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Kolloquium Nr. 55 der Fielmann Akademie

Möglichkeiten der Myopie-Prävention

Ende Juni befasste sich das 55. Kolloquium der Fielmann Akademie Schloss Plön mit dem Thema Myopie – mehr als 150 Zuschauer waren dabei. Obwohl die Myopisierung im asiatischen Raum deutlich stärker voran schreitet als in Europa, steigt auch bei uns das Interesse, der Myopie-Progression bei Kindern entgegenzuwirken.

Myopie Kinder und Kontaktlinsen
Um die Myopie bei Kindern zu verlangsamen, gibt es verschiedene Optionen (Bild: Pexels / Visionpic.net)

Die Präventions-Maßnahmen reichen von Empfehlungen zum Aufenthalt im Freien über Korrektions-Möglichkeiten mit Brillengläsern oder Kontaktlinsen bis hin zur medikamentösen Intervention. Wie gut wirken die unterschiedlichen Ansätze der Myopie-Entwicklung oder -Progression entgegen? Eine Recherche in Pubmed zur Beantwortung dieser Frage habe alleine im letzten Jahr 447 Veröffentlichungen angezeigt, stellte Prof. Dr. Hans-Jürgen Grein, Leiter Wissenschaft der Fielmann Akademie Schloss Plön, die Aktualität und Komplexität des Themas dar.

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Dr. Michael Bärtschi (PhD, M.Sc.Optom., Optometrist; Eyeness Kontaktlinsen-Institut Bern) kennt die Studien und stellte die aus seiner Sicht für den europäischen Markt wichtigsten Ergebnisse vor. Ein Blick nach Asien mache deutlich, wie bedeutend die Auseinandersetzung mit der Myopie als pathogenem Faktor sei. Lange Zeit sei die Fachwelt davon ausgegangen, dass eine Netzhautablösung das Hauptproblem einer hohen Myopie darstelle, heute sei bekannt, dass die myopische Makulopathie sehr viel häufiger auftrete und deutlich gravierender verlaufe.

Das Risiko für eine pathologische Myopie steige mit wachsender Baulänge des Auges. Ein mit –2,00 dpt myoper Kaukasier habe ein 0,8 prozentiges Risiko, an einer myopischen Makulopathie zu erkranken, bei –4,00 dpt liege das Risiko bereits bei 4 %. Je früher die Myopie erkannt werde, desto besser können die Präventionsmaßnahmen wirken.

„Myopie-Prävention ist die kontrollierte Anwendung präventiver Maßnahmen zur nachhaltigen Hemmung des Längenwachstums des Auges zwecks Minimierung krankhafter Folgeschäden“, erklärte Bärtschi und zeigte damit auch gleich die Grenzen der Maßnahmen auf: „Wir können die Myopie nicht heilen.“

Myopie-Prävention mit drei Säulen

Die Myopie-Prävention baue auf drei Säulen. Da sei zum einen die pharmazeutische Intervention durch den Einsatz von Atropin zu nennen. Eine Dosierung von 0,05 % scheine nach heutigem Kenntnisstand das beste Risiko-Nutzen-Verhältnis zu bieten.

Michael Bärtschi - Bern
Michael Bärtschi kennt die Studien zur Myopie-Progression und -Prävention und stellte die aus seiner Sicht für den europäischen Markt wichtigsten Ergebnisse vor

Die zweite Säule basiere auf einer Lifestyle-Anpassung mit mindestens zwei Stunden am Tag draußen spielen. Je jünger die Kinder seien, desto eher lasse sich so eine Myopiesierung vermeiden. Sei ein Kind bereits kurzsichtig, zeige Tageslicht keine Wirkung auf das Augenlängenwachstum und habe ebenso wenig Effekt auf eine Emmetropisierung. „Trotzdem schicke ich die raus“, gestand Bärtschi mit einem Augenzwinkern, helfe Tageslicht nicht zur Hemmung der Myopie, sei das Spielen an der frischen Luft dennoch gut für die Allgemeingesundheit und den BMI.

Die dritte Säule der Myopie-Prävention bilden optische Maßnahmen, wie Brillengläser oder Kontaktlinsen. Brillengläser können in jedem Alter angepasst werden, bei Kontaktlinsen seien die Eltern bei Kindern unter acht Jahren häufig zögerlich. Der Erfolg einer Maßnahme sollte regelmäßig, etwa alle 12 Monate, kontrolliert werden. Werden die gesetzten Ziele erreicht, solle die Maßnahme fortgeführt werden, nur bei Therapie-Versagen lohne es, diese zu wechseln oder zu ergänzen.

Ausstieg aus der Myopie-Prävention

Zur Dauer der Therapie gebe es derzeit keine verlässlichen Daten, somit sei auch der optimale Zeitpunkt für ein Ende der Maßnahmen ungewiss. Jugendliche erlebten im Alter zwischen 12 bis 15 Jahren einen enormen Wachstumsschub, der sich auch im Augenlängen-Wachstum widerspiegele. Eine Beendigung der Therapie vor diesem Zeitpunkt sei möglichst zu verhindern. Bei etwa der Hälfte der Jugendlichen stabilisiere sich die Augenlänge im Alter von 16 Jahren. Erst im Alter von 24 Jahren seien bei etwa 95 % keine Änderungen mehr feststellbar.

Entschieden sich Eltern und Kind für den Ausstieg aus der Myopie-Prävention oder eine Unterbrechung der Maßnahmen, sollte sechs Monate nach Therapie-Ende eine Nachkontrolle erfolgen. Werde der Ausstieg zu früh gewählt, sei oftmals ein Rebound-Effekt zu beobachten: Das Augenlängen-Wachstum schreite schneller voran als vor Therapie-Beginn. Dieser Effekt falle nach Versorgung mit Kontaktlinsen oder Atropin größer aus als nach der Versorgung mit speziellen Brillengläsern.

Um diese These zu untermauern, fehlten derzeit jedoch die Langzeitstudien, so der Experte. Zur Beruhigung sei gesagt, dass ein Wiederbeginn der Therapie sinnvoll möglich ist und meist ein gutes Ansprechen zeige.

Myopie-Kontrolle mit Brillengläsern

„Kinder tragen eine spezielle Brille zur Hemmung der Kurzsichtigkeit, das klingt zu schön, um wahr sein. Ist es so einfach?“, griff Grein den Aspekt der Brillenglas-Korrektur auf und übergab damit das Wort an Dr. Hakan Kaymak (Makula-Netzhaut-Zentrum – MVZ Breyer, Kaymak, Klabe, Düsseldorf). Dieser stellte klar, dass Myopie-Therapie weder die Rückbildung einer vorhandenen Myopie bedeute, noch einen 100 prozentigen Schutz erreiche, „aber wir können die Progression hemmen“.

Mit herkömmlichen Einstärken-Brillengläsern gelinge die Hemmung der Myopie-Progression nicht. Wissenschaftler gehen derzeit davon aus, dass mit herkömmlichen Einstärkengläsern zwar eine scharfe Abbildung in der Fovea erzielt werde, da die Krümmung der Bildschale des Brillenglases jedoch nicht mit der des Auges übereinstimme, resultiere ein hyperoper Defokus in der Netzhaut-Peripherie, welcher einen Wachstumsanreiz bewirke.

Myopie - Dr. Hakan Kaymak
Dr. Hakan Kaymak berichtete zur Möglichkeit von speziellen Myopie-Brillengläsern

Spezielle Brillengläser zur Myopie-Prävention versuchen, den Einfluss des hyperopen Defokus zu reduzieren. Bislang gibt es in Deutschland zwei zur Myopie-Prävention zugelassene Brillengläser: das Brillenglas „Miyosmart“ der Firma Hoya, mit der Technologie „Defocus Incorporated Multiple Segments“ (D.I.M.S), sowie das Brillenglas „Stellest“ der Firma Essilor, mit der Technologie „Highly Aspherical Lenslet Target“ (H.A.L.T).

Brillenglas-Designs

„Miyosmart“ sei ein Einstärkenglas, in dessen Vorderfläche sich neben einem zentralen defokusfreien Bereich hunderte kleine Segmente befinden, die alle einen myopischen Defokus in Höhe von +3,50 dpt abbilden. Durch die Segmente entstehe kein zusammenhängendes Bild, vielmehr eine „Dunstwolke“ vor der Netzhaut, weshalb sie die Abbildung kaum beeinflussen. Da die kleinen Segmente zudem nicht offensichtlich erkennbar seien, fänden die Brillengläser eine hohe Akzeptanz bei Kindern und Jugendlichen. Bei Betrachtung eines Amsler-Gitters durch diese Brillengläser zeige sich, dass die Segmente kaum Verzerrungen verursachten.

Die H.A.L.T-Technologie von „Stellest“ bestehe aus einer Konstellation von 1.021 zusammenhängenden asphärischen Mikrolinsen, die auf elf konzentrische Ringe verteilt seien und so eine zweite Bildschale vor der Netzhaut erzeugen. Die wahrgenommene Verzeichnung in der Peripherie beim Blick auf ein Amsler-Gitter falle etwas stärker auf als mit den Miyosmart-Brillengläsern.

Einen paradoxen Ansatz wähle die Firma SightGlass, die Dellen von 50 Mikrometer Größe in die Brillenglas-Vorderfläche lasere, um so eine Kontrastminderung in der Glasperipherie zu erzeugen. Den Blick durch das Glas beschrieb Kaymak als unscharf, fast wie bei Katarakt. Aus vielen Tierversuchen sei bekannt, dass bereits geringe Störungen der retinalen Bildqualität das Augenlängen-Wachstum deutlich anregten. Auf der ARVO veröffentlichte Ergebnisse bestätigten den Gläsern jedoch eine positive Wirkung hinsichtlich der Myopie-Hemmung, wenn sie dauerhaft getragen werden.

Therapie-Erfolg

Um den Therapie-Erfolg zu bewerten, brauche es ein definiertes Ziel. In der eigenen Praxis habe Kaymak mit seinen Kollegen und Mitarbeitern das physiologische Augenlängen-Wachstum als Ziel für eine erfolgreiche Therapie festgelegt. Dieses Ziel lasse sich inzwischen gut kontrollieren mit Percentilenkurven, die in vielen Biometern oder als Online-Rechner verfügbar seien. Auch vielen Eltern helfe die Visualisierung anhand dieser Kurven, die aus anderen Fragestellungen im Rahmen der kinderärztlichen U-Untersuchungen bereits mit solchen Kurven vertraut seien.

Das erklärte Ziel „physiologisches Augenlängen-Wachstum“ könne durch die Anpassung der Miyosmart-Brillengläser gut erreicht werden, teilte der Experte seine Erfahrung. Im Fall einer therapeutischen Lücke ergänze er die Versorgung durch Atropin 0,025 %. Kinder und Jugendliche, die den Wunsch nach Brillen-Unabhängigkeit anstreben, empfehle er Kontaktlinsen mit hoher Addition oder für den Wunsch nach Brillen-Freiheit eine Orthokeratologie-Versorgung. Die Vielfalt an Korrektions-Möglichkeiten erlaube die optimale Anpassung der Myopie-Prävention an die Bedürfnisse der Kunden und verbessere so die Therapie-Adhärenz.

Multifokale Kontaktlinsen in der Myopie-Prävention

Über den Mehrwert von Kontaktlinsen auf die Myopie-Entwicklung berichtete Frank Widmer (Dipl.-Ing. (FH) Augenoptik; Geschäftsführer, Produktentwicklung und Anwendungstechnik, Hecht Contactlinsen GmbH, Au bei Freiburg). Frühe Theorien zur Myopie-Entwicklung stellten die These auf, dass zentrale Bildunschärfe das Augenlängen-Wachstum anrege. Kindern mit Akkommodationsschwäche oder Nahesophorie seien daher Gleitsichtgläser zur Wachstums-Hemmung des Auges angepasst worden.

Aus diesen Überlegungen stamme die Idee, auch multifokale Kontaktlinsen zur Myopie-Prävention einzusetzen. Während sich die Wirkung von Gleitsichtgläsern auf eine Verlangsamung des Augenlängen-Wachstums oder der Brechwert-Entwicklung nicht bestätigen ließ, habe ein positiver Effekt mit multifokalen Kontaktlinsen belegt werden können. Verschiedene Studien geben die Progressions-Minderung mit 30 % bis 50 % an.

Myopie Kontaktlinsen - Frank Widmer
Frank Widmer referierte über den Mehrwert von Kontaktlinsen auf die Myopie-Entwicklung

Die BLINK-Studie habe einen signifikanten Zusammenhang zwischen Therapie-Erfolg und Höhe der Addition der multifokalen Kontaktlinse gezeigt. Verglichen worden sei die Progressions-Hemmung mit den Additionswirkungen +2,50 dpt und +1,50 dpt. Mit einer Addition von +2,50 dpt konnte ein um 30 % stärker reduziertes Augenlängen-Wachstum beobachtet werden, als mit der schwächer wirkenden Linse.

Wie bei den Brillengläsern sei der Erfolg der Kontaktlinsen zudem abhängig von der Tragedauer. Bei Tragezeiten von unter fünf Stunden am Tag könne von einer Verringerung der Myopie-Progression von gerade mal 25 % ausgegangen werden, während diese sich bei einer Tragdauer von täglich mehr als sieben Stunden bereits auf 58 % erhöhe.

Ortho-K

Die Orthokeratologie ist eine weltweit eingesetzte und erfolgreiche Möglichkeit, das Voranschreiten der Myopie zu bremsen. Klinische Studien belegen eine signifikante Progressions-Hemmung um durchschnittlich 35 % bis 55 %. Ortho-K-Linsen weisen ein mehrkurviges Design auf, wodurch ein unterschiedlich dickes Tränenfilmprofil zwischen Linsenrückfläche und Hornhaut entstehe. Hydrostatisch wirkende Kräfte sorgen dafür, dass das Epithel im Zentrum dünner werde, während es sich in der mittleren Peripherie verdicke. In diesem Bereich werden die Hornhautradien steiler.

Diese Umformung bewirke die Entstehung eines „Plusrings“, dessen myopische Defokussierung auf der Netzhaut der Mechanismus zu sein scheine, der das Längenwachstum mindere, erklärte Widmer. Zudem gebe es einen Zusammenhang zwischen der Pupillengröße und der Wirksamkeit von Ortho-K-Linsen. Die Effektivität der Otho-K-Linsen war am erfolgreichsten, wenn der „Plusring“ innerhalb der Pupillen positioniert war. Personen mit größeren Pupillen profitieren demnach mehr als Personen mit kleinen Pupillen. Diesen Vorteil bezahlen sie jedoch damit, dass sie subjektiv spürbare Kontrast-Einbußen hinnehmen müssen.

Alle Studien zur Myopie-Prävention mit Ortho-K-Linsen zeigen, dass die therapeutische Wirksamkeit mit zunehmendem Lebensalter abnehme, weshalb ein früher Beginn bereits ab dem sechsten Lebensjahr zu empfehlen sei, ermutigte Widmer zum frühen Einstieg in die Kontaktlinsen basierte Myopie-Prävention.

 

Das 56. Kolloquium der Fielmann Akademie Schloss Plön findet wieder als Web-Seminar statt, voraussichtlich am 16. November 2022 zum Thema „Rotes Licht und dessen Wirkung auf die Augengesundheit“.

 

Quelle: Fielmann Akademie Schloss Plön

 

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