Sehbehinderte Menschen haben täglich mit vielen Herausforderungen zu kämpfen: mikroskopisch kleine Schrift auf einer Lebensmittelverpackung, eine Stolperstufe, die kaum zu erkennen ist. So abwechslungsreich wie der tägliche Hindernislauf sind auch die Themen, denen sich der DBSV am Sehbehinderten-Tag Anfang Juni in den vergangenen 25 Jahren gewidmet hat.
1998 nahm der Deutsche Blindenverband sehbehinderte Menschen in seine Satzung und seinen Namen auf: Deutscher Blinden- und Sehbehinderten-Verband e.V. (DBSV). Im gleichen Jahr rief er gemeinsam mit drei korporativen Mitgliedern erstmals bundesweit dazu auf, an „Sehbehinderten-Aktionstagen“ teilzunehmen. Sie fanden am 5. und 6. Juni in Bonn statt. So entstand der bundesweite Sehbehinderten-Tag, der seit 25 Jahren auf die Bedürfnisse und Probleme sehbehinderter Menschen, aber auch auf ihre Leistungen und Potenziale aufmerksam macht. Als Datum wurde der 6. Juni gewählt, weil die Zahl 66 ein wenig an eine Brille erinnert.
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„Der Sehbehinderten-Tag hat in den ersten Jahren auch verbandsintern viel in Bewegung gebracht“, erinnert sich Bernd Peters vom Leitungsteam der Koordinationsstelle „Leben mit Sehbehinderung“ im DBSV. „Vielen blinden Mitgliedern war nicht klar, wie unterschiedlich Sehbehinderungen sich auswirken und wie individuell deshalb der Bedarf an Unterstützung ist.“
Sehbehinderten-Tag: Zahlreiche Erfolge
Inzwischen investieren der Verband und seine Landesvereine seit 13 Jahren systematisch in die Berater-Ausbildung und konnten auf dieser Basis mit „Blickpunkt Auge“ ein qualitätsgesichertes bundesweites Beratungsangebot etablieren. Der Sehbehinderten-Tag habe mit aufmerksamkeitsstarken Aktionen zu den Erfolgen beigetragen, die der DBSV zugunsten sehbehinderter Menschen erzielen konnte:
Dazu gehört die Norm DIN 32975 zur Gestaltung visueller Informationen im öffentlichen Raum, für die der Verband viele Jahre gekämpft hat. Sie regelt beispielsweise, wie Bedienelemente von Automaten und Aufzügen beschaffen sein müssen, um eine möglichst gute Wahrnehmbarkeit zu erreichen.
Ein weiterer Erfolg ist eine Regelung, die auf Forderung des DBSV im Jahr 2017 vom Bundestag beschlossen wurde. In Ergänzung der vorherigen Regelung gilt nun, dass bei Kurz- und Weitsichtigkeit Sehhilfen mit mehr als 6 Dioptrien im medizinisch notwendigen Umfang von der Kasse gezahlt werden, bei Hornhautverkrümmung reichen mehr als 4 Dioptrien.
Auch vom Internetangebot leserlich.info des DBSV profitieren viele sehbehinderte Menschen. Die Online-Plattform ist eine praxisnahe Arbeitshilfe für Profi-Gestalter und interessierte Laien und bietet unter anderem einen Schriftgrößenrechner und einen Kontrastrechner, mit denen konkrete Maße und Farbwerte für Druckprodukte und Webseiten errechnet werden können.
Das Thema 2023: Sehbehinderung und Pflege
Zum Sehbehinderten-Tag in diesem Jahr wies der DBSV auf das Thema hin: Sehbehinderung und Pflege. In deutschen Senioren-Einrichtungen hat rund die Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner Sehprobleme und oft wird eine Sehbehinderung nicht als solche erkannt. Das zeigte die Studie OVIS (Ophthalmologische Versorgungsforschung in Seniorenheimen) der Stiftung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft aus dem Jahr 2017.
Dass sich an der Situation seitdem nichts geändert hat, bestätigt Professor Dr. med. Frank G. Holz, Vorsitzender der Stiftung Auge und Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn: „Wir haben kürzlich, im Rahmen der neuen Studie TOVIS, 139 Seniorinnen und Senioren in Einrichtungen telemedizinisch untersucht. Bei 53 von ihnen wurde beispielsweise eine altersabhängige Makula-Degeneration diagnostiziert, ein Drittel davon müsste dringend einer Therapie zugeführt werden, um dauerhaften Sehverlust zu verhindern.“
Einer der Gründe für die „unsichtbaren Sehbehinderungen“: In der Aus- und Weiterbildung von Pflegefachkräften spiele das Thema „Sehen“ laut DBSV bisher nur eine untergeordnete Rolle. Hier setzte der DBSV mit seiner Aktion zum Sehbehinderten-Tag an und organisierte gemeinsam mit seinen Mitglieds-Organisationen Schulungen für Pflegefachkräfte vom 1. bis 11. Juni 2023 in analoger und digitaler Form. Zu den dafür entwickelten Materialien gehört auch der kurze Animationsfilm „Sehbehinderung im Pflegealltag“, der humorvoll Alltagssituationen rund ums Thema aufgreift.
Mit höherem Lebensalter wächst das Risiko einer Augenerkrankung. Ursachen dafür sind neben altersbedingten Veränderungen vor allem chronische Augenkrankheiten wie Altersabhängige Makula-Degeneration (AMD), Glaukom oder diabetische Retinopathie. „Es ist wichtig, Anzeichen für einen Sehverlust zu kennen und darauf zu reagieren, denn schon einfache Veränderungen im Umfeld und ein guter Umgang miteinander können den Alltag sowohl der Betroffenen als auch der Pflegefachkräfte erleichtern. Außerdem können die Risiken gesenkt werden, die mit möglichen Folgen von Sehverlust verbunden sind – von Auswirkungen auf alle Persönlichkeitsbereiche bis zur erhöhten Sturzgefahr“, so der DBSV.