Die Wirtschaft brauche Sicherheit, Unterstützung und positive Signale von der Politik, aber das Gegenteil sei der Fall, so der Industrieverband Spectaris. „Die Unsicherheit bei den Unternehmen ist groß, der Frust wächst“, betont der Vorsitzende Dr. Bernhard Ohnesorge: 2024 müsse zum Jahr des Bürokratie-Abbaus werden.
Von einer Aufbruchstimmung sei gerade nichts zu spüren. Ein Grund hierfür: bürokratische Hürden. „Die Politik beschließt unentwegt zusätzliche administrative Hürden für unsere ohnehin seit Jahren krisengeplagten Unternehmen. Statt versprochenem Belastungs-Moratorium kommen permanent neue Vorschriften hinzu“, so Ohnesorge weiter, der auch den Fachverband Photonik bei Spectaris leitet.
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So wurde auf EU-Ebene in den letzten Jahren laut Spectaris permanent Bürokratie aufgebaut, im Jahr 2022 stieg die In-Out-Quote von neuen zu aufgehobenen Rechtsakten auf einen Rekordwert von 3,5 zu 1. Im Jahr 2023 droht dieses Verhältnis auf über 5 zu steigen. Die Kernziele der Regelungen sind in den meisten Fällen wichtig, die Ausgestaltung aber nicht.
Regulatorische Rahmenbedingungen, die die Innovationskraft von Unternehmen und globale Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen, müssten auf ein unbedingt erforderliches Mindestmaß begrenzt werden, so der Verband. Dies sei von entscheidender Bedeutung, um das Risiko der Abwanderung hochinnovativer Unternehmen aus Deutschland zu reduzieren und die Gründung von Hightech-Start-ups zu fördern.
Eine aktuelle Umfrage von Spectaris, dem DIHK und Medical Mountain ergab: Aufgrund der neuen Medizinprodukte-Verordnung würden in mehr als jedem zweiten Produkt-Portfolio einzelne Produkte, teils ganze Produktlinien und komplette Sortimente vom Markt genommen. In fast 20 Prozent der Fälle gebe es keine gleichwertigen Alternativen am Markt. „Der Schaden für die Gesundheits-Versorgung und letztlich für die industrielle Gesundheits-Wirtschaft durch überbordende Regulierung ist an diesem Beispiel unübersehbar.“
Eine Studie der EU-Kommission habe bereits 2020 erkannt, dass der relative Verwaltungs-Aufwand von KMUs rund fünfzehn Mal größer ist als bei größeren Unternehmen. Unternommen werde laut Spectaris dagegen aber nichts. Seit 1. Januar 2024 gilt das deutsche Lieferketten-Sorgfaltspflichten-Gesetz auch für Betriebe mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Zuvor lag die Grenze bei 3.000 oder mehr Beschäftigten.
Davon unabhängig würden in den Geschäfts- und Liefer-Beziehungen laut Spectaris heute schon alle Anforderungen des Gesetzes auf kleine Firmen durchgereicht, unabhängig von der Größengrenze. „Hinzu komm nun noch die EU-Richtlinie zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit (CSDDD), deren Regelungen zu einer weiteren unverhältnis-mäßigen, enormen bürokratischen Belastung der Unternehmen führen, verbunden mit Sanktions- und Haftungsregeln, die realitätsfern und nicht zielführend sind.“
Die Bürokratie nehme in der Summe aus europäischer und deutscher Regulierung zu, nicht ab, so Spectaris, sei es die europäische Medizinprodukte-Verordnung, das drohende PFAS-Beschränkungs-Verfahren, zahllose Berichtspflichten oder der AI-Act. „Dabei hinterlässt schon die bloße Ankündigung tiefe Spuren bei Investitions-Entscheidungen, selbst wenn diese nach jahrelangen Verfahren ganz oder teilweise zurückgenommen wird. Es darf beim Bürokratieabbau nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben“, so Ohnesorge. „2024 muss endlich das Jahr des Bürokratie-Abbaus werden. Nur so kann Deutschland seine beeindruckenden Stärken ausspielen.“