Als Marktforscherin verfolgt sie die Entwicklungen im augenoptischen Markt sehr genau. „Und wenn dann noch das Stichwort ‚Studie’ fällt, werde ich natürlich hellhörig“, so Elke Dobisch, und schon startete sie den Selbstversuch bei www.brillen.de. Diesen Beitrag finden Sie ab 1. September auch in unserem EYEBizz-Magazin!
Protokoll eines Brillenkaufs beim Hybridoptiker www.brillen.de
Tag 1 Als im Internet mal wieder das Angebot von brillen.de aufpoppt: Teilnahme an der Gleitsichtstudie, verbunden mit dem Kauf einer Gleitsichtbrille für 249 Euro, beschließe ich, das endlich mal auszuprobieren. Gedacht – getan: Per Link gelange ich zur Augenoptikersuche, wähle ein Geschäft in der Nähe und melde mich bei brillen.de an.
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Keine fünf Minuten später werde ich angerufen. Der Augenoptiker meiner Wahl sei über Wochen ausgebucht, ich könne aber in zehn Tagen einen Termin in einem anderen Geschäft bekommen. Ist mir auch recht, ich kenne schließlich keinen von beiden. Umgehend erhalte ich per E-Mail die Terminbestätigung „beim Optikermeister“.
Tag 10 Was habe ich mir da angetan? Es ist der bislang heißeste Tag des Jahres und ich habe nicht die geringste Lust, in der Mittagshitze quer durch die Stadt zu fahren, um eine Brille zu kaufen. Ich rufe an, um den Termin wenigstens auf den Vormittag zu legen, das ist aber leider nicht möglich. Na gut, pacta sunt servanda. Ohne Termin wäre ich heute sicher nicht dort hingefahren. Aber zu diesem Augenoptiker wäre ich so oder so nie gegangen, liegt er doch absolut nicht in meinem normalen Einzugsgebiet.
Im Geschäft befindet sich das Sortiment von brillen.de in einem Kämmerchen abseits des normalen Angebots. Auch optisch unterscheidet sich dieser Bereich klar vom Rest des Ladens: nüchtern, in Weiß und Grün gehalten und ohne jeden Schnickschnack. Ich kann mich erst einmal ein paar Minuten allein mit den Fassungen beschäftigen. Die Wow!-Brille, die mich auf dem Heiratsmarkt nach vorne bringt, ist allerdings nicht dabei. Nach der Beratung bleiben von meiner Vorauswahl zwei von sechs Fassungen übrig, die ich tragen könnte, ergänzt durch eine dritte auf Vorschlag der Augenoptikerin. Außerdem ist eine der wenigen Sonnenbrillen ganz okay, eine Kunststofffassung ohne Nasenpads mit großen Gläsern. Das ist mir immer besonders wichtig.
Angeregt durch den ausliegenden Flyer „Aller guten Dinge sind 3“ (Angebot: Beim Kauf einer Gleitsichtbrille kann man eine zweite Gleitsicht- oder Officebrille plus eine Sonnenbrille zum Paketpreis von 249 Euro dazu kaufen) entscheide ich mich spontan für die Sonnenbrille. Ein Anruf der Augenoptikerin bei brillen.de und ich bekomme dieses Angebot: Die erste Gleitsichtbrille als Sonnenbrille mit einem Aufpreis von 25 Euro für die farbigen Gläser. Das Zusatzbrillen-Angebot kann ich dann noch nachträglich bis Ende November in Anspruch nehmen. Das finde ich sehr fair, kann ich doch so die Brillengläser ohne großes Risiko erst einmal ausprobieren. Bei einer Sonnenbrille bin ich eher bereit, eventuelle Abstriche bei Design und Sehkomfort in Kauf zu nehmen, da ich sie deutlich seltener trage. Und im anstehenden Strandurlaub werde ich sie ausgiebig testen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ich hier meine gewohnte Qualität erhalte.
Die Augenoptikerin checkt zunächst die Werte meiner aktuellen Brille anhand der Brillengläser und erkundigt sich lediglich, ob ich noch Fragen habe, grundsätzlich wisse ich über Gleitsichtgläser ja Bescheid. Ja, habe ich, nämlich nach der Marke der neuen Brillengläser. Antwort: brillen.de, Eigenfertigung. Daher der günstige Preis, weil der Zwischenhandel entfalle. Dann werden mir noch dünnere Gläser angeboten (abgelehnt, weil bei der Sonnenbrille sowieso nicht sichtbar und vom Gewicht her kaum wahrnehmbar) und Lotusbeschichtung für 10 Euro (angenommen – ich akzeptiere alles, was das Putzen – egal wovon – erleichtert). Ich frage nach kontraststeigernden Gläsern. Die bietet brillen.de nicht an, wohl aber Polarisation, demonstriert anhand einer Pol-Sonnenbrille. Den Aufpreis ist mir das aber nicht wert. Ich habe die Wahl zwischen drei Farben (Braun, Grau, Grün) mit je zwei Tönungsgraden (75 und 85 Prozent).
Dann noch vier Fragen zu meinen Sehgewohnheiten: „Wie oft treiben Sie Sport / fahren Sie Auto /arbeiten Sie am PC / lesen Sie?“ (da erwartet mich wohl bald die entsprechende Brillenwerbung). Nach der Feststellung der PD mittels Lineal und einer kurzen anderen Messung mit einem mir unbekannten Instrument geht es zur Refraktion. Nix mit Videozentriergerät…Abschließend die Information, in drei bis vier Wochen würde ich die Rechnung von brillen.de (284 Euro) erhalten. Gleichzeitig sei die Brille (ohne weitere Terminvereinbarung) beim Optiker abholbereit. Im Preis ist außerdem eine Versicherung enthalten: Wenn innerhalb eines Jahres Schäden an der Fassung oder den Gläsern auftreten oder bei Änderung der Sehstärke um mindestens 0,5 Dioptrien, bekomme ich für 25 Prozent des jetzigen Preises eine neue Brille. Brauche ich sicher nicht, aber egal. Ist ja nett. Außerdem habe ich ein zweimaliges Umtauschrecht, falls ich mit der neuen Brille nicht klarkomme.
Nach exakt einer Stunde bin ich wieder draußen. Ich habe mich freundlich und kompetent beraten gefühlt und hatte nie den Eindruck, eine Kundin zweiter Klasse zu sein. Und schon lange war ein Brillenkauf nicht mehr so entspannt wie heute: kein Entscheidungsstress durch eine unüberschaubare Fassungsauswahl, keine Preislistenschlacht mit langwierigen Diskussionen über Vor- und Nachteile bestimmter Brillengläser und Veredelungen, keine digitalen Beratungstools, eine normale Refraktion – ein Brillenkauf ohne Gedöns. Aber irgendwie auch keine große Begeisterung beim Gedanken an meine neue Brille… Es ist fast wie in meiner Jugend, als es für preissensible Kunden eine Auswahl an Kassenbrillen und wenig Variationsmöglichkeiten bei den Brillengläsern gab. Nichtsdestoweniger: Ich bin gespannt, wie gut ich mit der neuen Sonnenbrille sehen werde.
Zwischenspiel: Fast zeitgleich habe ich auch bei einem befreundeten Augenoptiker eine Refraktion durchführen lassen. Die Untersuchung erfolgte wie immer mit großem Besteck. Beim Augenscan entdeckte er an einem meiner Augen eine Veränderung gegenüber dem letzten Check und schickte mich zum Augenarzt. Da war ich inzwischen. Alles in Ordnung. Aber es bleibt ein komisches Gefühl. Was, wenn wirklich mal was ist? Bei einem Arztmuffel wie mir könnte bei einer Standardrefraktion leicht etwas unentdeckt bleiben.
Tag 16 Früher als angekündigt erhalte ich heute die Rechnung. Mich irritiert der Satz: „Im Gesamtpreis der Brille sind 20 Euro umsatzsteuerfreie Leistung aus der Brillenversicherung enthalten.“ Wieso das? Werde ich da zwangsbeglückt? Beim Augenoptiker war keine Rede davon und auch der mitgegebene Flyer enthält keine Information zu Versicherungskosten. Meine Sehstärke wird sich sicher im nächsten Jahr nicht ändern und – wenn überhaupt – gehen meine Brillen in der Regel nicht im ersten Jahr kaputt. Vor die Wahl gestellt, hätte ich auf die Versicherung verzichtet und nur 264 Euro gezahlt. Wer bei brillen.de kauft, um Geld zu sparen, wird 20 Euro für ein Jahr Versicherungsschutz ganz schön happig finden, bedeutet das bei der billigsten Brille für 249 Euro doch immerhin einen Aufschlag von knapp 9 Prozent. Da bleibt ein leises Geschmäckle.
Tag 19 Das ist die Sonnenbrille:
Die Übergabe dauert mal eben fünf Minuten. Brille aufsetzen, noch mal einen Bügel etwas enger stellen – fertig. Dazu einen Brillenputztuchsack und das war’s. Da ich in 50 Jahren genug Brillensärge angehäuft habe, brauche ich nicht noch ein Etui. Auch auf das inzwischen fast obligatorische Käffchen beim Optiker kann ich gut verzichten. Es gab auch keinen.
Zuhause dann die gründliche Begutachtung: Ordentlich eingearbeitete Gläser, auch das dickere steht nirgendwo über. Die Tönung der Gläser gefällt mir. Gewicht: 39 Gramm und damit exakt genau so viel, wie meine vier Mal so teure, alte Sonnenbrille, obwohl diese deutlich kleinere Gläser hat. Bei genauerem Hinsehen entdecke ich einen Fleck auf dem Nasensteg, den ich für einen fetten Fingerabdruck halte, aber ich bekomme die Unregelmäßigkeit nicht weggeputzt. Vielleicht ist da etwas Lösungsmittel an die Fassung gekommen. Schade, aber wirklich kaum zu sehen. Außerdem merke ich inzwischen, dass die Brille hinter einem Ohr drückt. Da ich nicht noch mal so weit fahren will, muss ich das leider woanders korrigieren lassen. Unangenehm.
Und jetzt zum Sehen. Ihre erste Bewährungsprobe im Nahbereich hat die Brille problemlos bestanden: sechs Runden Quizduell auf dem Smartphone im ruckeligen Bus bei tiefstehender Abendsonne. Auch die digitalen Stationsanzeigen: kein Problem. Soweit bin ich sehr zufrieden. Den Outdoortest kann ich erst im Hellen machen. Ein intensiver Vergleich mit meinen vorhandenen Sonnenbrillen verbietet sich, haben sich meine Werte seit deren Anschaffung doch wieder einmal geändert. Der Vergleich der aktuellen Refraktionsdaten: identisch, bis auf minimale Abweichungen bei Zylinder und Achse.
Am nächsten Morgen erst mal der Wolkentest: Da ich kontraststeigenden Sonnengläser liebe und gewöhnt bin, überrascht es mich positiv, bei der neuen Brille einen ähnlichen Effekt festzustellen. Die Konturen im Wolkeneinheitsbrei sind jedenfalls genauso klar zu erkennen wie bei meiner alten Sonnenbrille. Soweit der erste Eindruck.
Subjektive Eindrücke einer Käuferin
Mein Fazit aus Käufersicht (bisher): Positiv:
Der Kauf an sich: schnell und unkompliziert.
Spontaner Sehkomfort: bei mir gut.
Es gibt (aktuell) attraktive Zusatzangebote für Schnäppchenjäger.
Für Gleitsichteinsteiger, bei denen sich die Stärken noch häufig ändern, kann die Brillenversicherung ein wichtiges Argument sein.
Das explizit genannte zweimalige Umtauschrecht vermittelt Sicherheit.
Kritisch:
Ein Spontankauf beim Einkaufsbummel ist nicht möglich, man braucht einen Termin über das Internet.
Wer eine langjährige Beziehung zu seinem Augenoptiker hat, muss wahrscheinlich fremdgehen, wenn er dieses Angebot nutzen will.
Wer übernimmt die kleinen Serviceleistungen, die bei Brillen schon mal anfallen? Es ist Glückssache, einen „Partneroptiker“ in der Nähe zu finden.
Abhängig vom Wohnort muss man mehrwöchige Wartezeiten oder lange Anfahrtswege in Kauf nehmen. Im schlimmsten Falle beides.
Die Brillenversicherung gehört zum Paket, man kann sie nicht ablehnen.
Die Fassungsauswahl ist nicht groß und sicher nicht für jeden attraktiv. Die Sonnenbrille war mein persönlicher Kompromiss. Man kann eine mitgebrachte oder beim Partneroptiker frei gewählte Fassung mit den Gläsern von brillen.de verglasen lassen. Die Kosten für diese Fassung und eventuell benötigte dünnere Gläser kommen on top, bedeutet also 249 Euro Grundpreis für die Brillengläser, zuzüglich eventueller Mehrkosten, zuzüglich Fassungspreis. Da fragt sich mancher sicher, ob sich dafür Fremdgehen lohnt.
Auch bei Brillengläsern gibt es nur beschränkte Variationsmöglichkeiten.
Bei Sonnenbrillen ist das Fassungsangebot noch dürftiger. Und modische Sonnengläser mit Verlaufsfarben, originellen Tönungen etc.: Fehlanzeige.
Markenaffine Kunden werden weder bei den Fassungen noch bei den Brillengläsern fündig.
Es wird ein „subjektiver Sehtest nach Standardverfahren“ ohne weitergehende Augenuntersuchung durchgeführt. Wer nicht regelmäßig zum Augenarzt geht, riskiert, dass eventuelle Probleme unentdeckt bleiben.
Das Konzept ist für kompromissbereite Smartshopper gangbar und bietet einige Vorteile. Jedoch für Kunden, die Auswahl, Markenprodukte, intensive Beratung und persönlichen Kontakt oder kurze Wege schätzen, ist der Kauf bei brillen.de sicher keine echte Alternative. Aber: Das Konzept ist ausbaufähig – insbesondere weil das Unternehmen über die Befragung sehr kontinuierlich Daten sammelt und in der Lage sein wird, das Angebot präzise auf die Kunden auszurichten.
PS: Meine Brille hat zwei Wochen Sonne, Sand, Wind und Salzwasser gut überstanden.