Im renommierten Literaturverlag Wallstein in Göttingen ist soeben eine Kulturgeschichte der Brille erschienen – klein, aber fein. Gefördert wurde die Publikation von der Viehoff Gruppe, Münster. eyebizz sprach mit der Autorin Stefana Sabin
Frau Sabin, Sie sind promovierte Literaturwissenschaftlerin, haben über Shakespeare, Andy Warhol oder Gertrud Stein geschrieben. Nun ein Buch über die Brille. Wie kam es dazu?
Vor rund 20 Jahren habe ich in Florenz eine Wissenschaftsausstellung gesehen mit einer Sammlung alter Brillenfassungen und dachte sofort, man müsste darüber eine Kulturgeschichte erzählen. Dann kamen andere Projekte dazwischen, die Idee geriet in Vergessenheit. Bis vor zwei Jahren, als mich eine Augenärztin in Frankfurt fragte, ob ich bei ihrem Kongress den Eröffnungsvortrag halten will. Aus dem Vortrag ist dann das Buch entstanden.
Sie schaffen manche Mythen aus dem Weg, etwa dass Kaiser Nero einen Smaragd als Ur-Korrekturbrille verwendete, in Wirklichkeit war es der Vorläufer einer Sonnenbrille. Oder Sie zeigen frühe Beispiele aus der Malerei, wo die Portraitierten bereits Brillen trugen. Welche Absicht verfolgten Sie mit Ihrem Buch?
Ich wollte eine lesbare, auch amüsante Kulturgeschichte der Brille schreiben, die einen Überblick bietet, ohne ein Opus von Hunderten von Seiten zu sein. Mir lag daran zu zeigen, dass die Brille, die wir heute für selbstverständlich halten, auch schon im Mittelalter oder in der Renaissance ein Instrument des Alltags war. Irgendwann haben Menschen gemerkt, dass sie nicht mehr richtig gut sehen und suchten nach Abhilfe. Das fing im 13. Jahrhundert mit dem Lesestein an. Natürlich war es eine Zeitlang so, dass die Brille vor allem von Bessergestellten und Reicheren getragen wurde, aber das hat sich relativ schnell normalisiert. Mir ging allerdings nicht so sehr um die Technik, das können andere viel besser beschreiben, ich wollte vielmehr zeigen, wie vielfältig Erfindung und Entwicklung der Brille reflektiert wurden – in der Malerei, in der Literatur, bis hin zu Beethovens „Duet mit zwei obligaten Augengläsern“. Das ist ein Stück für Bratsche und Cello in Es-Dur, das Beethoven mit einem befreundeten Hobbycellisten spielte, der selbst auch kurzsichtig war.
Besonders interessant fand ich, was Sie über frühe Brillenträgerinnen herausfanden.
Man nimmt an, dass bereits die Medici-Frauen Brillen trugen. Und auch in der Zeit der Aufklärung in Paris, gab es schon Brillenträgerinnen. Doch bis sich Brillen auch für Frauen eingebürgert haben, dauerte es länger als bei den Männern. Hollywood hat maßgeblich zum Durchbruch beigetragen. In der Komödie „Die Frauen“ von 1939 trug eine der weiblichen Hauptfiguren während des ganzen Films eine hübsch verzierte „weibliche“ Brille. Jetzt erst erkannten Modeindustrie und optisches Handwerk, dass Brillen für Frauen ein Riesenmarkt sind. Von da an, hat es auch die Unterscheidung von Männer- und Frauenbrillen gegeben.
Welche Erkenntnis über Brillen hat Sie besonders überrascht?
Für mich war eine Überraschung, dass die Katzenbrille, die Marilyn Monroe in „Wie finde ich einen Millionär“ trug, sofort nach der Kino-Premiere ein Modeaccessoire geworden ist. Alle Frauen wollten auf einmal diese Brille haben. Erhellend fand ich auch, dass Marcie, das intellektuelle Mädchen aus den „Peanuts“, eine Brille trägt und dann auch einer der Schlümpfe. All das hat man schon vergessen und gehört doch in einen kulturgeschichtlichen Zusammenhang.
Sie sind selbst Brillenträgerin. Hat sich durch das Buch Ihre Haltung zu Ihrer Sehhilfe verändert?
Grundsätzlich nicht. Ich trage ja manchmal auch Kontaktlinsen. Aber ich muss zugeben, seit das Buch erschienen ist, habe ich keine Kontaktlinsen mehr getragen, nur noch Brillen. /// JUEB ID 11241
Stefana Sabin, AugenBlicke. Eine Kulturgeschichte der Brille, Wallstein-Verlag, Göttingen 2019, 98 S., 18,00 EUR.