(Bensheim) – Anlässlich des Welt-Braille-Tages am 4. Januar erinnert die Christoffel-Blindenmission (CBM) an die Bedeutung der Braille-Schrift für blinde und sehbehinderte Menschen. Gerade in Ländern, in denen es Hilfsmittel wie Computer und Vorlesegeräte nicht gibt, ist die 1825 von Louis Braille entwickelte Punktschrift eine wichtige Chance.
Trotzdem sind vor allem in Entwicklungsländern blinde Kinder immer noch häufig vom Schulbesuch ausgeschlossen. Oft fehlen die einfachsten Mittel, sie ihren Bedürfnissen entsprechend auszubilden. „Die Braille-Schrift eröffnet auch heute noch blinden und sehbehinderten Menschen die Welt der Schriftsprache“, betont CBM-Vorstand Dr. Rainer Brockhaus. „Umso wichtiger ist es, dass auch Menschen in Entwicklungsländern Zugang zu ihr erhalten. Dafür setzt sich die CBM in ihren Bildungsprojekten ein.“
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„Ich lese mit den Händen, das ist der einzige Unterschied“
So wie bei Shantona aus Bangladesch: „Ich wünschte mir schon immer, zur Schule zu gehen – eigentlich, seit ich denken kann“, berichtet das 16-jährige Mädchen, das von Geburt an blind ist. Bis vor kurzem aber durfte Shantona noch nicht einmal das Haus verlassen. „Ich fühlte mich nutzlos und ausgeschlossen“, erinnert sich das Mädchen.
Zwei Mitarbeiter des lokalen CBM-Partners Gana Unnayan Kendra brachten Shantona mit einer Selbsthilfegruppe für Menschen mit Behinderungen in Kontakt. Erstmals erfuhr das Mädchen, dass Menschen mit Behinderungen Rechte haben, dass sie arbeiten, Geld verdienen und sogar anderen helfen können. Über die Selbsthilfegruppe schließlich erhielt Shantona ein Stipendium für ein spezielles Internat. Hier lernte sie auch die Braille-Schrift.
Inzwischen geht Shantona sogar auf eine Regelschule: „Dort gibt es Schüler, die mit den Augen lesen, und ich lese halt mit den Händen. Das ist der einzige Unterschied“, berichtet sie stolz. Später will das Mädchen unbedingt einmal Lehrerin werden. „Ich möchte Kinder mit Behinderungen unterrichten, die sonst keine Bildung bekommen würden.“
Braille-Schrift eröffnet bessere Bildungschancen
Weltweit gelten nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation 253 Millionen Menschen als blind oder sehbehindert. Fast 90 Prozent aller Betroffenen leben in Entwicklungsländern. Die Braille-Schrift eröffnet ihnen bessere Bildungschancen und damit die Grundlage für ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben. Sie ersetzt jeden Buchstaben durch eine Kombination von sechs hervorgehobenen Punkten. Mit dem Finger tastend kann ein blinder Mensch in einem ähnlichen Tempo lesen wie ein sehender Mensch geschriebene Buchstaben.
Die Braille-Schrift
Die Braille-Schrift [bʁaj-] wurde von Louis Braille (1809–1852) entwickelt und besteht aus Punktmustern, die, meist von hinten in das Papier gepresst, mit den Fingerspitzen als Erhöhungen zu ertasten sind. Sechs Punkte, drei in der Höhe mal zwei Punkte in der Breite, bilden das Raster für die Punkte-Kombinationen, mit denen die Zeichen (Buchstaben, Ziffern, Leerzeichen, …) dargestellt werden, weshalb die Braille-Schrift auch Punktschrift genannt wird. Bei sechs (binären) Punkten ergeben sich 26 = 64 Variationen; es sind also 64 verschiedene Zeichen darstellbar.
Für die Ausgabe von Texten in Braille-Schrift durch den Computer werden Braille-Zeilen verwendet. Da für die Arbeit am Computer mehr Zeichen notwendig sind, als sich mit sechs Punkten darstellen lassen, werden bei der Braille-Zeile noch zwei weitere Punkte je Braille-Zeichen hinzugefügt, so dass acht Punkte, vier in der Höhe mal zwei in der Breite, zur Verfügung stehen (Computerbraille, spezielle Implementierung: Eurobraille). Auf diese Weise erhält man 28 = 256 Variationen. Die Codierung der Standardzeichen bleibt dabei jedoch gleich, die unterste Zeile bleibt lediglich leer.