„Wir setzen alles daran, unseren Umweltimpact zu verringern. Wir bauen unsere Verkaufsräume mit nachwachsenden Rohstoffen, setzen auf erneuerbare Energien, parken ein schickes E-Auto an eine Ladesäule vor dem Geschäft und bringen nachhaltige Fassungskollektionen in großer Auswahl in unsere Regale. Und hinten raus leiten wir den Produktionsabfall direkt in unseren Wasserkreislauf. Das passt nicht zusammen, oder?!“, fragt und sagt jemand, der diese Meinung zum Business gemacht hat: Niklas Warda.
Doch worüber sprechen wir hier? Es geht um den Umgang mit Produktionsabfällen aus der augenoptischen Werkstatt, vor allem jene, die bei der Randbearbeitung im Schleifautomaten anfallen. Da heutzutage der weitaus größte Teil aller Brillengläser aus Kunststoff besteht, handelt es sich bei diesen Produktionsabfällen um allerfeinstes Mikroplastik.
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Nicht nur in den Werkstätten der Betriebe fallen riesige Mengen an „Schleifresten“ an, aber gerade dort werden sie naturgemäß im großen Stil produziert. „Und gerade hier sollte der Blick scharf genug sein, um ein solches Problem klar zu erkennen und dagegen vorzugehen“, erklärt Warda, der aus seinen nachhaltigen Ambitionen ein Geschäftsmodell entwickelt hat und demnach mehrere Gründe findet, hier den Finger in die Wunde zu legen.
Die Wardakant GmbH, aus dem Herzen Norddeutschlands, darf als Vorreiter auf dem Gebiet der Schleifwasserfilterung gelten (siehe Artikel aus der eyebizz 6.2022) und hat es sich zum Ziel gesetzt, den Recycling-Kreislauf für diese Schleifreste zu schließen. „Ein hoch gestecktes Ziel, denn die Schleifreste bestehen zum größten Teil aus Duroplasten, jene Kunststoffart, die bekannt dafür ist, schwer recyclebar zu sein“, erklärt Warda.
Dieses Ziel sei nun in greifbare Nähe gerückt, nachdem der Gründer und Geschäftsführer von Wardakant lange nach passenden Recyclingverfahren und zuverlässigen Partnerfirmen gesucht hat. Einen langen steinigen Weg, der nun zu einem Meilenstein geführt habe, nennt Warda das. Womit gleich ein weiterer Grund für uns zur Verfügung steht, unser Verhalten zumindest dem Zeitgeist anzupassen.
Es wäre der Öffentlichkeit heute sicher schwierig zu erklären, doch bislang hat wohl kaum jemand gefragt: Außenstehende kommen vermutlich auch gar nicht darauf, dass die Entsorgung des Schleifwassers über den Abfluss ungefiltert in unseren Wasserkreislauf erfolgt. Und noch verwunderlicher ist, dass es dank der Grauzonen in unseren Abwasserverordnungen auch noch gestattet ist, es so zu handhaben.
„Der größte Teil an optischen Werkstätten arbeitet noch genau so. Wegschauen, dann existiert das Problem nicht. Einige Vorreiter haben hingeschaut, das Problem erkannt und nutzen bereits Filterlösungen für ihre Schleifautomaten, um nicht mehr Teil dieser enormen Umweltbelastung zu sein“, sagt Warda. Natürlich steht er im Verdacht, sein Geschäft im Sinn zu haben. Aber mal ganz ehrlich, es geht heutzutage doch nicht mehr nur darum, jemandem den schwarzen Peter zuzuschieben. Das Vorgehen ist legal! Aber macht es das besser? In einer Zeit, in der man vom „schwarzen Peter“ besser gar nicht mehr reden sollte, muss man ein schlechtes Gewissen aushalten können, wenn es angebracht ist: oder man ändert etwas! Der Moment könnte nun gekommen sein, denn es gibt offenbar eine Antwort auf die Frage, die sich bislang zurecht stellte: Wohin mit den aufgefangenen Schleifabfällen der diversen Schleifwasserfiltersysteme?
Warda: „Zusammen mit der Microwave Solutions GmbH hat es die Wardakant geschafft, den Proof of Concept hinzulegen und die Anwendung eines neuen Verfahrens der Recyclingwelt auf die Schleifabfälle zu ermöglichen.“ Zu deutsch: Ein smartes und selektives molekulares Recycling stellt die Rückführung der Schleifabfälle auf eine neue Stufe. Ein offensichtlich vollkommen neuer Ansatz, der „ungeahnte Möglichkeiten mit sich bringt. Durch das Verfahren lassen sich eine Vielzahl von sekundären Rohstoffen gewinnen und somit effektiv fossiler Rohstoff einsparen und das sogar an mehreren, durchaus heiklen Stellen“, erklärt Warda.
Zudem bringe das Material eine so große Energiemenge mit, dass sich der gesamte Prozess dabei selbst mit Strom versorgen kann und sogar noch ein Überschuss produziert werde. „Also alles in allem eine Win-Win-Situation für die gesamte Branche und vor allem unsere Umwelt“, freut sich Niklas Warda. Damit wir diese Freude teilen können, hat eyebizz einmal beim Gründer der Microwave Solutions GmbH nachgefragt: Prof. Dr. Florian Turk gilt entsprechend als Experte für dieses Thema und ist im nachstehenden Interview ganz in seinem Element. Doch auch Chemie-Unkundige werden zwischen den Zeilen viel Gutes heraus lesen können.
Und wie geht es bei Wardakant mit der neuen Erkenntnis weiter? „Der Business Case steht, es gilt jetzt, starke Kooperationspartner zu finden, die zusammen mit der Wardakant GmbH in die Zukunft investieren möchten“, sagt Warda. Ziel sei es, zeitnah eine solche Recyclinganlage der Microwave Solutions in Betrieb zu nehmen und der „achtlosen Entsorgung endlich ein Ende zu bereiten“.
/// IR
„Schleifabfälle sind eine reichhaltige Quelle unter anderem für neue Brillengläser“
Prof. Dr. Florian Turk im Interview
eyebizz: Herr Turk, war Ihnen die Art der Brillenglas-Bearbeitung in der augenoptischen Werkstatt und der bisher oft übliche Umgang mit den entstehenden Produktionsabfällen bekannt, ehe Sie als Gründer der Microwave Solutions GmbH dazu Besuch von Niklas Warda bekamen?
Florian Turk: Nein. Mein Team und ich sind mit vielen Materialien befasst, die nicht oder schwierig zu recyclen sind, bei denen der Materialwert und Energiewert verloren geht und durch den Zerfall terrestriale und maritime Belastungen durch Mikroplastik entstehen können. Dagegen stemmen wir uns mit unserer Technologie. Umso erschreckender und frustrierender ist die für mich neue Erkenntnis des direkten und vermeidbaren Eintrags von Schleifresten als Mikroplastik in die Wasserkreisläufe.
Wie sehen Sie den Umweltimpact durch die Menge an feinstem Mikroplastik, das in das Abwassersystem eingeleitet wird?
Die Auswirkungen der Mikroplastik-Aufnahme sind vielseitig: Studien verweisen auf Gewebeveränderungen beziehungsweise Entzündungsreaktionen und toxikologische Auswirkungen bis hin zu inneren Verletzungen und Todesfällen.
„Sicher ist hingegen: Je kleiner das Plastikpartikel, desto größer das Risiko der Aufnahme.“
Der nicht abgebaute Kunststoff und die Schadstoffe können sich im Gewebe ansammeln und so Teil der Nahrungskette werden. Über die Auswirkungen auf den Menschen ist bisher nur wenig bekannt. Sicher ist hingegen: Je kleiner das Plastikpartikel ist, desto größer das Risiko der Aufnahme.
Wobei der Hinweis gestattet sein sollte, dass wahrlich nicht die Augenoptik alleine die weltweite Mikroplastik-Aufnahme zu verantworten hat. Aber ist es grundsätzlich überhaupt sinnvoll, die Schleifabfälle dem Recycling zuzuführen, oder sollte man sie lieber konventionell entsorgen, durch Verbrennung oder ähnlichem?
Schleifabfälle haben einen hohen Materialwert und Energiewert und sind eine reichhaltige Quelle an sekundären Rohstoffen unter anderem für neue Brillengläser. Diesen Wert gilt es zu erhalten, um den Bedarf nach weiteren fossilen Rohstoffen zu minimieren und die energieintensive Produktion der Basischemikalien und Moleküle zu vermeiden.
Welches Recyclingpotenzial haben die Schleifabfälle?
Die gewonnenen rohstofflichen Rezyklate enthalten chemische Grundbausteine wie aromatische Moleküle, Phenole, Ketone, Paraffine, Olefine und Amine. Diese rohstofflichen Rezyklate haben die gleichen Eigenschaften wie aus fossilen Rohstoffen hergestellte Produkte. Sie können auch wie konventionell hergestellte Produkte weiterverarbeitet und in Anwendungen mit hohen Anforderungen an Qualität, Hygiene und Leistung eingesetzt werden.
Aber wie viel Energie muss für das Recycling aufgewendet werden?
In dem Mikrowellen-assistierten Verfahren ist der Energieverbrauch abhängig vom Material, das die Energie direkt aufnimmt. Diese „volumetrische Erwärmung“ ist schnell und energieeffizient. Für das molekulare Recycling der Schleifabfälle haben wir 1.800MJ/t an Energie gebraucht – dem steht ein Energie-Wert der gewonnenen sekundären Rohstoffe von 28.000 MJ/t gegenüber.
Wie schon angemerkt, Mikroplastik im Wasser ist eher kein durch die Augenoptik und durch Brillengläser verursachtes Dilemma. Können Ihre Recyclinganlagen auch andere Kunststoffarten verarbeiten?
Unser selektives molekulares Recycling-Verfahren kann alle Kunststoffe, in jeder Form, jeder Dichte, gemischt und kontaminiert, verwerten. Wir sortieren Moleküle, nicht den Abfall, und können so aus den unterschiedlichsten Abfallströmen sekundäre Rohstoffe gewinnen.
Wie wertvoll sind die gewonnenen Endprodukte, vermutlich wird schnell dafür ein Markt entstehen?
Die Nachfrage nach sekundären Rohstoffen – Molekülen, Oligomeren, Polymeren – wächst rasant, die Märkte sind dynamisch. Für Recycler, Markeninhaber und Hersteller verspricht dieses Recycling der nächsten Generation der ultimative Wegbereiter zu sein, der ein robustes Skalieren eines hochreinen Angebots an Post-Consumer-Harzen ermöglicht. Mit zunehmender Flexibilität und extremer Rückverfolgbarkeit können die resultierenden Post-Consumer-Harze leicht die strikten technischen Spezifikationen für empfindlichen Lebensmittelkontakt, medizinische Technik oder auch andere fortgeschrittene Anwendungen einhalten. Die dringende Notwendigkeit, Recyclingkapazitäten und Leistung zugunsten einer größeren Zirkularität zu erweitern, sind ein Motor dieser Entwicklung.