18 Monate Corona-Pandemie: Silvester 2019 wurde zum ersten Mal das Auftreten einer „mysteriösen Lungenkrankheit“ im chinesischen Wuhan gemeldet (Quelle: APA/dpa). Im Januar 2020 infizierte sich ein 33-Jähriger aus Bayern, das Virus breitete sich aus. Am 18. März 2020 sprach eine besorgte Bundeskanzlerin im Fernsehen zum deutschen Volk. Vier Tage später der erste Lockdown, weitere folgten mit Homeschooling und Homeoffice, Einschränkungen der Reisefreiheit und der Grundrechte.
Knapp eineinhalb Jahre später entspannt sich die Situation weitgehend. Dank der Impfungen. Etwas Normalität kehrt zurück. Was haben wir aus dieser Ausnahmezeit, die hoffentlich eine solche bleiben wird, gelernt? Welche Erkenntnisse gewonnen? Und was davon darf bleiben? Eine Umfrage nicht nur innerhalb der Branche.
Hülya Yig-Özgen, Augenoptikerin, Brille auf Rädern:
„Die Herausforderungen für mich als Unternehmerin und Mutter waren groß. Mein Mann und ich mussten unsere Töchter – 6 und 14 Jahre alt – psychisch auffangen, konnten das aber sehr gut meistern. Homeoffice und Homeschooling führten dazu, dass ich mehr Anfragen bekam und auch mein Marketing dementsprechend veränderte. Die Menschen beschäftigten sich mehr mit ihrem Körper und ihren Augen. Die vergangenen Monate bestätigten mich darin, dass unser Beruf wertvoll ist – gutes Sehen ist unverzichtbar, egal was passiert.“
Stephan Hinkerode, Head of UK, Nordics und DACH Marcolin:
„2020 war ein herausforderndes Jahr, in dem Marcolin sich jedoch viel bewegt hat. Wir haben an neuen Projekten gearbeitet, von denen bereits viele umgesetzt wurden und weitere in den kommenden Monaten folgen werden. Wir schauen mit großer Zuversicht nach vorn und arbeiten für unsere Kunden mit den für unser Unternehmen typischen Stärken: Anpassungsfähigkeit, Schnelligkeit im Handeln und prompte Reaktion auf die sich ändernden Situationen und Märkte.“
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Prof. Wolfgang Ertel, Institut für Künstliche Intelligenz, Hochschule Ravensburg-Weingarten:
„Ich habe gelernt, dass wir durchaus in der Lage sind, unser Leben zu ändern, wenn nötig. Und dass es uns guttut, wenn etwas mehr Ruhe in unser Leben kommt. Vor Corona wurde im Notfall mit großen Mühen ein dienstliches Treffen online abgehalten. Jetzt ist das ganz normal und eine weite Dienstreise zu einem Treffen die Ausnahme. Das spart Zeit, Geld und schützt die Umwelt.“
Thomas Truckenbrod, Präsident ZVA:
„Gelernt habe ich, dass ein gut organisierter Geschäftsbetrieb, egal ob im eigenen Laden oder beim Verband, förderlich für eine flexible Reaktion auf ungewöhnliche Ereignisse ist. So ist es uns berufspolitisch gelungen, die Augenoptik als systemrelevanten Beruf zu positionieren. Damit konnte jeder Unternehmer frei darüber entscheiden, ob und in welchem Maße er den Betrieb öffnet und welche Dienstleistungen er anbietet.“
Victoria Stefan, Augenoptikerin/ Optometristin Master of Science, Berlin:
„Was mich berührt, ist die Menschlichkeit, die ich seit der Pandemie erlebe. Ob Freunde, Verwandte oder auch Kunden – man passt nun viel mehr aufeinander auf. Diese außergewöhnlichen Zeiten haben mir gezeigt, dass scheinbar selbstverständliche Dinge, wie Freunde treffen, Restaurants und Kinos besuchen, eben nicht selbstverständlich sind.“
Jochen Hirschfelder, EDV-Optik Partner GmbH:
„Das OPA-Team konnte in der Krise gut im Homeoffice weiterarbeiten, da wir kurz zuvor auf eine digitale Telefonanlage umgestiegen sind. In der Kommunikation mit unseren Anwendern nutzten wir schon immer alle Wege. Wir bevorzugen intern und mit Anwendern einen persönlichen Weg, haben aber gelernt, dass eine umfangreiche und ausgereifte IT, EDV und digitale Kommunikation mittlerweile unabdingbar sind.“
Sigrid Meuselbach, Coach, Speaker, Autorin:
„Ich habe eine Weile gebraucht, um zu merken, dass hinter dem Verlust auch ein Gewinn stecken kann. Der plötzliche Wegfall von Terminen, das Runterschalten um mehrere Gänge und das Innehalten nach jahrelang gewohnter, perfektionierter Hektik habe ich nach einer Phase der Irritation und Beängstigung als wohltuend erlebt. Statt Selbstzweifel und Zukunftsangst jetzt also Zeit für lange Lektüre auf der Couch, Familienabende ohne Blick auf die Uhr, Binge Watching und das Genießen berufsferner Dinge, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.“
Prof. Dr. Tobias Kollmann, Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für E-Business und E-Entrepreneurship:
„Die Corona-Krise hat uns neben der Wichtigkeit von Gesundheit die Notwendigkeit der Digitalisierung vor Augen geführt. Es war für viele Marktteilnehmer ein harter Prozess, die zugehörigen Mindestanforderungen an ein Digital Business so schnell zu erfüllen. Was jetzt nicht passieren darf, ist die Versuchung, nach Corona alles wieder auf analog zurückzustellen. Der Weg der Digitalisierung muss konsequent weitergegangen werden, denn der Kunde hat sich inzwischen daran gewöhnt und der digitale Wettbewerb wird weiterhin hart bleiben.“
Giovanni Vitaloni, Präsident der Mido:
„Das wichtigste Learning aus der Pandemie: Substanz ist wichtiger als Oberfläche. Wir werden in Zukunft stärker auf dem Boden der Tatsachen stehen und konstruktiv und sehr transparent denken müssen. Die Bedeutung persönlicher Beziehungen ist uns bewusster geworden. In diesen turbulenten Monaten konnten wir mit der Mido 2021 eine digitale Veranstaltung mit großem Erfolg organisieren. Doch das physische Erlebnis ist nach wie vor entscheidend und die Mido 2022 (12.-14. Februar) wird nicht nur dem Brillengeschäft helfen, sondern die Chance sein, unsere menschlichen Beziehungen wieder aufzubauen.“
Selina Knebel, Bundessiegerin im Praktischen Leistungswettbewerb Augenoptik 2020:
„Carpe diem – Nutze den Tag. Eine Floskel, die wohl jeder schon verwendet hat. Doch mit der Pandemie hat diese Metapher für mich eine andere Bedeutung bekommen. Ich nehme Alltäglichkeiten nun viel bewusster wahr: Essen gehen, Kinobesuche, Schwimmen, usw. Eigentlich nur Kleinigkeiten, die jetzt jedoch viel wertvoller geworden sind. Auch den Kontakt zu Freunden oder Bekannten weiß ich mehr zu schätzen als noch bis vor einigen Monaten. Denn das Leben kann sich so schnell ändern. Also genieße ich das Hier und Jetzt umso mehr.“
Christoph Hinnenberg, Geschäftsführer Carl Zeiss Vision GmbH und Leiter Vertrieb / Marketing DACH Zeiss Vision Care:
„Covid-19 brachte für Zeiss zwei wesentliche Erfahrungen. Wir haben gemeinsam mit unseren Kunden erlebt, dass sich ein Markenversprechen besonders dann bewähren muss, wenn es schwierig wird. Mit voller Erreichbarkeit, voller Lieferfähigkeit und den richtigen Services konnten wir die Beziehungen zu Kunden stärken und neue Kunden gewinnen. Digitalisierung erfährt einen Push – vom Produkt bis zum Service.“
Prof. Dr. Irina Rosa Kumschick, Arbeitsbereich Entwicklungspsychologie, Institut für Professions- und Unterrichtsforschung, PH Luzern:
„Die fast schon vergessene Angst vor Infektionskrankheiten ist zurückgekehrt. Von einem Tag auf den anderen hat die Politik Einschränkungen verordnet. Es wurde sichtbar, dass sich der Mensch an neue Situationen anpassen kann und dabei sehr kreativ ist. Friedhofsspaziergänge ersetzten Ausstellungen, Singen auf dem Balkon Konzerte, Tanzen in der Küche den Club und Kongresse fanden über Zoom statt. Ich habe gelernt, digitale Möglichkeiten zu nutzen und zu gestalten. Digitale Medien werden von Tag zu Tag smarter. Den Zauber des analogen menschlichen Zusammenseins erreichen sie jedoch nie.“
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Veronika Wildgruber, Eyewear and Design Projects:
„Ich habe die Krise genutzt, um alle Geschäftsbereiche zu mir nach Berlin zu holen und neu aufzustellen und auch einen Teil der Produktion nach Deutschland zu holen. Ich leite meine Marke nun komplett selbstständig und das Krisenjahr hat mir die Zeit gegeben, in diese Rolle zu wachsen und eine eigene Struktur aufzubauen.“
Josef May, Vorsitzender von Spectaris:
„Meine Erfahrung aus der Pandemie? Bei aller Hektik und Betriebsamkeit zwischendurch einfach mal innehalten und tief Luft holen. Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und dies auch klar zu kommunizieren. Zu erfahren, dass digitale Wege gut funktionieren, aber persönliche Gespräche und Begegnungen nicht ersetzen können. Und dass Gesundheit doch das Wichtigste von allem ist.“
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Ellen Fries, Head of Marketing und Professional Service, Menicon:
„Die Pandemie hat sich zum Beschleuniger der Digitalisierung entwickelt. Ich staune, was man online alles machen kann und wie schnell das plötzlich möglich wurde. Ich war ab März 2020 im Homeoffice, bin gesund geblieben und hatte kaum finanzielle Einbußen. Dafür bin ich sehr dankbar und fühle mit allen Menschen, die es nicht so einfach hatten. Beruflich freue ich mich über die ersten Präsenz-Meetings mit Kollegen und Kunden seit über einem Jahr und über die aktuell sehr rege Aufbruchstimmung bei Menicon und auch bei vielen Kunden.“
Katja Ebstein, Schlagerikone und Brillenträgerin des Jahres 2021:
„Gelernt habe ich etwas sehr Schmerzhaftes: Wie gleichgültig die politische Klasse der Kunst und der Kultur gegenübersteht. Wie wenig sie das Futter für die Seele begreift, das die Menschen brauchen und das wir Künstler geben. Doch ohne Kunst keine Freiheit.“
Klaus Plaschka, Geschäftsführer GHM Gesellschaft für Handwerksmessen als Veranstalter der opti:
„Heute weiß ich, dass man auch in sehr schwierigen Zeiten eine ganze Menge selbst in der Hand hat. Die Möglichkeiten, die wir in vermeintlich aussichtslosen Situationen haben, sind immer noch enorm: Selbstwirksamkeit statt Ohnmacht! Ich habe gelernt zu erkennen, wo ich auch im Kleinen wirksam werden kann, um das Spiel wieder zu drehen. Dieses Wissen hat meine Sichtweise auf die Dinge zum Positiven hin verändert. Die Krise hat uns durch die zwangsweise stärkere Integration des Privatlebens in den beruflichen Alltag zudem menschlich deutlich nähergebracht. Ich habe das persönliche Miteinander mit Kollegen wie Kunden trotz Distanz phasenweise intensiver empfunden!“
Petra Lindner, Optometristin und Coach:
„Die Wertschätzung selbstverständlich geglaubter Dinge ist deutlich gestiegen. Die Besinnung auf das Wesentliche – was brauche ich wirklich, sowohl monetär als auch gesellschaftlich – hat die Sicht auf viele Dinge verändert. Auch funktioniert online lernen sehr gut! Erfolgreiche Augenoptiker*innen sind für diese Angebote offen und bleiben nicht stehen, nur weil der eingetretene Pfad gerade nicht zu betreten ist. „Fix the roof while the sun is shining” – wusste schon John F. Kennedy. Ein key learning ist, sich in guten Zeiten optimal aufzustellen, das Geschäftskonzept zu überdenken und sich immer wieder zu hinterfragen.“
/// JUEB
Beitrag aus der eyebizz 5.2021 (August/September)