Augenoptiker in Madrid: Einfach mal durch Chueca schlendern
von Barbara Jäger,
Das angesagte, quirlige Viertel Chueca im Zentrum von Madrid mit seinen belebten Straßen und gemütlichen Plazas ist für sein Nachtleben, seine Märkte und Designer-Boutiquen bekannt. Mittendrin zwei unabhängige Augenoptiker mit Geschäften der ganz besonderen Art: Óptica Toscana und Zelai Óptica, deren Inhaber und Inhaberin in Sachen Interior Design und Sortiment ihr ganz eigenes Ding machen.
Óptica Toscana: Vom Samen zur Optik
Die beiden Augenoptiker Mamen Domínguez und Antonio López gelten in ihren Kreisen als „Visionäre“ – und als solche ließen sie sich Anfang der 1990er Jahre mit der Eröffnung der ersten Óptica Toscana in der Calle Argensola in Madrid auf ein gemeinsames Geschäftsprojekt ein. Einige Jahre später besuchte Antonio als Stammkunde Robustiano Diez Obeso, einen jener traditionellen Kaufläden mit hunderten kleiner Holzschubladen, in dem Saatgut, Getreidevarianten und alle Arten Hülsenfrüchte feil geboten wurden. Und eines Tages vertraute ihm der Besitzer an, er werde bald in Rente gehen und sein Geschäft aufgeben. Spätestens jetzt wurde den Augenoptikern klar, dass ihnen für das Augenoptikgeschäft ihrer Träume etwas ganz Besonders vorschwebte.
Anzeige
„Die Räumlichkeiten hatten so viel Charme und Seele, da konnten wir nicht widerstehen.“ Antonio López, Óptica Toscana
Denn von diesem Moment an setzten die beiden alles daran, sich das historische Ladenlokal mit der denkmalgeschützten Fassade, den Originalmöbeln, Decken und Fußböden aus dem Jahre 1881 für das Flaggschiff der vier Geschäfte der Óptica Toscana zu sichern. „Uns war sofort klar, dass der Laden für unser Projekt genau der Richtige ist“, erklärt Antonio López. „Wir wussten zwar, dass viel Arbeit auf uns zukommen würde, aber die Räumlichkeiten hatten so viel Charme und Seele, da konnten wir nicht widerstehen.“
Aufwand hat sich gelohnt
Also ging es los! Alle Glasvitrinen, Theken, Schubladen und die hydraulischen Fußbodenfliesen aus dem 19. Jahrhundert wurden in monatelanger Arbeit aufwändig restauriert. „Dabei wollten wir den Zustand der jahrzehnte-alten Patina unbedingt erhalten und nicht wegrestaurieren, denn gerade Alters- und Nutzspuren formen den Charakter eines Möbelstückes und verleihen ihm seinen Charme und seine Authentizität”, erklärt Mamen Domínguez. Dieser Aufwand hat sich gelohnt.
An den unzähligen sorgfältig restaurierten Holzschubladen sind noch die Originalschilder der Saatgutvarianten in alphabetischer Reihenfolge angebracht. Auch durch das warme Lichtkonzept ist Óptica Toscana so ganz anders als viele der Filialen herkömmlicher, oft klinisch weißer Augenoptikerläden Spaniens.
„Wir verstehen die Verkaufsfläche als Bühne, auf der alle Facetten unseres Angebots in Szene gesetzt werden sollen“, sagt López. Er hat alle Deko-Elemente selbst ausgesucht und teilweise sogar nach seinen Ideen anfertigen lassen. Selbst bei den Schaufenster-Dekorationen lebt er seine kreative Ader aus, entwirft und inszeniert diese am liebsten selbst.
Doch nicht nur das Interior-Design, auch die freundliche und fachmännische Beratung überzeugen. Beim Betreten des Ladens fühlt man sich eher wie bei einem Juwelier als bei einem Augenoptiker: Die Kundschaft wird im Erstgespräch an einen der edlen Tische aus Marmor und Stahl begleitet und nach ihren Bedürfnissen und Wünschen befragt. Dabei bekommen die Verkaufsberater bereits einen ersten Eindruck von Persönlichkeit und Stil der Kunden und können daraufhin gezielter durch die in den Holzschubladen verborgenen Kollektionen führen.
Unabhängige, internationale Brillenmarken
Óptica Toscana hat sich vornehmlich auf unabhängige, internationale Brillenmarken spezialisiert, wie Mykita, Anne et Valentine oder Kuboraum. „Das ist nicht immer einfach und nicht ohne Risiko, aber mit der Zeit entwickelt man einen Instinkt dafür, was funktioniert“, so López.
„In unserer Branche musst du dich entweder für ein breites Sortiment für ein großes Publikum entscheiden, oder dich auf exklusive Nischenmarken und eine reduzierte, anspruchsvollere Zielgruppe konzentrieren. Wir wollten nie mit großen Optikerketten konkurrieren, sondern immer ein streng kuratiertes, exklusives Angebot an Designerbrillen haben, kombiniert mit ausgezeichnetem Service und persönlicher Beratung“, erklärt Domínguez.
Damit steht Óptica Toscana in Spanien für eine neue Generation selbstbewusster Augenoptiker, die sich vom Mainstream abheben und zeigen wollen, dass Optikbusiness auch anders geht: mit einem limitierten Angebot unkonventioneller, designorientierter Labels in kleinen Stückzahlen. „Die Geschäftsbeziehung mit unseren Marken ist über Jahre gewachsen und hat teilweise ganz besondere Kollaborationen hervorgebracht. So haben beispielsweise Mykita, Moscot und Jacques Marie Mage sogar exklusiv für Óptica Toscana limitierte Kapsel-Kollektionen kreiert “, schwärmt López.
Zelai Óptica: Brillen im Art-Déco-Ambiente
Gerade mal einen Steinwurf entfernt am belebten Plaza de Chueca führt Augenoptikmeisterin Amaya Azócar Ormazábal in zweiter Generation einen kleinen unabhängigen Laden: Zelai Óptica. Amaya wurde die Leidenschaft für zeitgenössisches Brillendesign in die Wiege gelegt. Ihre Mutter, Mentxu Ormazábal, leistete Pionierarbeit in der Augenoptik im Spanien der Post-Franco-Zeit. Sie hat sich nie mit der Brille als Massenprodukt abfinden wollen und war ihrer Zeit weit voraus.
Getrieben von dem Wunsch, alle Facetten der Brille als Modeaccessoire zu entdecken, machte Mentxu Ormazábal als Studentin ein Praktikum in Paris und besuchte internationale Optik-Messen, immer auf der Suche nach dem Besonderen. Später nahm sie ihre Tochter Amaya mit auf die internationalen Messen in Mailand und Paris, kein Wunder, dass Amaya heute mit viel Herzblut das Geschäft weiterführt.
„Generell nehmen wir höchstens ein bis zwei Exemplare von den Modellen in unser Sortiment auf, damit unser Angebot exklusiv bleibt.“ Amaya Azócar Ormazábal, Zelai Óptica
„Unser Fokus liegt auf unabhängigen Brillendesignern wie Jacques Durand, Henau, Sabine Be, Epos, Giorgio Nannini oder La Brique et la Violette, um nur einige zu nennen. In letzter Zeit gilt unsere Aufmerksamkeit auch vermehrt aufstrebenden Designertalenten aus Spanien wie Folc, Lool, Nina Mûr und Kaleos. Generell nehmen wir höchstens ein bis zwei Exemplare von den Modellen in unser Sortiment auf, damit unser Angebot exklusiv bleibt.“
Eleganter Stil und Wohlfühl-Atmosphäre
2006 unterzog Amaya der Verkaufsfläche mit Hilfe der kanarischen Innenarchitektin Marta Auyanet einem umfassenden Facelifting. „Ich wollte einen Store mit einem sehr persönlichen, eleganten Stil und viel Wohlfühl-Atmosphäre, in dem sich meine Kunden gern bei einem Kaffee zum längeren Beratungsgespräch niederlassen. Nur so können wir ihre individuellen Wünsche und ihre Persönlichkeit gut kennenlernen und sehen, welche Brille am besten zu ihnen passt,“ erklärt die Augenoptikerin.
Im Rahmen der Renovierung wurden einige Elemente im Geschäft restauriert, darunter die original Fußboden-Hydraulikfliesen in Holzoptik, der Deckenstuck und eine klassische Metallsäule. Auch die rote Backsteinwand mit alten, vertikalen Holzbalken, die beim Umbau zum Vorschein kam, blieb erhalten. Sie bietet einen interessanten Kontrast zu dem für Art Déco typischen Brass, der sich in Leuchtobjekten, Rahmen, Verkleidungen und Griffen wiederholt.
So gut wie alle Einrichtungs-Gegenstände wurden nach Marta Auyanets eigenem Entwurf maßgefertigt. Dazu gehören die beiden Holz-Sideboards mit integrierten, beleuchteten Glasvitrinen als Warenträger und Schubladen und die spektakuläre Deckenlampe, deren 45 Kugelleuchten an Messingstäben von einer ovalen Holzplatte herabhängen. Die mit blauem Samt bezogenen Vintage-Stühle und goldfarbenen Vintage-Wandleuchten an der blauen Wand, deren Strukturtapete wie ein Wandbehang aus filigranen Federn wirkt, runden das edle Gesamtbild ab.
Selbst die gezielt platzierten Dekorationsstücke (ein eleganter Art-Déco-Schmuckkasten aus Glas und Messingrändern mit einem Goldrand-Binokel, Ohrringe und andere Exponate) fügen sich wunderbar in den eklektischen Einrichtungsstil ein.
„Wir werden häufig gefragt, ob die Einrichtungs-Gegenstände zu kaufen sind“, erzählt Amaya schmunzelnd. „Solche Fragen nehme ich als Kompliment.“ Beim nächsten Besuch in Madrid lohnt es sich also, einfach einmal durch Chueca zu schlendern und bei den spanischen Kollegen und Kolleginnen reinzuschauen.