Noch bevor die ersten Augenoptiker den Safilo-Show-Room in der 7. Etage zu Gesicht bekamen, war die eyebizz-Redaktion eingeladen das erste Interview mit dem neuen CEO der Nummer zwei der weltweiten Fassungsindustrie zu führen. Angelo Trocchia war seit vier Uhr vom Firmensitz unterwegs von Padua nach Köln zum Hohenzollernring 74-80.
Zugegeben, es war der falsche Eingang: Noch funktioniert die Klingel nicht. Der Umzug ist zu frisch. Doch der erste Blick in der achten Etage galt dem Kölner Dom und machte alles wett. Eine Aussicht, die den Puls nicht nur jedes Kölners in die Höhe schnellen lässt. In Sichtweite und auf Augenhöhe zum Dom liegt nicht nur das Büro, sondern auch der neue Showroom der Italiener. Ganz in weiß gehalten demonstriert das Team rund um den neuen Geschäftsführer Angelo Trocchia und Country Manager (D,A,CH) Andrea Marzaro sowie PR-Fachfrau Gudrun Cämmerer ihre neusten Modelle aus den über 30 Kollektionen über den Dächern der Domstadt. Im Vorfeld des ersten Cocktail-Abends im Kreise von ausgesuchten Kunden beantwortete der ehemalige Geschäftsführer von Unilever, das für 400 verschiedene Marken steht – von Knorr-Suppen bis zum Lipton Tee – Fragen von eyebizz-Chefredakteurin Christine Höckmann zu seinen neuen strategischen Ansätzen für Safilo.
Herr Trocchia, Sie haben eine beachtliche internationale Karriere hinter sich, in der Schweiz, Italien oder Israel. Jetzt wechseln Sie nach einer langen Zeit bei Unilever, einem Unternehmen mit sehr großer Produktbreite – von Axe, einem Deodorant über Knorr-Suppen bis zu Viss, einem Scheuermittel – zu Safilo, einem traditionsreichen Fassungshersteller mit Sport-, Fashion und Luxusmarken. Was verbindet diese Branchen?
Natürlich sind die Branchen auf den ersten Blick komplett unterschiedlich – das Geschäft mit Brillenfassungen ist sehr stark modisch getrieben. Bei allen Unterschieden sind jedoch zwei entscheidende Aspekte gleich: der Kunde und der Konsument. Der Kunde im Sinne – von dem Handelspartner, bei uns also der Augenoptiker – und der Endverbraucher, der eine Brille oder eine Sonnenbrille tragen will. Beide stehen im Mittelpunkt, für beide muss unser Herz schlagen. Wir müssen mit unseren Marken die Bedürfnisse von beiden befriedigen, ja beide begeistern. Insofern gibt es, ehrlich gestanden, mehr Gemeinsamkeiten, was das generelle Geschäft angeht.
In Bezug auf die für mich neuen Produkte – die Fassungen – habe ich mir allerdings vorgenommen, mindestens ein Jahr lang abzuwarten, nichts zu sagen, und nur dazuzulernen.
Was planen Sie, um so nah an die Kundenbedürfnisse heranzukommen?
In der Augenoptik ist der Markt sehr zersplittert. Es gibt viele unabhängige Augenoptiker, der Konzentrationsprozess ist noch nicht so stark, natürlich gibt es größere Player am Markt, aber die Fragmentierung ist für uns eine echte Herausforderung. Wir müssen verstehen, was diesen Augenoptikern fehlt. Dabei sind die einzelnen Märkte in Europa komplett verschieden. Frankreich, Deutschland, UK oder Italien ticken alle anders. Je weiter südlich man kommt, desto modischer wird der Anspruch zum Beispiel. Deutschland ist immer noch technikverliebt. Diese lokalen Markt-Unterschiede sind faszinierend und brauchen Zeit, um sie wirklich zu verstehen.
Local Approach
Dieses Headquarter in Köln ist ein Beweis, dass wir diesen Ansatz verfolgen. Wir sind mitten drin. Unser starkes Deutsches Team ist dafür da, die deutschen Charakteristika herauszuarbeiten. Die Italienischen Mitarbeiter sind für Italien da, die Engländer für UK und so weiter. Auch die einzelnen Kommunikationswege sind total unterschiedlich. Wir brauchen den persönlichen Austausch, um zu gewinnen. Wir müssen ganz nah am lokalen Konsumenten sein, ein globaler Endverbraucher existiert nicht.
„I do not believe in this global things.“
Hilfreich sind dabei, wie gesagt, starke lokale Teams. Zum andern werden wir lokale Datenerhebungen kaufen. Das wäre allein der alte Ansatz. Neu ist, den Konsumenten in den Social-Media-Kanälen genau zuzuhören. In Indien haben wir den Absatz von Polaroid und Carrera beispielsweise im vergangenen Jahr um 30% vergrößert, bzw. nahezu verdoppelt, weil wir einen Influencer aus einem Bollywood Film für uns gewinnen konnten. Diese lokale Ansatz wirkt. Aber er funktioniert nur in Indien.
Damit haben Sie meine zweite Frage eigentlich schon beatwortet: Welche Themen bewegen Sie persönlich für Safilo?
Zum einen: Wir müssen Kunden und Konsumenten-Wünsche tatsächlich in den Mittelpunkt stellen. Das ist eine Herzensangelegenheit. Nicht nur auf dem Papier wie in anderen Unternehmen, wir wollen diesen Anspruch leben.
Als Zweites steht die Digitalisierung des Unternehmens weiter an. Unser Digital- Transformation-Director tritt Anfang Dezember seine Stelle an. Ziel ist für Safilo, wirklich digital zu denken, nicht nur eine digitale Kampagne.
Gehören 3D Druck und Nachhaltigkeit ebenso zu den Zukunftsthemen, die Sie bei Safilo vorantreiben?
Nachhaltigkeit ist überall Thema, auch in der Mode. Wir haben eine hauseigene Liste für nachhaltige Materialien: recycelte Kunststoffe, Acetate. Aber nachhaltig ist auch unsere Produktion in Longarone, wir erhalten Arbeitsplätze, aber wir färben auch nickelfrei. Um nah an den Millennials zu sein, müssen wir auf Nachhaltigkeit achten, auf die Vermeidung von CO2 Produktion, von Wasserverschmutzung. 3D wird kommen, wir nutzen es bisher nur für Prototypen, weil für uns die Qualität noch nicht stimmt.
Über eine Tochtergesellschaft hat sich Fielmann gerade mit rund 20 Prozent an dem französischen Technologieunternehmen Fittingbox beteiligt und geht damit einen Schritt in Richtung Brillenverkauf über das Internet. Was bedeutet dieser Schritt für den deutschen augenoptischen Markt?
Was passiert ist klar: Nehmen Sie Amazon. Der Onliner macht Geschäfte in Berlin auf. Walmart, ursprünglich stationär, geht ins Internet. Ich nenne das Hybride. Die Verbindung von Online- mit stationärem Shop.
Was bedeutet der Schritt für den unabhängigen, traditionellen Augenoptiker?
Wir werden eine Marktbereinigung innerhalb der Branche in den nächsten Jahren erleben. Sicher. Aber es wird weiterhin Platz für die unabhängigen Augenoptiker geben. Die Konsumenten schätzen den persönlichen Stil, den lokalen Spirit.
Zurück zu Safilo. Wie groß ist die Lücke, die der Verlust der Gucci und der Celine Lizenzen gerissen hat? Und wie wollen Sie die Lücke schließen?
Gucci ist vorbei, ich konzentriere mich auf die Zukunft. Safilo wird weiterhin eine große Rolle bei den Lifestyle-Lizenzen spielen. Manche werden gehen, andere gute werden kommen. Wir haben aber eigene Marken, mit denen wir aggressiver arbeiten werden als in der Vergangenheit. Smith, Carrera, Polaroid haben alle großes Potenzial.
Danke für das Gespräch!