Nachhaltigkeit: Wie weit ist Deutschland und welche Branchen müssen aufholen
von Redaktion,
Anfang Juli berichtete die Bundesregierung beim diesjährigen High Level Political Forum für Nachhaltige Entwicklung (HLPF) das zweite Mal darüber, welche Fortschritte Deutschland bei der Umsetzung von mehr Nachhaltigkeit erzielt hat. Eine Studie aus Köln hat verschiedene Handelsbranchen im Land auf den aktuellen Stand hin angeschaut und gerade die Ergebnisse veröffentlicht.
Das HLPF ist die wichtigste Plattform der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung und spielt eine zentrale Rolle bei der Überprüfung der Agenda 2030 auf globaler Ebene. Seit fünf Jahren liefert das Statistische Bundesamt (Destatis) die Daten für den Bericht der Bundesregierung.
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Der diesjährige Fortschrittsbericht Deutschlands setzte sich hauptsächlich mit den Fragen auseinander, wie der doppelten Herausforderung der Pandemie-Bewältigung und der Transformation zu nachhaltiger Entwicklung begegnet werden kann, wie die Entwicklung der nationalen Indikatoren für Nachhaltigkeit voranschreitet und wie Deutschland seiner globalen Verantwortung bei der Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDGs) gerecht werden kann.
Bei vielen Indikatoren im Bereich der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit konnte Deutschland gegenüber 2015 deutliche Fortschritte erzielen. So haben sich die Zusagen der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt (Indikator 15.a.1) mit einer Steigerung um 79 % bis 2019 stark verbessert. Auch die Bruttoentwicklungsausgaben für medizinische Forschung und grundlegende Gesundheitsversorgung (Indikator 3.b.2) seien gestiegen: Gegenüber 2015, dem Jahr vor Inkrafttreten der Agenda 2030, lagen sie 2019 um 66 % höher.
In anderen Bereichen werden die gesetzten Ziele voraussichtlich verfehlt (z.B. bei der Förderung von Stipendien in Entwicklungsländern (Indikator 4.b.1) oder beim Anteil der nachhaltig befischten Fischbestände (Indikator 14.4.1).
Im ersten Bericht 2016 versprach die Bundesregierung im Zuge des HLPF in „regelmäßigen Abständen Daten zum globalen Indikatoren-Set vorzulegen“ – ein Startschuss für das Statistische Bundesamt, um ein ausführliches Monitoring zu den 17 Sustainable Development Goals (SDGs) und ihrer Indikatoren aufzubauen. Heute stehen den Interessierten zu 188 Indikatoren umfangreiche Informationen zur Verfügung; zu Beginn der Berichterstattung in 2016 waren es noch 109. Seit Juli 2019 werden diese zudem über die Online-Plattform www.sdg-indikatoren.de mit interaktiven Grafiken und Daten zum Download angeboten.
Nachhaltigkeit: Welche Branchen müssen aufholen?
Ebenfalls im Juli veröffentlichte das IFH Köln seine Studie „Nachhaltigkeit in der amazonisierten Welt“. Die Studie analysiert den Status quo in Sachen Nachhaltigkeit im Handel und beschäftigt sich mit der Frage, wie der Handel adäquat mit den steigenden Konsumentenbedürfnissen nach verantwortlich hergestellten Produkten und unternehmerisch nachhaltigem Handeln umgehen kann. Hierfür wurden 1.500 Internetnutzer:innen im März 2021 online befragt und der Markt analysiert. Zu den im CSR-Index betrachteten Branchen zählen CE/Elektro, DIY, Drogerie & Tierbedarf, Fashion & Accessoires, Freizeit & Hobby, Lebensmittel sowie Wohnen & Einrichten.
Dass es ohne Digitalisierung nicht geht, hat die Corona-Pandemie den Handelsunternehmen in Deutschland eindrücklich bewusst gemacht. Aber: „Das Megathema Nachhaltigkeit klopft bereits an die Ladentür und hat das Potenzial, den Handel ein weiteres Mal ordentlich auf den Kopf zu stellen – Disruption inklusive.“
Bereits im letzten Jahr hätten demnach knapp 80 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten bewusst auf etwas verzichtet – ein nachhaltigerer Lebensstil war dabei bei 43 Prozent von ihnen der ausschlaggebende Grund für den Verzicht. Vor allem Frauen hätten sich aus Gründen der Nachhaltigkeit oder des Umweltschutzes weniger gegönnt. 49 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen Nachhaltigkeit beim Kauf von Kleidung wichtig sei. Noch seien diese Veränderungen im Konsumverhalten wenig spürbar, es gelte für Unternehmen aber jetzt, die Weichen für die Zukunft zu stellen.
CSR-Index zeigt enorme Unterschiede
Der CSR-Index des Instituts, für den Konsument:innen Unternehmen in Bezug auf sechs CSR-Dimensionen bewertet haben, zeige, wie unterschiedlich die Branchen aufgestellt sind. CSR steht für „Corporate Social Responsibility“ oder „Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung“. Während das Feld bei CE/Elektro und DIY sehr dicht beieinander ist und sich offenbar kein Wettbewerber in Sachen CSR-Engagement profilieren kann, weise die Bewertung der Händler aus dem Lebensmittel-Bereich eine große Spannweite auf. Ganze 25 Indexpunkte trennen den Kategorie-Sieger vom schlechtesten Wert der Branche.
Auch im Fashion-Bereich trennen Top-Performer und Nachzügler bei der Nachhaltigkeit ganze 27 Punkte. Aber: Fashion & Accessoires erreichen den schlechtesten Branchenschnitt aller bewerteten Kategorien. Und das, obwohl sich z.B. in der steigenden Relevanz von Secondhand im Fashion-Bereich das Bedürfnis der Konsumentinnen und Konsumenten nach bewussterem Konsum von Kleidung widerspiegele.
„Noch wird nachhaltiger Konsum vor allem durch jüngere Zielgruppen getrieben, die die Themen z.B. über ihr Essverhalten und bestimmte Anforderungen an Geschenke und Anschaffungen ins Bewusstsein rücken. Mit neuen, einfachen digitalen Lösungen für den Kauf und Verkauf von Gebrauchtware werden die Hürden aber auch bei älteren Konsument:innen weiter abgebaut“, so die Autoren der Studie.