregelung ärztlicher Tätigkeiten. Häufig kommen seine Kunden mit den augenärztlichen Befunden zu ihm und bitten darum, diesen gemeinsam zu besprechen, da der Arzt dazu keine Zeit gehabt habe. Auch habe er einige Kunden, die ungerne zum Augenarzt gehen, weil sie sich durch das Angebot der individuellen Gesundheits-Leistungen (IGeL) unter Druck gesetzt fühlen.
Würden Augenärzte für ihre heilkundliche Tätigkeit sinnvoll vergütet, könnten sie sich besser um die wirklich kranken Menschen kümmern, meint Engisch. Gleichzeitig könnte der Augenoptiker die Gesundheits-Vorsorge durch das Angebot optometrischer Screenings unterstützen. Dies sei jedoch kein Thema, was zwischen Augenärzten und Augenoptikern diskutiert werden könne, sondern ein gesundheits-politisches Thema.
Diesem Aspekt stimmte Priv.-Doz. Dr. med. Johannes Steinberg, Augenarzt im Zentrum Sehstärke in Hamburg, zu und ergänzte, dass es derzeit für die wirtschaftliche Situation einer Augenarzt-Praxis wichtig sei, dass auch gesunde Menschen in die Praxis kämen, da diese diejenigen, die aufgrund ihrer Erkrankung mehrfach pro Quartal einbestellt werden müssten, subventionieren.
Um auch in Zukunft einen niederschwelligen Zugang zur ärztlichen Versorgung sicherzustellen, sei eine Zusammenarbeit mit nicht-ärztlichen Berufsgruppen unumgänglich. Da Augenoptiker und Augenärzte im Grunde das gleiche Ziel verfolgten, sehe er für das Feld der Augengesundheit bei den beiden Berufsgruppen Potenzial für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Allerdings, so der Mediziner, dürfe die Fortbildung nicht mit Beendigung der Ausbildung enden. Er forderte eine regelmäßige Fortbildungs-Pflicht für Augenoptiker, wie sie für Ärzte bereits bestehe.
Kooperation statt Koexistenz
Die technischen Möglichkeiten erlaubten es heutzutage, objektiv Befunde zu erheben und diese verschlüsselt an Weiterversorger zu übergeben. Auch der Einsatz künstlicher Intelligenz könne bei der Selektion derjenigen, die ärztlich gesehen werden sollten, unterstützen. Steinberg stelle sich nicht vor, dass Augenoptiker künftig sowohl die Befunde erheben als auch Therapie-Entscheidungen treffen und deren Erfolg monitoren.
Es müsse klar sein, dass es Erkrankungen gebe, bei denen ein Augenarzt kontaktiert werden müsse. Dazu gehören die Katarakt, bei der es um die Entscheidung gehe, ob eine Operation angezeigt oder eine Brillen-Versorgung nochmal sinnvoll sei. Eine Erkrankung, die Steinberg besonders am Herzen liege, sei der Keratokonus. Die Früherkennung habe wesentlichen Einfluss auf den Behandlungs-Erfolg der noch jungen Patienten.
In der Therapie gehe es zunächst darum, die Progression zu stoppen. Erst im zweiten Schritt sollte dann eine adäquate Versorgung erfolgen. Makula-Ödeme können viele Ursachen haben. Sie können zum Beispiel als Komplikation nach einer Katarakt-Operation auftreten, im Zusammenhang mit einer Uveitis oder bei Gefäßverschlüssen. Ihr gemeinsames Merkmal seien Metamorphopsien, die leicht mit einem Amsler-Test erfragt werden können.
Dringende ärztliche Abklärung sei immer dann erforderlich, wenn eine plötzliche Seh-Verschlechterung eintrete, neue Gesichtsfeld-Ausfälle bemerkt werden oder die Kunden/ Patienten über Blitze, Rußregen und Schmerzen berichten. Von einer interdisziplinären Kooperation würden beide Berufsgruppen profitieren, „die größten Profiteure sind aber sicher die Patienten“.
Das 61. Kolloquium der Fielmann-Akademie Schloss Plön findet am 13. März 2024 wieder als Web-Seminar statt.