Publikumsmedien schlagen schon mal auf Augenoptiker*innen ein („Die neuen Tricks der Optiker“, stern 30/2018), während der Berufsstand beim Kundenmonitor Deutschland doch in der Regel gut abschneidet. Was stimmt denn nun? Exklusiv für eyebizz präsentiert Uwe Hannig in einer sechsteiligen Analyse die wichtigsten Ergebnisse seiner Bachelorarbeit im Studiengang Augenoptik / Optometrie und stellt sie hier zur Diskussion. [13984]
Seit Jahren erreichen Augenoptiker*innen die höchsten Zufriedenheitswerte beim Kundenmonitor Deutschland, der einmal im Jahr eine repräsentative Umfrage durchführt. In diesem Jahr ergab die Befragung von über 25.000 Personen, dass auch bei der „Kundenzufriedenheit in Pandemiezeiten“ die Optiker „Spitzenreiter im Ranking der Zufriedenheit“ sind. Diesen erfreulichen Ergebnissen stehen immer wieder Schlagzeilen gegenüber wie „Nur einer von zehn Optikern ist gut“.
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Augenoptiker*innen in den Medien – ein verzerrtes Bild?
Oft beziehen sich solche Medienberichte auf die Tests der Stiftung Warentest oder TV-Formate, die sogenannte Marktchecks durchführen. Doch wie kommt eine solche Diskrepanz zustande – die Kunden sind mit ihren Augenoptiker*innen sehr zufrieden, obwohl es laut Tests keine sehr guten Augenoptiker*innen gibt, und gerade mal 10% von ihnen gut sind?
Noch wichtiger ist die Frage, wie sich diese mehrheitlich kritischen und negativen Medienberichte über die Arbeit von Augenoptiker*innen auf das Image der gesamten Branche auswirken. Fest steht, dass die wenigsten Medien die Ergebnisse des Kundenmonitors Deutschland aufgreifen, aber nahezu alle die Testergebnisse der Stiftung Warentest – meist unkritisch – wiedergeben und zu ihrer Verbreitung beitragen. Erstaunlich ist, dass weder Interessenvertreter noch einzelne Augenoptiker*innen dazu Stellung nehmen.
Dabei müsste die Frage des Images doch alle interessieren, denn es geht nicht nur um gute Kundenbeziehungen und aktuelle Verkaufszahlen, sondern auch um die Wahrnehmung und Attraktivität des Berufes im Allgemeinen. Diese sind letztlich für die Gewinnung von qualifiziertem und engagiertem Nachwuchs entscheidend. Deshalb ist das Image von größter Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit der gesamten Branche.
Was ist das Image eines Berufes?
Lange Zeit herrschte in der betriebswirtschaftlichen Lehre die Vorstellung vom Homo oeconomicus, der zufolge der Mensch rational handelt, eigeninteressiert ist und die Maximierung des eigenen Nutzens anstrebt. Inzwischen weiß man aus interdisziplinären Studien, dass Emotionen eine enorme Bedeutung haben. Positive Gefühle gegenüber einem Produkt oder Unternehmen können Verhalten und Entscheidungen erheblich beeinflussen. Ähnliches gilt für das Image. Emotionen und Image bedingen sich gegenseitig und spielen für die öffentliche Wahrnehmung eines Produkts oder einer Marke eine große Rolle.
Image ist ein komplexer, schwer zu fassender Begriff. In der Regel wird es als das Gesamtbild definiert, das sich eine Person oder eine Personengruppe von einem Meinungsgegenstand – Produkt, Unternehmen oder auch Beruf – macht. Dieses Bild wird durch Emotionen, Kenntnisse und Erfahrungen beeinflusst. Dazu zählen neben den eigenen persönlichen Erfahrungen auch die Berichte anderer, was im Zeitalter der Internet-Bewertungsportale von zentraler Bedeutung ist. Die Kenntnisse setzen sich aus dem eigenen Wissen sowie neuen Informationen zusammen, die wir größtenteils über verschiedene Medien beziehen.
Während sich ganze Wissenschaftszweige mit dem Produkt-, Marken- und Firmenimage befassen, werden Images von Berufen, Studiengängen oder Branchen selten untersucht. Dabei ist das Image eines Berufs beziehungsweise einer Branche, ähnlich wie bei einem Unternehmen, für den Erfolg und die Zukunftsfähigkeit außerordentlich wichtig. Nicht nur finanzielle Aspekte, sondern auch das Know-how, soziale Kompetenzen, Anerkennung und Akzeptanz bestimmen das Gesamtimage eines Berufs. Dieses wird langfristig aufgebaut; am Anfang ist es noch relativ flexibel, mit der Zeit allerdings immer schwerer zu ändern. Durch positive Informationen wird ein Image erweitert und die Resistenz gegen negative Informationen erhöht; neutrale Informationen führen zu keiner Veränderung; negative Informationen können einen starken Wandel des Images herbeiführen.
Forschungslücken bei der Augenoptik
Es gibt keine wissenschaftlichen Studien über das Image der Augenoptiker*innen in Deutschland. Während in Großbritannien der Verband der Augenoptik (General Optical Council) regelmäßig Umfragen zur Augenoptik durchführen lässt, gibt es im deutschsprachigen Raum keine vergleichbaren Untersuchungen. Der Kundenmonitor Deutschland liefert zwar Anhaltspunkte über die Zufriedenheit der Kunden, erlaubt jedoch keine Aussagen über das generelle Image.
Will man sich dem Thema dennoch wissenschaftlich nähern, ist eine breit aufgestellte Untersuchung des vorherrschenden Bildes in der Öffentlichkeit notwendig: Wie werden Augenoptiker*innen in den Medien dargestellt? Welche Kompetenzen werden ihnen zugeschrieben oder auch abgesprochen? Wird der Beruf in der öffentlichen Wahrnehmung mehr dem handwerklichen, kaufmännischen oder medizinischen Bereich zugeordnet? Welches Bild von der Augenoptik vermitteln die Interessenverbände und – noch wichtiger – welches die berufsspezifischen Ausbildungs- und Fortbildungsstätten? Wie werden junge Menschen für den Beruf interessiert und wie wird er bei der Bundesagentur für Arbeit vorgestellt? Dass dabei Social Media eine große Rolle spielt, braucht kaum betont werden.
Die Attraktivität eines Berufs hängt nicht zuletzt mit den Emotionen zusammen, die bereits bei seiner Nennung ausgelöst werden. Man denke nur an die uns geläufigen Bilder von Lokomotivführern, Feuerwehrmännern und Polizisten aus unserer Kindheit oder an Ärzte und Krankenhauspersonal gerade in der heutigen Zeit. Daraus ergibt sich die Frage, mit welchen Emotionen der Augenoptikerberuf in Verbindung gebracht wird und was Augenoptiker*innen selbst dazu beitragen, Emotionen auszulösen. Grundsätzlich stellt sich auch die Frage, wie Augenoptiker*innen sich selbst sehen.
Verwirrendes und Altbackenes zum Berufsbild
Wer sich auf die Suche nach Informationen zum Beruf Augenoptiker/in macht, beginnt seine Recherche heute im Internet. Gibt man das Wort „Augenoptiker“ bei einer der großen Suchmaschinen ein, stellt man fest, dass wesentlich mehr Treffer unter dem Begriff „Optiker“ zu finden sind. Während Letzterer laut Duden ein „Fachmann für Anfertigung, Prüfung, Wartung und Verkauf von optischen Geräten“ ist, wird der „Augenoptiker“ als „Optiker, der Sehhilfen (besonders Brillen) herstellt“, definiert. Im alltäglichen Sprachgebrauch dominiert zweifelsohne der „Optiker“. Sogar Bildungseinrichtungen, die Augenoptiker*innen ausbilden, und Interessenverbände verwenden die Begriffe synonym.
Der Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen (ZVA) wie auch die Augenoptikerinnung empfehlen etwa, einmal im Jahr „zum Optiker“ zu gehen, oder es wird mit Plakaten geworben, auf denen steht: „Um mein wichtigstes Instrument kümmert sich mein Optiker.“ Auf der ZVA-Website heißt es in Bezug auf die Werbeaktion: „Durch den veränderten Schwerpunkt soll die Kampagne den Beruf und die Rolle des Augenoptikers im Gesundheitssystem künftig in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit und der Politik stärken.“
Ob diese Art der Kampagne die Rolle der Augenoptiker*innen im Gesundheitssystem stärkt, sei dahingestellt. Fest steht, dass der Begriff Optiker mehr in Verbindung mit dem Handwerk gesehen und Augenoptiker*innen – in Anlehnung an den Augenarzt – dem Gesundheitswesen zugeordnet werden. Und schließlich gibt es auch noch den Beruf des Feinoptikers, dessen Aufgabenfelder sich deutlich von jenen eines Augenoptikers unterscheiden.
Für noch mehr Verwirrung sorgt die Recherche auf der Internetseite der Bundesagentur für Arbeit. In der Sparte „Berufe“ werden folgende Ergebnisse angezeigt: „Augenoptiker/in, Augenoptiker/in (Weiterbildung), Augenoptiker/in – Beratung und Verkauf, Augenoptiker/in – Werkstatt, Feinoptiker/in, Ingenieur/in – Augenoptik.“ Wie unattraktiv und altmodisch die Berufsbeschreibung dort ausfällt, wurde schon in eyebizz 6.2020 thematisiert. Die kleine Stichprobe bei der Recherche im Internet sollte also nachdenklich stimmen. Junge, kompetente Absolventen wird man so kaum für Augenoptik interessieren können.
Vielleicht sind manche Augenoptiker*innen der Meinung, dass zufriedene Kunden eher ihre eigenen Erfahrungen als Maßstab nehmen und sich nicht von der medialen Berichterstattung beeinflussen lassen. Aber es stellt sich die Frage, ob Kunden nicht gerade „ihre“ Augenoptiker*innen als Ausnahme betrachten – mit ihm oder ihr also sehr zufrieden sind -, aber vom Berufsstand generell keine gute Meinung haben? Sollte dies der Fall sein, wird derselbe Kunde den Beruf weder selbst ausüben wollen noch anderen empfehlen. Um ein differenziertes und aussagekräftiges Urteil über die Wahrnehmung des Augenoptikerberufs und seine Zukunftsfähigkeit treffen zu können, braucht die Branche künftig regelmäßige, wissenschaftsbasierte Studien und Umfragen, vergleichbar mit jenen aus Großbritannien.
Positive Imagebildung mit Slice-of-Life-Werbung
Die mehrfach attestierte Spitzenposition bei der Kundenzufriedenheit ist ein Potenzial, das Augenoptiker*innen in Deutschland und ihre Interessenvertretungen in jedem Fall viel stärker nutzen sollten. Wie erfolgreich die Kundenzufriedenheit als Verkaufsargument eingesetzt werden kann, zeigt seit über zehn Jahren der Branchenführer Fielmann mit seiner Slice-of-Life-Werbung: Echte Kunden werben in realitätsnahen Situationen für den Filialisten. Dabei sind die beiden Hauptargumente die Zufriedenheit und der vermeintlich niedrige Preis. Im Übrigen stellten Forscher fest, dass diese Werbung mit ihrer permanenten Wiederholung des Wortpaares „Brille: Fielmann“ die meisten Verbraucher konditioniert hat, so dass sie beim Wort Brille automatisch an den Filialisten denken.
Das Beispiel führt vor Augen, wie wirkmächtig die Kundenzufriedenheit als Werbeargument ist; es sollte aber zugleich ein Argument sein, das wir schlechten Bewertungen bei Marktchecks und Tests entgegensetzen. Allen voran geht es darum, sich die Frage zu stellen, warum diese Tests häufig so schlecht ausfallen: Gibt es tatsächlich schwere Defizite, die entsprechend angegangen werden müssen oder muss man nicht eher auch den Aufbau und die Umsetzung der Tests kritisch hinterfragen?
Eine intensivere Auseinandersetzung mit diesen Fragen ist notwendig ebenso wie eine stärkere Diskussionsfreudigkeit und Engagement vonseiten der Augenoptiker*innen und Interessenverbände, um ihre Positionen, Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen deutlich und öffentlich zum Ausdruck zu bringen. Die uns bescheinigte Systemrelevanz und die hohe Kundenzufriedenheit während der Pandemie können wir als Ansporn verstehen, an einem möglichst positiven Image der Augenoptiker*innen weiterhin zu arbeiten.
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Uwe Hannig (*1976) ist Augenoptiker aus Leidenschaft. Er hat den Meister in der „berühmt-berüchtigten Holzbaracke“ des ZVA-Fortbildungszentrums in Köln-Bayenthal gemacht und sich in der Funktionaloptometrie weitergebildet. Beim Sport kommen dem Crosstriathleten und Langstreckenschwimmer die besten Ideen, zum Beispiel die, noch ein berufsbegleitendes Studium in Augenoptik und Optometrie an der FH Aachen/Akademie der Augenoptik dranzuhängen. Mittlerweile hat er seinen Bachelor of Science (B.Sc.) in der Tasche und freut sich, die Ergebnisse seiner Abschlussarbeit einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen zu können.