Allergische Konjunktivitis: Wenn Pollen die Augen reizen
von Redaktion,
Vor allem im Frühjahr beginnt für viele Allergiker eine Leidenszeit: Die Augen jucken, brennen und tränen, die Bindehaut ist rot und geschwollen. Hinzu kommen Niesanfälle und die Nase läuft. Was landläufig als Heuschnupfen bezeichnet wird, nennen Fachleute eine allergische Rhino-Konjunktivitis.
Diese saisonale Erkrankung ist die häufigste Form der allergischen Konjunktivitis. Sie beeinträchtigt das Befinden der Betroffenen zwar erheblich, jedoch meist nicht dauerhaft und ist in der Regel gut behandelbar. Das Spektrum allergischer Augenerkrankungen reicht jedoch bis hin zu ausgeprägten, chronischen Formen, die nur schwer in den Griff zu bekommen sind und sogar zur Erblindung führen können, erläutert Prof. Dr. Philip Maier, Oberarzt und Leiter der Lions Hornhautbank BW, von der Universitätsaugenklinik Freiburg.
Formen allergischer Konjunktivitis
Die schon erwähnte allergische Rhino-Konjunktivitis tritt – je nach Allergen – saisonal oder auch ganzjährig auf. Wenngleich es meistens Pflanzenpollen sind, die die Erkrankung auslösen, so gibt es jedoch auch andere Allergene, die das ganze Jahr über Probleme bereiten: Auch Schimmelsporen, Hausstaubmilben oder Tierschuppen können in der Bindehaut allergische Reaktionen hervorrufen.
Neben diesen akuten gibt es auch chronische Verlaufsformen: Die atopische Kerato-Konjunktivitis, den Frühlingskatarrh (Konjunktivitis vernalis), die Riesenpapillen-Konjunktivitis sowie die kontaktallergische Konjunktivitis. Bei chronischen Formen, insbesondere der atopischen Kerato-Konjunktivitis und dem Frühlingskatarrh, kann die Hornhaut in Mitleidenschaft gezogen werden, was zu einer dauerhaften Beeinträchtigung des Sehvermögens führen kann.
Ein häufiges Problem
Schätzungen zufolge leiden bis zu 50 Prozent der europäischen Bevölkerung an einer Form der allergischen Konjunktivitis. In den vergangenen Jahrzehnten wurde eine Zunahme der Prävalenz beobachtet. Als mögliche Ursache hierfür wird unter anderem die zunehmende Luftverschmutzung genannt. Jedoch auch die Verbreitung des beifußblättrigen Traubenkrauts (Ambrosia) in Europa hat zur Zunahme von Allergien geführt. Rund 90 Prozent der Betroffenen leiden an einer saisonalen allergischen Konjunktivitis.
Mehr als nur lästig
Die Betroffenen klagen bei einer allergischen Konjunktivitis über juckende, brennende Augen und einen vermehrten Tränenfluss. Diese akuten Symptome treten schon 15 bis 20 Minuten nach dem Kontakt mit dem Allergen auf. Bis zu 24 Stunden ist die Spätphasenreaktion zu beobachten: Der Juckreiz und der Tränenfluss halten an, die Bindehaut ist gerötet, Fremdkörpergefühl, Lichtscheu und geschwollene Lider treten auf, was zu einer deutlichen Abnahme der Sehqualität führen kann.
Hinzu kommen bei der Rhino-Konjunktivitis die Beschwerden im Bereich der Nase, die nicht nur zu Niesanfällen führen: Nachts ist die Schlafqualität aufgrund der geschwollenen Schleimhäute reduziert, in der Folge fühlen sich die Menschen tagsüber müde und weniger leistungsfähig. Die Lebensqualität ist deutlich eingeschränkt, dabei werden die Beschwerden an den Augen sogar oft als gravierender empfunden als die nasalen Probleme.
Wie kommt es zur Allergie?
Allergien bezeichnen generell eine überschießende Abwehrreaktion des Immunsystems auf eigentlich ungefährliche Stoffe in der Umgebung. Bei der allergischen Rhino-Konjunktivitis handelt es sich um eine sogenannte Typ-I-Allergie. Dabei werden in der Sensibilisierungsphase kleinste Mengen eines Allergens über die Schleimhäute in Nase und Bindehaut aufgenommen
Hier kommt es zu komplexen Reaktionen, in deren Folge spezifische Antikörper (Immunglobulin E, IgE) gegen das Allergen gebildet werden. Bei jedem folgenden Kontakt mit dem Allergen sorgen diese Antikörper nun in kürzester Zeit für eine Abwehrreaktion (z. B. Histaminausschüttung) des Körpers mit den oben beschriebenen belastenden Symptomen.
Untersuchungsmethoden
Wenn Patienten in der Augenarztpraxis über ihre Beschwerden berichten, dann gilt es, möglichst genau zu erfahren, wann und unter welchen Bedingungen die Probleme auftraten, ob schon Allergien bekannt sind und ob eventuell Verwandte ebenfalls betroffen sind. Bei der Augenuntersuchung ist eine Rötung der Bindehaut zu beobachten, da die Blutgefäße erweitert sind. Zudem ist die Bindehaut angeschwollen (Chemosis) und sieht glasig aus. Lidschwellungen sind oft noch zu sehen, nachdem die anderen Befunde schon zurückgegangen sind.
Um festzustellen, welches Allergen die Beschwerden verursacht, ist der Pricktest der Goldstandard, er wird in der Regel von Dermatologen durchgeführt. Hierbei werden kleine Mengen möglicher Allergene auf die Haut – meist am Unterarm – aufgetragen, die dann mit einer Lanzette leicht angestochen wird, sodass die Allergene in die Haut eindringen können. Nach etwa 20 Minuten wird dann geprüft, ob eine Hautrötung zu beobachten ist und ob sich Quaddeln bilden. Wenn dieser Test negativ ist, kann man im Blutserum nach spezifischem IgE suchen.
Abgrenzung von anderen Krankheiten
Nicht jede Konjunktivitis wird durch eine Allergie ausgelöst. Bei der Augenuntersuchung wird daher genau geprüft, ob andere Verursacher wie Viren, Bakterien oder Chlamydien die Krankheit ausgelöst haben oder ob die Beschwerden auf ein trockenes Auge zurückgehen.
Wenn eine Allergie vorliegt, dann ist zu unterscheiden, ob eine der akuten Formen oder eine chronische allergische Konjunktivitis wie beispielsweise die atopische Kerato-Konjunktivitis vorliegt. Denn dann kann die Erkrankung auch die Hornhaut betreffen und das Sehvermögen nachhaltig bedrohen. Die Behandlungsstrategie muss dann entsprechend angepasst werden.
Behandlung der akuten allergischen Konjunktivitis
Bei einer akuten Erkrankung gilt es, die Beschwerden rasch zu lindern, den Entzündungsprozess zu kontrollieren und langfristig vorbeugend tätig zu werden, oft gemeinsam mit Ärzten anderer Fachbereiche. Zunächst wird geprüft, ob es möglich ist, dem Allergen aus dem Weg zu gehen. Eine völlige Allergen-Karenz ist im Alltag jedoch selten machbar, aber mit häufigem Haarewaschen, Filtern in Klimaanlagen und einer entsprechenden Gestaltung des Umfelds (Teppiche entfernen, Allergen abweisende Bettwäsche etc.) lässt sich häufig schon eine Besserung erreichen. Auch der Einsatz von Tränenersatzmitteln, mit denen Allergene aus den Augen ausgewaschen werden, kann helfen. Dabei sollten aber stets konservierungsmittelfreie Produkte zum Einsatz kommen, denn viele Konservierungsmittel können selbst Allergien auslösen.
Verschiedene Medikamente in Augentropfen können den Patienten rasche Linderung verschaffen. Am häufigsten werden dabei Antihistaminika eingesetzt, die schnell und zielgerichtet wirken. Ihre Wirkung hält meist vier bis sechs Stunden an. Mittel- bis langfristig werden Mastzellstabilisatoren eingesetzt. Dabei sollte die Behandlung mit Mastzellstabilisatoren bei der saisonalen allergischen Rhino-Konjunktivitis bereits einige Wochen vor Beginn der Allergen-Saison begonnen werden, damit sie ihre volle Wirkung entfalten können.
Eine Doppelstrategie verfolgen Mastzellstabilisatoren mit antihistaminerger Wirkung: Sie wirken relativ schnell und nachhaltig. In schweren Fällen kann kurzzeitig auch die lokale Anwendung von Steroiden notwendig sein. Sie sorgen kurzfristig für ein Abklingen der Entzündung, doch wegen möglicher schwerer Nebenwirkungen wie dem Anstieg des Augeninnendrucks sollte ihr Einsatz nur unter augenärztlicher Kontrolle erfolgen.
Wenn die Allergie nicht nur die Augen, sondern auch andere Organe betrifft, erhalten die Patienten Antihistaminika auch in Form von Tabletten, wodurch auch die Beschwerden an den Augen gelindert werden.
Neben der Allergen-Karenz und der medikamentösen Behandlung ist die spezifische Immuntherapie die dritte Säule der Allergietherapien. Bei der Hyposensibilisierung erhalten die Patienten unter kontrollierten Bedingungen wiederholt unterschwellige Dosen des auslösenden Allergens mit dem Ziel, die Symptome zu verringern und den Bedarf an Medikamenten zu senken.
Behandlung der atopischen Kerato-Konjunktivitis
Während die akute allergische Konjunktivitis in der Regel gut und einfach behandelbar ist, ist die Behandlung chronischer Formen wie der atopischen Kerato-Konjunktivitis eine interdisziplinäre Herausforderung. Etwa zwei Prozent der Bevölkerung sind von einer atopischen Dermatitis (oft auch Neurodermitis genannt) betroffen. Bei 25 bis 43 Prozent von ihnen ist im Krankheitsverlauf auch eine Beteiligung der Augen zu beobachten.
Dabei können die Haut im Umfeld der Augen, die Augenlider, die Bindehaut und sogar die Hornhaut entzündet sein. Die Entzündungen der Lider und Lidränder können zu Fehlstellungen führen, die zusätzlich Schäden an der Hornhaut verursachen. Bei Patienten mit atopischer Dermatitis ist zudem stets mit einem erhöhten Risiko für Infektionen, insbesondere mit Herpesviren, zu rechnen. Der chronische Verlauf und die schubweise Verschlechterung der Befunde können schwere Folgen an den Augen bis hin zur Erblindung haben.
Deshalb sei es wichtig, dass die Betroffenen schon früh auch augenärztlich betreut werden. Um die Beschwerden zu lindern, die Häufigkeit der Schübe zu senken und die Sehfähigkeit zu erhalten, kommen je nach Krankheitsstadium verschiedene Therapieschemata zum Einsatz. Eine konsequente Lidrandpflege, gegebenenfalls ergänzt mit immunmodulatorischen Hautcremes, helfe, Entzündungen und Vernarbungen der Lider zu vermeiden.
Bei der medikamentösen Therapie kommen antientzündliche Medikamente sowohl lokal als auch systemisch zum Einsatz. Nicht selten fehlt es hier an zugelassenen Medikamenten, sodass Augenärzte ihre Patienten häufig über “Off label”-Therapien aufklären müssen. In schweren Fällen sind auch chirurgische Eingriffe an den Augenlidern bis hin zur Hornhauttransplantation notwendig, um das Augenlicht der Patienten zu erhalten.
Fazit
Allergische Augenkrankheiten sind sehr häufig, in den allermeisten Fällen aber gut behandelbar. Nur in seltenen Fällen, vor allem bei chronischen Formen der allergischen Konjunktivitis, ist das Sehvermögen der Betroffenen bedroht.