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Meinung: Wie viel Arzt darf es denn sein?

Augenoptiker und Augenarzt: Kooperation notwendig

Seit 1997 ist die Geburtenzahl in Deutschland rückläufig (damals 810.000). 2004 waren es 705.622. 2005 bis 2013 lag die Zahl der Geburten zwischen 660.000 und 680.000. Erst danach haben wir in Deutschland das Niveau vor 2000 erreicht. Bemerkenswert weiterhin: In den vergangenen zehn Jahren stieg der Alters-Durchschnitt der Deutschen von 43,9 auf 44,6 Jahre. Jetzt wird sich mancher Leser in Erwartung eines Meinungsbeitrags zur Sinnhaftigkeit von Kooperationen zwischen Augenarzt und Augenoptiker wundern, warum ich mit diesen Zahlen einsteige.

Ganz einfach: Die Zahlen zeigen die Notwendigkeit von solchen Kooperationen, da der Bedarf vorhanden ist und in den nächsten Jahren weiter steigen wird. Jeder Betriebs-Inhaber hat es wahrscheinlich schon selbst erfahren – es ist unheimlich schwierig, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Der Fachkräftemangel ist jedoch kein augenoptisches Phänomen. Bei den Ärzten gibt es die gleichen Schwierigkeiten. Dem Arbeits- und Ausbildungs-Markt stehen im Vergleich zu früheren Jahren jährlich etwa 100.000 junge Menschen weniger zur Verfügung.

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Gleichzeitig wird die Bevölkerung im Schnitt immer älter, und mit dem Alter steigt die Häufigkeit von degenerativen Augen-Erkrankungen, aber auch der Bedarf an vergrößernden Sehhilfen, Kontaktlinsen und Brillen ganz allgemein. Die steigende Zahl der Behandlungsfälle rund ums Auge bei abnehmender Zahl von Personen, die in der Versorgung eingesetzt werden können, führt zusehends zu einem Problem, welches die beiden Berufsgruppen nur gemeinsam bewältigen können.

Dass es beim optometrischen Screening Kooperationen zwischen Augenärzten und Augenoptikern geben wird, ist keine Frage. Dies ist spätestens, seit die Fielmann AG ihren Kunden mit Hilfe des Ärzte-Netzwerkes von Ocumeda einen Augen-Check-Up anbietet, ausgemacht. Mit der Zeit wird sich zeigen, wie die Kooperationen „gewichtet“ sind: Viel Optometrist oder viel Augenarzt?

Dies hängt sicherlich von den fachlichen Kompetenzen der Augenoptiker, von der Größe des Unternehmens (Filialist oder Einzelbetrieb) und von der Entwicklung von KI-Anwendungen ab. Schon heute gibt es Augenoptiker, die sich auf die Künstliche Intelligenz ihrer Geräte verlassen, die nur auf ihre eigene Kompetenz vertrauen oder welche, die die Bewertung der von ihnen erhobenen optometrischen Untersuchungs-Ergebnisse ausschließlich einem Arzt oder einem Ärzte-Netzwerk überlassen.

Risikofaktoren und Auffälligkeiten

Allen ist gemein, dass dem Kunden keine Diagnose gestellt wird. Vielmehr sollen ihm nur Risikofaktoren und Auffälligkeiten mitgeteilt werden. Und auch innerhalb des Arztmodells gibt es Unterschiede: Manche Kooperationen sehen vor, dass die Ergebnis-Besprechung anhand des ärztlichen Auswertungsbogens mündlich im Betrieb des Augenoptikers durch den Optometristen erfolgen soll. In manchen Fällen ruft der auswertende Arzt den Kunden an, beziehungsweise der Kunde erhält – ohne dass der Augenoptiker dazwischen geschaltet wäre – eine schriftliche Auswertung, gegebenenfalls verbunden mit der Empfehlung, einen Arzt aufzusuchen.

Welches Screening-Angebot wird am Ende erfolgreich sein? Dies werden die Kunden entscheiden. Wenn ihnen die ärztliche Autorität auch bei der Auswertung von Screening-Ergebnissen wichtig ist, dann werden sich entsprechend die arztzentrierten Kooperationen durchsetzen. Wenn den Kunden die direkte Rückmeldung durch einen kompetenten Optometristen wichtig ist, dann haben diese einen Vorteil. Möglicherweise möchten die Kunden aber auch der treffsicheren KI vertrauen.

 

Welches Screening-Angebot wird am Ende erfolgreich sein? Dies werden die Kunden entscheiden.

 

Die vielen neuen Angebote haben aber bereits jetzt positive Effekte: Die Kunden werden für verschiedene altersbedingte Augen-Erkrankungen sensibilisiert, und sie erfahren, dass man für den Erhalt des guten Sehens etwas tun muss. Dabei ist das Screening beim Augenoptiker – mit oder ohne Unterstützung durch einen Augenarzt – ein erstes, aber vor allem niedrigschwelliges Angebot, das ohne Beschwerden eher in Anspruch genommen wird als die Vereinbarung eines Termins beim Augenarzt.

Dies jedoch kann nur für die nächsten fünf bis zehn Jahre gesagt werden, schauen wir zum Anfang meiner Bewertung. Die Geburtenrate bedingt, dass in allen Berufen die Zahl der Berufs-Angehörigen abnehmen wird und dies wird sowohl den Beruf der Optometristen wie auch den der Ärzte treffen. Es ist wahrscheinlich, dass derartig hoch ausgebildete Arbeitskräfte in Zukunft für niedrigschwellige Angebote nicht mehr zur Verfügung stehen und die Weiterentwicklung der KI derartige Aufgaben übernehmen muss, da die ausgebildeten Kräfte für die Versorgung zur Verfügung stehen müssen.

Zumal die Auswertung von Bildern, und nichts anderes sind Netzhaut-Befundungen einer Retinakamera, durch Algorithmen erfolgt, die letztendlich durch hochauflösende Elektronik immer mehr verfeinert werden und somit die Arbeitskräfte freisetzen kann. Unsere Aufgabe wird letztendlich in der Erläuterung der Ergebnisse gegenüber dem Patienten/ Kunden bestehen und in der Verantwortung, zu entscheiden, ob der Patient/ Kunde vor Lieferung einer Brille zum Arzt überwiesen werden sollte oder wir die optische Versorgung ohne Arzt vornehmen können.

 

Augenoptiker Christian Müller c ZVA Peter Boettcher
Bild: ZVA/ Peter Boettcher

Christian Müller hat die Entwicklung optometrischer Screenings von den Anfängen in Theorie und Praxis begleitet, als Optometrist in Mülheim-Saarn und seit 2009 im Präsidium des Zentralverbands der Augenoptiker und Optometristen, dessen Präsident er seit vergangenem Jahr ist.

 

 

Artikel aus der eyebizz 2.2024 (Februar/März)

 

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