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Fachtagung OPT-X.24 in Baden

Optometrie und Augenoptik aus Schweizer Sicht

Bereits zum vierten Mal war Baden Schauplatz für die OPT-X: Die Fachtagung im Trafo, eine Kooperation von SBAO (Schweizerischer Berufsverband für Augenoptik und Optometrie) und Optikschweiz, befasste sich in diesem Jahr unter dem Motto „Augenoptik und Optometrie im Wandel“ mit Praktischem und Zukünftigem in der Alpenrepublik.

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Start ins Forum Optometrie mit Moderator Andy Dätwyler (© OPT-X)

Die beiden schweizerischen Fachverbände luden Ende September zu ihrem gemeinsamen Fachkongress wieder nach Baden, rund 20 Kilometer nordwestlich von Zürich. Die Stadt an der Limmat zählt rund 20.000 Einwohner und steckt neben jeder Menge Historie buchstäblich voller Energie und Innovationen. Der schweizerisch-schwedische Elektrotechnikkonzern ABB zum Beispiel hat hier mit einer nationalen Dependance sein Zuhause. Hier befinden sich die Unternehmensleitung, ein Forschungszentrum, Weiterbildungs-Einrichtungen sowie die Produktion von Hochspannungstechnik, Industrierobotern und Turboladern.

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Das Trafo, die Event-Location, war seit 1920 die Transformatoren-Werkhalle der ABB, was etliche „gewichtige“ Ausstellungsstücke und Fotografien eindrucksvoll zeigen. Heute sind dort einige Veranstaltungsräume, ein Hotel, eine Mall und sogar ein Kino untergebracht.

Genau der richtige Ort, um sich zwei Tage lang zweisprachig zu den neuesten Branchen-Entwicklungen in der Schweiz auszutauschen. Das fanden auch die Verbands-Oberen Manuel Kovats (Präsident SBAO) und Valentin Dagon (Vizepräsident Optikschweiz), die das Publikum in der großen Halle der Industrie-Ausstellung herzlich auf Deutsch und Französisch begrüßten, um sie dann in die beiden Tagungs-Räumlichkeiten zu entlassen.

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Genau passend für die Industrie-Ausstellung: In der 1920 gebauten und 1950 erweiterten Halle 37 im Trafo wurden bis in die 70er Jahre hinein elektrische Transformatoren zusammengebaut (© Patricia Perlitschke)

Unter dem Motto „Augenoptik und Optometrie im Wandel“ gab es am 22. September bei der OPT-X.24 zwei parallele Foren. Von der Entwicklung des Binokular-Sehens, des Myopie-Managements bis hin zu OCT-Anwendungen wurden Einblicke geboten in die optometrische Arbeit. Für die Augenoptik gab es ebenfalls ein breites Themen-Spektrum, darunter Vorträge zu Verkaufsförderung, Cyberkriminalität, Herausforderungen der Low-Vision-Versorgung und Diskussionen über angemessene Kosten für eine Refraktionsbestimmung.

Neben den Vorträgen konnten sich die Besucher in der Industrie-Ausstellung bei rund einem Dutzend Firmen von den neuesten Produkten, Technologien und Forschungs-Ergebnissen sowie von Postern aktueller studentischer Abschlussarbeiten inspirieren lassen. Aus diesen Arbeiten stellten drei Studierenden-Teams der FHNW (Fachhochschule Nordwestschweiz) mitsamt ihren spannenden Erkenntnissen kurz und kompakt im „Rapid Fire“ dem Optometrie-Auditorium vor.

Optometrie in Kanadas Wildnis

Die mit Abstand weiteste Anreise der 28 Referierenden hatte Dr. Benoit Tousignant aus Kanada (weitere sechs kamen aus Deutschland, 21 aus der Schweiz). Der Professor der School of Optometry der Université de Montréal eröffnete am Morgen den Optometrie-Tag mit seinem Vortrag „Community Optometry: Praktizieren, wo nicht jeder hingeht“.

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Dr. Benoit Tousignant kam eigens aus Kanada für seinen Vortrag (© Patricia Perlitschke)

Auch die des Französischen nicht Mächtigen im Auditorium konnten dem „Indiana Jones der Optikwelt“, so Moderator Andy Dätwyler (MSc in Vision Science & Business, MAS & BSc in Optometrie, Pfarrer Kontaktlinsen AG Bern), dank exzellenter Simultan-Übersetzung und zweisprachiger Charts mühelos in die entlegensten Winkel der kanadischen Wildnis folgen.

Dort kümmert sich der Gründer von „Regard Collectif“ seit 2017 mit seinem Team um das gute Sehen diesbezüglich benachteiligter Gruppen wie zum Beispiel indigener Menschen. Das sind in der Provinz Québec rund 10.000 Menschen auf einer Fläche sechsmal so groß wie Frankreich, da geht es oft nicht ohne Kleinflugzeug bei der Anreise. Ebenso spannend ist aber auch der Einsatz in Städten bei Senioren, Obdachlosen, Sträflingen oder Migranten. Überall wichtig ist für Tousignant dabei die mobile Ausrüstung mit möglichst kleinen Geräten für die Messungen und Untersuchungen.

Kontaktlinsen: Messung und Material

In einem größeren Block im Optometrie-Forum befassten sich Kontaktlinsen-Kenner mit neuen Erkenntnissen, Geräten und Materialien. So wie Markus Ritzmann (M.Sc. Optometrist FHNW) vom Linsencentrum in Frauenfeld, der mit spannenden Bildern aus der täglichen Praxis über die „Diagnostik mit dem Anterior Segment-OCT“ berichtete. Dabei forderte er auch das Fachpublikum, das mittels Tagungs-App gleich eine eigene Beurteilung abgeben konnte. Meist mit Erfolg, aber nicht immer. Denn, so Ritzmann, das AS-OCT biete zwar viele Möglichkeiten, könne aber nicht alles und manchmal täusche das Bild (Artefakte und gerenderte Bilder). Das Fazit des Schweizers: eine gute Ergänzung zu anderen diagnostischen Untersuchungen.

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In den Pausen ging es bei Kaffee zum Netzwerken in die Industrie- und Poster-Ausstellung (© Patricia Perlitschke)

Roland Fromme (Leitung Materialproduktion und -forschung bei Wöhlk, Schönkirchen) gab Einblicke in die Probleme bei der „Materialentwicklung für Kontaktlinsen angesichts sich ändernder Erwartungen, Vorschriften und Einschränkungen“. Der Klima-Wandel sei inzwischen auch in der Materialwelt angekommen; neue EU-Regelungen etwa oder die aktuelle Diskussion um ein PFAS-Verbot beschäftigen den Chemie-Ingenieur schon länger.

Strengere oder neue Vorschriften beträfen dabei längst nicht nur Neuentwicklungen, die dadurch verlangsamt werden könnten, sondern auch bereits auf dem Markt befindliche ältere Produkte, die erneut getestet werden müssten. Das hieße dann: Weglassen oder Alternativen entwickeln: Die Industrie müsse dann „etwas wegerfinden“, so Fromme, um verbotene Komponenten so zu ersetzen, dass die bisherige Material-Performance nicht leide. Dieser hohe Kosten-Aufwand für den Kontaktlinsen-Hersteller ließe manches, eigentlich sonst gute Kontaktlinsen-Produkt deshalb vom Markt verschwinden, so Fromme.

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Christina Fial referierte zu zertifizierten Produkten fürs Myopie-Management (© Patricia Perlitschke)

Kontaktlinsen kommen bekanntermaßen auch fürs Myopie-Management in Frage. Zudem wird seit Juli 2024 in der Schweiz von der Krankenkasse eine Vergütung gezahlt, und zwar „nur bei Behandlung mit Brillen und Kontaktlinsen, die nachweislich eine Hemmung der Myopie-Progression bewirken“. So war der Vortrag „Myopie-Management: Vorteile der zertifizierten Produkte“ von Christina Fial (Dipl.-Ing. FH Optik & Mechatronik bei Optik Petetschelka) für die Zuhörer im Optometrie-Saal natürlich besonders interessant.

Die Leiterin eines Kontaktlinsen-Instituts in Salzburg (Österreich) ist unter anderem auf Myopie-Management bei Kindern spezialisiert und zudem freiberuflich in der Industrie tätig. Wenn die Krankenkasse Zweifel hege, dann sei man mit der Verwendung zertifizierter Kontaktlinsen im Vorteil, so Fial. Da sich bei diesem Thema derzeit viel tue, auch wenn eine Zertifizierung teuer und langwierig sei, werden hier stetig neue Produkte dazukommen.

Beim Off-Label-Use, einer zweckentfremdeten Nutzung zum Beispiel von Multifokal- oder Ortho-K-Linsen fürs myope Kind, helfen Nachweise wie Studien, deren Wirksamkeit zu belegen. Auch aus diesem Grund habe man die Regelung in der Schweiz sehr offen gehalten, ergab die abschließende Frage-Runde mit dem Publikum.

Über den Tellerrand geschaut

Neben vielen fachlichen Vorträgen fehlte im Programm auch nicht der Blick über den berühmten Tellerrand. Cyberkriminalität, ein aktuelles und wichtiges Thema für jeden Unternehmer: Im Forum Augenoptik berichtete Felix Wyss (Inhaber der ACW AG Aarauer Carrosserie Werke) von seinen Erfahrungen. „Ein Klick und der Laden steht still!“ hieß es für ihn vor drei Jahren nach einem Hackerangriff auf seine Autowerkstatt. Wyss erzählte, welche Schritte er zur Lösung des Problems unternahm und wie er die schwierige Phase ohne Daten-Zugriff überstehen konnte.

Ein Paradebeispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit, wie sie besonders beim Myopie-Management sinnvoll ist, ist Jana Meier. Die Dipl.-Orthoptistin HF vom Augenärzte Zentrum Aarau durchlief zu Beginn ihrer Karriere eine Ausbildung zur Augenoptikerin. Sie zeigte dem Publikum spannende Beispiele für „Interdisziplinäre Orthoptik“ aus ihrer täglichen Praxis.

Forum Zukunft

Am zweiten Veranstaltungstag – dem Montag – drehte sich im Forum Zukunft alles um neue Technologien und zukunftsweisende Strategien. So ging es unter anderem über die Zukunft der Arbeit in der Branche, die Entwicklung von Brillengläsern oder die Bedeutung der Circular Economy.

„Quo vadis, Brillenglas?“ fragte zum Beispiel Prof. Dr. Peter Baumbach, früher bei Rodenstock, heute Professor für Augenoptik/Optometrie an der Hochschule Aalen. Man sei langsam am Ende der Brillenglas-Optimierung angelangt, so seine Ansicht, denkbar sei zum Beispiel noch eine Personalisierung der Gläser nach dem Sehprofil des Kunden, eine weitere Optimierung der Beschichtungen oder ein Ausbau bei Smart Glasses. Bei letzteren könnten große Technologie-Player aber vielleicht einen größeren Teil vom Brillenmarkt (mit Korrektion!) abgreifen wollen, so Baumbachs Befürchtung.

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Wie KI bei Glaukom-Messungen helfen kann, demonstrierte Prof. Raphael Szitman (© Patricia Perlitschke)

Spannend zu hören waren auch die Ausführungen von Prof. Raphael Szitman (ARTORG-Zentrum, PeriVision AG, RetinAI Medical AG) aus Bern über die „Perimetrie 2.0: Sichtfeld, KI und Virtual Reality“. Statt großem Perimetrie-Messgerät und relativ langer Messdauer für ältere Patienten (bis zu acht Minuten) nutzt er für die Glaukom-Behandlung Künstliche Intelligenz, um die Geschwindigkeit und Datennutzung zu verbessern. Diese füllt die fehlenden Stellen der wesentlich kürzeren Messung (nach vier oder nur zwei Minuten) auf, ist damit schneller und zeige weniger Abweichungen in den Ergebnissen. Auch die Vorhersage der Glaukom-Entwicklung könne inzwischen durch KI-Nutzung von Bilddatenbanken mehrerer Kliniken genau erfolgen. Mittels VR-Brille sind sogar Tests zuhause möglich, so eine Studie des Inselspitals Bern mit 100 Probanden; auch hier optimiere das KI-Modell die Daten.

Positiv geladenes Feedback

Dem Fachpublikum gefiel es offensichtlich im Trafo. Mittels Event-App konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer anonym Feedback geben: „Es ist immer ein Vergnügen zu kommen!“, „Super Idee mit dem Quiz für Hersteller. Gab einen größeren Anreiz, alle Aussteller zu besuchen“ oder „Gute und spannende Vorträge zu aktuellen Themen“ waren einige der Bewertungen.

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Das stolze Organisations-Team der beiden Verbände (© OPT-X)

Auch die Veranstalter SBAO und Optikschweiz zogen ein positives Fazit: „Wir freuen uns sehr, in diesem Jahr rund 300 Teilnehmer begrüßt zu haben. Die Beibehaltung des Grundkonzepts, das darauf abzielt, alle Interessierten der Branche mit mehreren Foren willkommen zu heißen, ist für beide Verbände von größter Bedeutung. Die OPT-X.24 hat das Interesse der Branche an dieser Art von Weiterbildung bestätigt. Es geht dabei auch darum, die Gemeinschaft zu stärken, weshalb wir aktiv an der Weiterentwicklung unseres Angebots arbeiten und für das nächste Jahr noch weitere Überraschungen bereithalten.“

Man darf gespannt sein, was da noch kommt. Die OPT-X.24 jedenfalls hielt für ihr Publikum viele Impulse bereit.

/// PE

www.OPT-X.ch

 

Artikel aus der eyebizz 6.2024 (November/Dezember)

 

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