Augenoptik im Fernsehen: Brillenkauf, Marktcheck, immer wieder Fielmann
von Uwe Hannig,
Mit Millionen Zuschauern ist das Fernsehen immer noch Medium Nummer eins. Wie hier über Augenoptiker*innen gesprochen, geurteilt und für sie geworben wird, prägt das Bild der Branche. Im dritten Teil der Serie zeigt Uwe Hannig, wie unangemessen der Beruf im TV abgebildet wird und wie der Marktführer hier dominiert. Exklusiv für eyebizz präsentiert der Autor die wichtigsten Ergebnisse seiner Bachelorarbeit im Studiengang Augenoptik/ Optometrie und stellt sie zur Diskussion.
„90 % kennen seinen Namen: Günther Fielmann. Kein Wunder, die Werbestrategen haben ganze Arbeit geleistet.“ Zu Beginn der ZDF-Dokumentation „Das Fielmann-Imperium“ erklärt der Wirtschaftsexperte Prof. Manfred Schwaiger: „Zu Brille fällt uns Fielmann ein, weil wir so konditioniert sind (…) und diese Werbung so oft gesehen haben. Brille: Fielmann.“
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Zweifellos kennen die meisten Menschen in Deutschland die Werbefilme, die im Stil einer Straßenbefragung gedreht werden, immer mit „Brille:“ beginnen und stets mit „Brille: Fielmann“ enden. Ist das aber der einzige Grund für den hohen Bekanntheitsgrad des Unternehmens?
Prägt Fielmann das Branchenbild?
Schaut man sich die unterschiedlichen Informations- und Ratgebersendungen zur Augenoptik im Fernsehen an, entsteht schnell der Eindruck, dass die Medien – allen voran die Öffentlich-Rechtlichen – einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass die Branche vor allem mit Fielmann assoziiert wird. Sie reproduzieren häufig die Bilder, die der Konzern von sich selbst in Umlauf bringt.
Viele der Verbraucher- und Informationssendungen entstehen im Nachgang der Untersuchungen der Stiftung Warentest und beziehen sich auf deren Ergebnisse (siehe eyebizz 2.2021). Stellvertretend sei hier die Sendung „Die Ratgeber“ des Hessischen Rundfunks vom Mai 2019 genannt („Augen auf beim Brillenkauf: Online oder im Ladengeschäft?“), in der fälschlicherweise Fielmann zum Testsieger ausgerufen wurde. Ein eigener Test mit einer einzigen Testkundin kommt zum Ergebnis, dass der Service der Online-Anbieter unzureichend sei und große Qualitäts- und Preisunterschiede bei den Brillengläsern existieren würden.
Was Zuschauer über Augenoptik erfahren
Für den vorliegenden Artikel wurden über 20 Sendungen von ARD, ZDF, den Dritten Programmen sowie privaten Sendern analysiert. Fast alle führen eigene Tests durch, die allerdings weder repräsentativ sind noch wissenschaftlichen Standards entsprechen. Obwohl Online-Anbieter und Augenoptikketten dem Branchenbericht der Augenoptik zufolge nicht einmal 20 % der Betriebsstätten ausmachen, werden sie am häufigsten getestet. Auffällig ist, dass inhabergeführte Augenoptikfachgeschäfte in den meisten Sendungen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Das wichtigste Kriterium bei den Tests ist meist der Preis.
Eine Sendung fragt z.B. provokant, ob es ein „Discounter-Modell oder teure Maßanfertigung“ sein soll, als ob es sich bei Brillen um Anzüge und nicht um medizinisch notwendige Sehhilfen handeln würde. Gleitsichtbrillen werden als ein „kostspieliges Luxusobjekt“ bezeichnet. Unterschwellig wird der Eindruck vermittelt, man bekäme die gleiche Qualität zu sehr unterschiedlichen Preisen.
„Was bedeutet die mediale Omnipräsenz von Fielmann für das Image der Branche?“
Augenoptikermeister*innen aus inhabergeführten Geschäften fungieren gelegentlich als Experten, die die Arbeit der getesteten Betriebe beurteilen. Auch wenn man das positiv interpretieren wollte, bleibt bei den Zuschauern lediglich der Testsieger in Erinnerung – meist Fielmann oder Apollo. Die angewendeten Testverfahren und -bedingungen sind teilweise problematisch. In der ARD-Sendung „Dienstleistungscheck Optiker“ vom Oktober 2019 werden die Tests bei Fielmann und Apollo z.B. angekündigt. Obwohl Fielmann die Drehgenehmigung verweigert hatte und somit kein direkter Vergleich gezogen werden konnte, wurde Apollo aufgrund der persönlichen Erfahrung einer Testkundin zum Testsieger erklärt.
Lichtblick bei einigen Dritten Programmen
Inwiefern die konsultierten Experten über nötige Qualifikationen und Unabhängigkeit verfügen, ist unklar. In der NDR-Sendung „Visite“ vom April 2019 wurde eine Augenärztin zum Thema Brillengläser konsultiert, die ungenaue und teilweise falsche Auskünfte gibt. Dass in einem Kernbereich der Augenoptik nicht ein Augenoptikermeister zu Wort kommt, hinterlässt einen schlechten Eindruck. Insgesamt werden die eigentlichen Kompetenzen von Augenoptiker*innen und die Vielfalt des Berufs in den Ratgebersendungen nicht angemessen abgebildet. Nicht selten werden sie als „Verkäufer“ oder „Berater“ bezeichnet.
Positiv heben sich einige aktuelle Sendungen der Dritten Programme ab, in denen auf die Bedeutung von sehr guten fachlichen Qualifikationen bei Refraktionen hingewiesen wird (SWR, Marktcheck, 31.3.2020 und HR, Die Ratgeber, 8.9.2020). Die Kreativität und die Schönheit des Berufs wird in zwei sehr unterschiedlichen Sendungen vermittelt: Der SWR zeigt in „Handwerkskunst“, wie „man eine Brille aus Büffelhorn macht“, während in der Doku-Reihe „Lohnt sich das?“ des Bayerischen Rundfunks eine sympathische Augenoptikermeisterin vorgestellt wird, die sich selbstständig gemacht hat. Angesichts der Tatsache, dass viele dieser Sendungen einen geringen Marktanteil haben, bleibt ihre Breitenwirkung für das Image der Augenoptik sicherlich gering.
Die Fernsehpräsenz des Marktführers
„Stellen Sie sich vor, Sie pflanzen einen Baum und die Bundeskanzlerin kommt vorbei und hilft Ihnen. Diesem Mann ist das tatsächlich passiert, denn er hat den deutschen Brillenmarkt revolutioniert, Herr Fielmann wirbt mit Qualität zu Tiefstpreisen.“ Was nach einer vermeintlich witzigen Geschichte klingt, ist der Einstieg in eine Folge der beliebten Infotainment-Sendung „Galileo“ von Pro Sieben aus dem Jahr 2016.
Drei Jahre später blickten mehrere Medien anlässlich des 80. Geburtstags des Gründers auf die Erfolgsgeschichte des börsennotierten Unternehmens zurück. Eine kritische Auseinandersetzung sucht man in den meisten dieser journalistischen Beiträge vergeblich. Vielmehr wird das Selbstbild des Gründers, der sich als Altruist und Umweltfreund darstellt, größtenteils unkritisch wiedergegeben. Dies gilt insbesondere für seine Geschäftsidee, möglichst viele günstige, doch modische Brillen auf Rezept zu verkaufen und dies als eine Wohltat für die Allgemeinheit zu vermarkten.
Wurden Kassenbrillenträger jemals diskriminiert?
Die ZDF-Doku „Das Fielmann-Imperium“ gibt Günther Fielmanns Behauptung ungeprüft wieder, dass frühere Träger von Kassenbrillen diskriminiert worden wären: „(…) sie trugen sozusagen den Nachweis ihres niedrigen Einkommens auf der Nase.“ Das Unternehmen habe demnach den Augenoptikermarkt revolutioniert, die Diskriminierung beendet. Auf der firmeneigenen Homepage liest sich das ähnlich: „Es ist die historische Leistung des Unternehmens, die Diskriminierung per Sozialprothese abgeschafft zu haben.“ Als Beleg dienen die Aussagen von Mitarbeitern und Weggefährten Fielmanns wie dem Regionalchef der AOK Esens (Niedersachsen). Die Frage, ob es diese Diskriminierung von Kassenbrillenträgern jemals gegeben hat, wird von den Journalisten nicht gestellt.
Ebenso wenig wird der Wahrheitsgehalt der Anekdoten über die Anfangsjahre des Gründers überprüft, in denen er als Opfer neidischer Mitbewerber erscheint. Die angeblich Porsche fahrenden klassischen Augenoptiker, die Fielmann als „Kartell“ bezeichnete, wirken so als unfaire Mitbewerber, die vor kriminellen Handlungen nicht zurückschreckten. Er hingegen erscheint wie ein fairer Geschäftsmann, der mit weniger Gewinnmarge auch „gute Geschäfte“ gemacht habe. Am Ende des Galileo-Beitrags wird eine Art „Win-Win-Situation“ suggeriert: „Der Deal mit den Krankenkassen hat Günther Fielmann reich gemacht und uns eine schöne Auswahl an Brillen beschert.“
Fairness verbesserungsfähig
Beide Sendungen ähneln sich stark in Aufbau und Inhalt und zeigen die gleichen Filmsequenzen und Interviewpartner. Sie erzählen die Geschichte von Fielmanns Aufstieg zum Marktführer, gehen auf die Ausbildungsstätte in Schloss Plön und das Produktionszentrum in Rathenow ein, führen aber auch Tests durch (Service, Qualität und Mitarbeiter-Fairness). In einem Test mit Sonnenbrillen (!) überprüft Galileo, ob vom Unternehmen „Qualität zu Tiefstpreisen“ angeboten wird, wie es die Werbung verspricht. Trotz einzelner Schwächen ziehen beide Sendungen eine positive Bilanz: Der Marktführer kann demnach vor allem mit Service punkten (Zufriedenheitsgarantie und Geld-zurück-Garantie).
„Wenn es um die positive Imagepflege geht, sind auch die Augenoptiker*innen selbst gefragt.“
Während bei Galileo die firmeneigene Ausbildungsakademie und die Produktionsstätte in Rathenow ausschließlich positiv dargestellt werden, äußern sich beim ZDF eine ehemalige Mitarbeiterin und eine Gewerkschaftlerin der IG Metall kritisch über die dortigen Arbeitsbedingungen, die Vorgaben, die Kontrollen und den Druck. Das ZDF-Fazit hinsichtlich der Fairness fällt milde aus: „verbesserungsfähig“. „Das Fielmann-Imperium“ zeigt gegen Ende ebenfalls die Baumpflanzaktion mit der Kanzlerin und erwähnt, dass das Unternehmen Forschung, Medizin und Naturschutz fördere sowie Schulen und Kindergärten unterstütze. Zudem züchte der Firmengründer Brillenschafe, die vom Aussterben bedroht seien. Trotz der geäußerten Kritik bleibt ein positives Bild haften.
Günstigster Preis als Maßstab aller Dinge?
Welches Image der Augenoptik ergibt sich aus den untersuchten TV-Sendungen? Ähnlich wie bei Stiftung Warentest liegt der Fokus der Tests und der Berichterstattung auf den Augenoptikketten und Online-Anbietern. Der vermeintlich günstigste Preis wird zum Maßstab aller Dinge erklärt. Klassische Augenoptiker und das Handwerk an sich werden in ihrer Vielfalt nicht abgebildet. Die beliebten Tests sind hinsichtlich der Repräsentativität, Objektivität, Transparenz und Nachvollziehbarkeit hochproblematisch. Die sogenannten Marktchecks scheinen mehr der Unterhaltung als der Informationsvermittlung zu dienen.
Unabhängig davon, um welches Format es sich handelt (Verbraucher- und Ratgebersendung, Dokumentation, Infotainment), Fielmann wird tendenziell positiv dargestellt und darf scheinbar in keiner Sendung fehlen. Hinzu kommt die TV-Werbung des Unternehmens, zu der neben den „Straßenbefragungen“ auch die Kampagne „Der Kunde bist Du“ gehört. Während bei den Straßenbefragungen das Hauptargument der gefühlt niedrige Preis ist („billig“), wird in der neuen Werbestrategie der Blick auf die Beratung gelenkt. Die Mitarbeiter des Unternehmens zeigen – so die Werbung – seit ihrer Kindheit Eigenschaften, die sie für eine „Service-Expertin“ und einen „Qualitäts-Tester“ prädestinieren. Dass dabei Geschlechterrollen klischeehaft reproduziert werden, scheint ebenso wenig zu stören, wie die mangelnde Diversität bei den „Zufallsbefragten“ – in neun von 20 Filmen kommen junge, sympathische Frauen zu Wort. Viele gesellschaftliche Gruppen, die auch zum Kundenkreis des Unternehmens gehören, kommen nicht vor. Die abschließende Frage also: Welche Konsequenzen hat diese Omnipräsenz von Fielmann in den Medien für das Image der Branche?
In seiner Werbung versucht das Unternehmen das Bild zu vermitteln, dass die Kunden bei ihm die günstigsten Preise finden und ihnen nichts „aufgeschwatzt“ wird. Im Umkehrschluss heißt das, bei anderen Augenoptiker*innen passiere genau das: Produkte würden Kunden zu überhöhten Preisen aufgedrängt.
Fazit
Schwerwiegend erscheint, dass inhabergeführte Augenoptikergeschäfte kaum die Gelegenheit bekommen, sich in den Medien positiv darzustellen. Über den Verdrängungswettbewerb wird ebenfalls nicht berichtet. Während viele Kunden und auch die Medien selbst das „Geschäfte-Sterben“ in den Innenstädten beklagen und sich darüber echauffieren, dass Einkaufszonen wegen der starken Präsenz von Ketten überall gleich aussehen, tragen sie mit ihrem Verhalten genau zu dieser Entwicklung bei. Vonseiten der Branchenvertreter ist hier nichts zu vernehmen: weder Kritik an den unausgewogenen Berichten und Tests noch die Aufforderung, den augenoptischen Markt besser abzubilden.
Wenn es um die positive Imagepflege geht, sind auch die Augenoptiker*innen selbst gefragt. Zweifelsohne verfügt keiner über die Möglichkeiten und den Werbeetat des Marktführers. Aber auch dort hat man klein angefangen. Außerdem haben sich die Marketingoptionen durch die technische Entwicklung und Social Media enorm verändert. Zahlreiche Instagram- und YouTube-Stars sowie Influencer zeigen, dass vielfach nicht das Geld, sondern Ideen für den Erfolg von Imagekampagnen und Werbestrategien entscheidend sind. ///
Uwe Hannig (*1976) ist Augenoptiker aus Leidenschaft. Er hat den Meister in der „berühmt-berüchtigten Holzbaracke“ des ZVA-Fortbildungszentrums in Köln-Bayenthal gemacht und sich in der Funktionaloptometrie weitergebildet. Beim Sport kommen dem Crosstriathleten und Langstreckenschwimmer die besten Ideen, zum Beispiel die, noch ein berufsbegleitendes Studium in Augenoptik und Optometrie an der FH Aachen/Akademie der Augenoptik dranzuhängen. Mittlerweile hat er seinen Bachelor of Science (B.Sc.) in der Tasche und freut sich, die Ergebnisse seiner Abschlussarbeit einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen zu können.