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Serie Unternehmensnachfolge – Teil 3/6

Nachfolge zehn Jahre im Voraus planen

Teil 2 der vorliegenden Artikelserie befasste sich mit psychologischen Klippen der Nachfolge. Dagegen schützen kann die Wahl der richtigen Organisationsform der Nachfolge. So entsteht Klarheit zwischen der Vorgänger- und der Nachfolger-Partei, und „man kommt sich gegenseitig nicht so schnell ins Gehege“.

Klarheit für alle Beteiligten schafft auch eine verbindliche Zeit- und Terminplanung. Denn diese verhindert gerade im Zuge der Nachfolge innerhalb der Familie, dass Versprochenes und mündlich Vereinbartes immer wieder auf später verschoben wird. Ein gemeinsam beschlossener, verbindlich und schriftlich dokumentierter Zeitplan schafft Überblick und Transparenz, ermöglicht (Selbst-)Kontrolle und verhindert Frust für Vorgänger und Nachfolger. Ein Praxisbeispiel aus dem Beratungsalltag findet sich nachfolgend, ebenso wie weitere psychologische Fallen im Nachfolgeprozess.

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Das A und O: Rechtzeitige Planung

Als ideal gilt es, sich bereits ca. zehn Jahre vor dem geplanten Ausstieg aus dem Unternehmen gedanklich mit der Planung der Unternehmensnachfolge zu befassen. Dies ist in vielen Fällen die Voraussetzung dafür, um die Nachfolge unter wirtschaftlichen und steuerlichen Aspekten optimal gestalten zu können. Darüber hinaus besteht bei einer rechtzeitigen Auseinandersetzung mit der Nachfolge-Thematik die Möglichkeit, den Unternehmenswert bis zur Übergabe zu steigern.

Terminplanung für die Nachfolge

Darüber hinaus ist gerade in Familienunternehmen eine sorgfältige und für alle Beteiligten verbindliche und schriftlich manifestierte Terminplanung für eine professionelle Organisation des Generationenübergangs unerlässlich. Nachfolgende Grafik zeigt eine praxisbewährte Systematik für die Übergabe am Beispiel eines mittelständischen Augenoptik- und Hörakustikunternehmens:

eyebizeyebizz: Nachfolge im Unternehmen - Serie Medelnik-Teil 3 - Grafik Terminplanungz: Unternehrmensnachfolge - Serie Medelnik-Teil 3 - Grafik Terminplanung
Grafik: Terminplanung für den Generationswechsel (vgl. Lubos, G., Psychologische Aspekte beim Generationenwechsel im Familienunternehmen – den Prozess der Verantwortungsübergabe richtig steuern, in: Schlecht & Partner, Taylor Wessing (Hrsg.): Unternehmensnachfolge, Handbuch für die Praxis, 2. Auflage, Berlin 2010, S. 60)

Wichtig ist, dass in den Terminplan Meilensteine eingebaut werden, an denen Vorgänger und Nachfolger überprüfen können, dass die vorgesehene Aufgabe die richtige für die Nachfolger ist. Denn Neigungen und Interessen können sich mit der Zeit ändern. Daher muss die Nachfolgeplanung auch ausreichend flexibel sein und gegebenenfalls an neue Situationen angepasst werden.

Häufige psychologische Fallen im Nachfolgeprozess

Falsche Interpretation von Neugestaltung durch den Nachfolger

Mit erfolgter Übernahme gehen regelmäßig der Wunsch und die Notwendigkeit einher, das Unternehmen gemäß aktueller Umfeld-Entwicklungen umzugestalten. Dieser Veränderungs- und Gestaltungswille deutet auf eine starke Identifikation des Nachfolgers mit dem übernommenen Unternehmen hin und ist als sehr positiv anzusehen.

In der Beratungspraxis zeigt es sich aber oft, dass die vom Nachfolger geplanten Veränderungen vom Vorgänger als Kritik an der eigenen früheren Unternehmensführung wahrgenommen werden. Deshalb neigt der Vorgänger manchmal dazu, Veränderungen zu verhindern oder abzuschwächen. Dies ist besonders dann anzutreffen, wenn beide Generationen noch im operativen Tagesgeschäft tätig sind. Dann besteht die Gefahr, dass das Unternehmen gelähmt wird und die chancenreiche Phase des Generationswechsels zu einer Phase der Stagnation wird. Deshalb ist der Respekt des Vorgängers vor dem Gestaltungswillen des Nachfolgers eine wichtige Anforderung für eine gelungene Nachfolge.

Mangel an Vertrauen

Mangelndes Vertrauen ist die Wurzel vieler gesellschaftlicher und zwischenmenschlicher Probleme. Vertrauen zwischen Vorgänger und Nachfolger ist eine zentrale Voraussetzung für eine gelungene Unternehmensnachfolge.

Die Furcht zu versagen

Solche Gefühle liegen meist in der frühen Kindheit begründet. Denn manchmal rufen z. T. unbewusste Verhaltensweisen der Eltern bei den Kindern Glaubenssätze hervor wie „Ich kann das nicht“, „Ich schaffe es nicht“ usw. Derartige Glaubenssätze und Selbstbilder können bereits den Keim für eine spätere Unternehmenskrise in sich tragen. Allerdings lassen sich solche Muster heilen, sofern sie bewusst erkannt werden.

Mangel an Verantwortlichkeit

Vielen Menschen macht es Angst, voll und ganz für das eigene Leben verantwortlich zu sein. Denn Verantwortung zu tragen bedeutet auch, schuld zu sein, wenn etwas schief läuft. Allerdings steckt eine große Energiequelle darin, Verantwortung zu tragen. Daher ist es für die geeigneten Personen eine gute Entscheidung, diesen Schritt mit aller Konsequenz zu gehen. Dann ist Verantwortung keine Last, sondern führt zu Gestaltungsfreiheit und kann zur Quelle von Freude werden.

Machtkämpfe

Zwischen Vorgängern und Nachfolgern, aber auch unter Geschwistern, Führungskräften und Gesellschaftern kann es auch einmal zu einem Machtkampf kommen. Die Anlässe sind erfahrungsgemäß vielfältig, sie können sich an einer Diskussion über den richtigen Führungsstil, Übergabemodalitäten und viele andere Themen entzünden.

Wenn man sich auf Machtkämpfe einlässt und auf derselben Ebene argumentiert, sind die Erfolgsaussichten für alle Beteiligten gering. In aller Regel wird am Ende ein Kompromiss stehen, durch den meist alle verlieren. Es gibt aber auch einen Weg, auf dem die Beteiligten gewinnen können. Er lässt sich finden, wenn man die Menschen so annimmt, wie sie sind, genau hinhört und versucht, hinter ihre Masken, Rollen und Verhaltensmuster zu blicken. Denn erst wenn man Verständnis für die Position des Gegenübers entwickelt hat, lassen sich derartige Situationen lösen.

Man muss verstanden haben, weshalb der andere diese und jene Angst, Sorge hat und welches Anliegen in Wirklichkeit dahinter steckt. Es sind meistens unbewusste Sachverhalte, welche so an die Oberfläche gelangen. Auf Basis eines tiefer gehenden Verständnisses kann der Machtkampf konstruktiv aufgelöst werden. In den meisten Fällen gibt es einen „Königsweg“, durch den am Ende alle Beteiligten gewinnen. In jedem Falle müssen Machtkämpfe durch konstruktive Kommunikation ersetzt werden. Es kann auch sinnvoll sein, in einem solchen Fall einen Nachfolge-erfahrenen Experten mit hinzuzuziehen.


Praxisbeispiel aus dem Beratungsalltag (verkürzte Darstellung)

Es kam völlig unerwartet: Eine Besprechung zwischen dem Senior-Chef, seinen beiden Söhnen und dem Anwalt der Familie zur Nachfolgeplanung begann vollkommen friedlich und konstruktiv. Thema war die Verteilung der Gesellschaftsanteile. Plötzlich begann der ältere Sohn, den Vater anzugreifen: Der Senior hätte ihn schon als Kind regelmäßig unter Druck gesetzt und immer nur gefordert und gefordert. Er, der Sohn, hätte immer nur gemacht, was der Vater wollte, und gearbeitet bis zum Umfallen. Und jetzt solle er nur so und so viel Prozent des Unternehmens zugesprochen bekommen…

Auch der jüngere Sohn begann daraufhin, den Senior anzugreifen. Sein Vater hätte ihn nie richtig erkannt und ernst genommen, er sei ungerecht und denke im Grunde sowieso nur an sich selbst. Die Situation drohte zu eskalieren. Daraufhin wurde ein externer, neutraler Nachfolgeexperte mit hinzugezogen.

Dieser fragte den älteren Sohn, was er denke, wieso sein Vater ihn in der Kindheit ständig angetrieben hätte. Und was er zu Gunsten seines Vaters vorbringen würde, wenn er die Aufgabe hätte, seinen Vater zu verteidigen. Nach einigem Überlegen entgegnete der ältere Sohn, dass seinen Vater in Wahrheit wohl eine große Sorge angetrieben hätte. Denn der Vater war während des Krieges aufgewachsen und hatte am eigenen Leibe Flucht, Armut und Not erlebt. Er wollte, dass es seinen Kindern besser ginge. Deshalb trieb er sie an.

Auf die Frage, was der ältere Sohn hinter dem Verhalten seines Vaters vermute, sagte dieser: „Wahrscheinlich Existenzangst“. Danach fragte der neutrale Vermittler den älteren Sohn, ob dieser das Wesen erkennen könne, welches sich hinter der Rolle und der Existenzangst seines Vaters verberge. Da lächelte der Sohn antwortete: „Sehr viel Kraft, Humor und Liebe.“

Dem älteren Sohn war klar geworden, dass er all die Jahre lediglich die Rolle des Vaters als Firmenchef wahrgenommen hatte. Dadurch hatte sich in ihm das Bild eines Antreibers und Spielverderbers verfestigt. So war mit der Zeit eine Figur entstanden, auf die der Sohn mit Aggressionen und Resignation reagierte.

Durch den kommunikativen Klärungsprozess konnte er seine Wahrnehmung erneuern und sich der dahinter liegenden, positiven Absicht seines Vaters bewusst werden. So wurde gegenseitiges Verzeihen möglich, was zu einer starken Verbindung zwischen den beiden führte.


Zwar stellt man sich die Situation am Anfang der Sitzung nicht sonderlich angenehm vor, doch ist es als positiv anzusehen, wenn Konflikte in Familienunternehmen rechtzeitig offen zu Tage treten und von den Beteiligten konstruktiv gelöst werden können. In manchen Fällen kann dazu die Einschaltung eines neutralen Dritten sinnvoll sein.

Handlungsempfehlungen im Kontext der Unternehmensnachfolge

  1. Machen Sie sich sowohl als Vorgänger als auch als Nachfolger bewusst, dass sich Ihre beiden Persönlichkeiten in manchen Punkten sehr stark voneinander unterscheiden können.
  2. Überlegen Sie, im Hinblick auf welche Werthaltungen und Verhaltensweisen Konfliktpotenzial zwischen Ihren beiden Persönlichkeiten vorhanden sein könnte, und legen Sie sich „für den Fall des Falles“ einen konstruktiven Umgang damit zurecht.
  3. Wählen Sie zusammen mit dem Vorgänger/Nachfolger das für Sie und Ihre Situation am besten passende Nachfolge-Organisationsmodell aus, um Konflikte zu vermeiden.
  4. Achten Sie als Nachfolger darauf, möglichst viel Arbeits- und Managementerfahrung außerhalb Ihres Familienunternehmens in unterschiedlichsten Betriebsformen zu sammeln; je mehr Unternehmen Sie kennenlernen, desto besser!
  5. Konzipieren und Vereinbaren Sie einen verbindlichen Terminplan für alle, die an der Nachfolge beteiligt sind. Achten Sie aber auch darauf, dass der Terminplan aktuellen Entwicklungen und Erkenntnissen angepasst werden kann.
  6. Lassen Sie Ihren Nachfolgeprozess von einem branchenerfahrenen neutralen Experten begleiten, können Sie „psychologische Klippen von Anfang an umschiffen“ und Fehler vermeiden.

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Dr. Norbert Medelnik

ist als Diplomkaufmann und Augenoptikermeister seit über fünfzehn Jahren als Unternehmensberater in den Gesundheitsbranchen des Einzelhandels tätig. Er ist Inhaber einer Beratungsgesellschaft und leitet Erfa-Gruppen. Einer seiner Beratungsschwerpunkte ist die Nachfolgeberatung inklusive Erstellung des Unternehmenswertes. In dieser sechsteiligen eyebizz-Serie schreibt er über zentrale Aspekte der Nachfolgeplanung.

 

Teil 1: Nachfolgeregelung – Unternehmen weitergeben, aber wie?

Teil 2: Wie die Psychologie den Generationenübergang beeinflusst

 

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