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Meinung von Stefan Lahme

Wie relevant ist Künstliche Intelligenz für uns?

Künstliche Intelligenz ist in aller Munde, auch im Eyecare-Umfeld. Und es ist klar, dass die Versorgung der Bevölkerung in Deutschland rund um die visuelle Wahrnehmung und die Augengesundheit in der Zukunft mit der heutigen Aufteilung der Versorgung und den zu erwartenden personellen Ressourcen nicht funktionieren wird.

Künstliche Intelligenz Eyecare c Sichtbetont
Wenn sie die Wahl haben zwischen einer anonymem Beurteilung und der persönlichen Kompetenz, für was werden sich Patienten entscheiden? (© Sichtbetont)

Für eine flächendeckende Versorgung wird die Anzahl der zur Verfügung stehenden ophthalmologischen Patientenstunden nicht annähernd ausreichen. Es gibt auch viel zu wenige Optometristen mit ausreichender akademischer Ausbildung, um dies aufzufangen, und auch Augenoptiker können diese Lücke nicht füllen – weder fachlich noch zeitlich.

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Hier setzt die Künstliche Intelligenz ein. Ohne Zweifel hat KI heute schon das Potenzial, Diagnosen sicher zu erheben. Studien beweisen, dass KI dazu in der Lage und geeignet ist, selbst gegenüber hochqualifizierten Fachleuten zu bestehen. Ich glaube dennoch, dass KI eine gute Ergänzung, aber kein Ersatz für Optometrie und Ophthalmologie ist und beide nicht ersetzen wird! Dafür sprechen zwei Gründe.

Einfacher Zugang zur Diagnostik

Aus Sicht der Versorgung weiter Bevölkerungsschichten ist ein einfacher Zugang zur Diagnostik wünschenswert. Solch ein Zugang via KI wird zu einer häufigeren Auf-deckung von Pathologie führen. Jedoch sind viele Erkrankungen sehr komplex. In unserem Bereich zum Beispiel das Glaukom: Die Messung des Augeninnendrucks und die Beurteilung des Sehnervs sind wichtig, aber nur ein Teil eines komplexen Gesamtbildes. Ametropie, Hornhautdicke, corneale Histerese, Perimetrie, OCT der Nervenfaserschicht und vor allem Verlaufsbeobachtungen sind extrem wichtige Faktoren. Diese können vor Ort nach wie vor viel detaillierter vom Untersucher, also dem Optometristen oder Ophthalmologen, erbracht werden.

Der zweite Punkt ist die Kommunikation zwischen Untersucher und Patient. Kann eine an eine anonyme Institution delegierte technische Aufnahme die gleiche Beziehung zwischen Patient und Untersucher aufbauen wie eine kompetente persönliche Untersuchung? Ich meine, nein! Damit besteht für die untersuchende Institution, zum Beispiel den Augenoptik-, den Optometrie-Betrieb oder die ophthalmologische Praxis, ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Was glauben Sie, für was werden sich Patienten entscheiden, wenn sie die Wahl haben zwischen einer anonymen Beurteilung und der persönlichen Kompetenz?

Deutschland hat gewaltigen Aufholbedarf

Noch zwei Gedanken dazu. Wichtig ist, dass auch wirklich Kompetenz auf Seiten der Optometrie vorhanden ist! Da haben wir in Deutschland gewaltigen Aufholbedarf. Wenn wir uns die Kollegen in der Schweiz ansehen – dort ist die Optometrie ein Gesundheitsberuf – wird klar, wo wir hin müssten: zu einer zumindest halbwegs einheitlichen akademischen Ausbildung.

In der Refraktion ist eine ähnliche Entwicklung zu beobachten. Remote Refraktion ist Wirklichkeit, ebenso die automatisierte subjektive Refraktion. Beides funktioniert sehr gut. Ein guter Optometrist sieht jedoch die gesamte visuelle Wahrnehmung des Patienten. Dazu gehört es auch, unabhängig vom Alter, die Akkommodation, Vergenz sowie Phorie und Sehanforderung zu analysieren. So verordne ich nur extrem selten die monokular gemessene Stärke wie sie die Künstliche Intelligenz ermitteln würde.

Deshalb ist Künstliche Intelligenz sehr willkommen, und ich mache mir über den Bedarf an meiner Dienstleistung nur eine Sorge! Wie sollen wir das bewältigen?

 

 

Stefan Lahme c Sichtbetont
© Sichtbetont

Stefan Lahme ist Inhaber von drei Augenoptik- und Optometrie-Fachgeschäften in Neuburg und Ingolstadt: Burg Sichtbetont, Sichtbetont City und West. Dort sind seine Tätigkeits-Schwerpunkte Kontaktlinsen, Kinderoptometrie und Binokularsehen. Lahme ist der Branche als Ehrenpräsident der VDCO und Vorsitzender der RAL Gütegemeinschaft Optometrische Dienstleistungen bekannt. Außerdem ist er Mitglied der American Academy of Optometrie F.A.A.O., Optometrist (Eidg. Dipl. Augenoptiker) und Master of Science in Vision Science and Business. Auch als Buchautor ist er bereits in Erscheinung getreten mit dem Werk „Tests und Management in der Kinderoptometrie“.

 

Artikel aus der eyebizz 4.2024 (Juni/Juli)

 

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