Zum Jahresende 2022 präsentierten zwei Forschungs-Institutionen neue Entwicklungen rund ums Sehen. Forschende der Universität Konstanz befassten sich mit einer speziellen Brille, die räumliche Orientierung verbessern und Stürze verhindern könnte. In Zürich arbeiteten ETH-Wissenschaftler an einer neuen Gold-Nanobeschichtung gegen das Beschlagen von Brillengläsern.
Brille für bessere räumliche Orientierung
Durch Stürze verletzen sich jedes Jahr viele Menschen, vor allem ältere Menschen. Eine Ursache könnte laut der Technologie-Lizenz-Büro (TLB) GmbH aus Karlsruhe die zunehmende Verschlechterung sensorischer Informationen im Alter sein, wodurch sich auch die Orientierung im Raum und damit das Gleichgewicht verschlechtert. Forscher der Universität Konstanz entwickelten derzeit eine spezielle Brille, die optische Anhaltspunkte einblende. Diese soll die visuelle Orientierung und damit das Gleichgewicht verbessern.
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Ziel der eingeblendeten Anhaltspunkte sei es, dem Brillenträger Informationen zur Horizontale und Vertikale zu liefern – hilfreich, wenn es dunkel ist, jemand auf eine weiße Wand blickt oder z. B. an einem Bus steht und dieser gerade wegfährt.
Vor allem bei Menschen über 65 Jahren steige laut TLB das Risiko für Stürze und altersbedingt ebenfalls das Risiko, sich dabei ernsthaft zu verletzen. Es gebe schon verschiedene Ansätze zur Sturzprävention, aber bislang noch keine optischen Reize. Genau hier setzten die beiden Wissenschaftler Lorenz Assländer und Stephan Streuber von der Universität Konstanz an.
Die Erfinder entwickelten eine AR-Brille (Augmented Reality), mit der optische Anhaltspunkte eingeblendet werden können. Die Muster können aus verschiedenen geometrischen Formen bestehen (wie z.B. Linien, Quadrate, Punktmuster) und unterschiedliche Tiefen-Informationen darstellen. Die optischen Anhaltspunkte werden am Rand des Gesichtsfeldes eingeblendet, um das Gesichtsfeld nicht unnötig einzuschränken. Bei Bewegungen bleiben diese optischen Muster fest in der Szene und bewegten sich nicht mit dem Kopf mit.
Die Erfindung wurde bereits zum Patent angemeldet (EP und US anhängig). Die Technologie-Lizenz-Büro (TLB) GmbH unterstützt die Wissenschaftler und die Universität Konstanz bei der Patentierung und Vermarktung der aktuellen Entwicklung. Die Technologie soll in einem Start-up weiterentwickelt und vermarktet werden.
Goldene Passivheizung fürs Brillenglas
Die ETH Zürich (Eidgenössische Technische Hochschule) berichtet von einer Entwicklung, die dem Beschlagen entgegenwirkt. Eine neue Gold-Nanobeschichtung heize Brillengläser mit Sonnenlicht auf, sodass diese auch bei hoher Luftfeuchtigkeit nicht mehr beschlagen würden. Auch auf Autoscheiben könnte die Beschichtung zur Anwendung kommen, so die Hochschule.
Die Forschenden der Gruppen der ETH-Professoren Dimos Poulikakos und Thomas Schutzius nutzten demnach eine technisch einfache Beschichtungsmethode, die in der Industrie breit angewandt wird: Dabei werde in einem Reinraum im Vakuum kleinste Mengen Gold auf die Oberfläche aufgedampft. Die neue Beschichtung sei bereits zum Patent angemeldet.
Speziell daran sei die selektive Absorption der Sonnenstrahlung. „Unsere Beschichtung absorbiert einen großen Teil der Infrarotstrahlung und heizt sich dadurch auf – um bis zu acht Grad Celsius“, erklärt ETH-Doktorand Iwan Hächler, der die Entwicklung maßgeblich vorangetrieben hat. Strahlung im sichtbaren Bereich hingegen werde durchgelassen.
Die neue Beschichtung nutze laut Bericht einen anderen Ansatz als konventionelle Antibeschlagmethoden: „Herkömmlicherweise werden Oberflächen oft mit wasseranziehenden (hydrophilen) Molekülen beschichtet. Dadurch verteilt sich kondensiertes Wasser gleichmäßig auf der Oberfläche. Antibeschlagsprays funktionieren so. Die neue Methode hingegen heizt die Oberfläche auf und verhindert so, dass Luftfeuchtigkeit an der Oberfläche kondensiert. Heckscheibenheizungen im Auto funktionieren ebenfalls so.“ Das Heizen mit Strom ist allerdings ineffizient, so Hächler. Im Gegensatz dazu heize die neue Beschichtung passiv und benötige bei Sonnenschein keine zusätzliche Energie.
Poulikakos und Schutzius und ihre Teams arbeiteten schon länger an solchen Oberflächenbeschichtungen. Die nun präsentierte Beschichtung habe gegenüber der ersten mehrere Vorteile: weniger Schichten und deutlich dünner, effizienter, transparenter sowie biegsam.
Vom teuren Gold werde so wenig benötigt, dass die Materialkosten trotzdem tief sind. „Kleinste und extrem dünne Cluster aus Gold befinden sich zwischen zwei Schichten aus Titandioxid, einem elektrisch isolierenden Material. Diese beiden Schichten erhöhen aufgrund ihrer Lichtbrechungs-Eigenschaften die Wirksamkeit der Wärmegewinnung. Außerdem dient die obere Titandioxid-Schicht wie ein Lack dem Schutz der Goldschicht vor Abrieb. Die ganze Sandwich-Beschichtung ist bloß zehn Nanometer dünn.“ Zum Vergleich: Blattgold sei etwa zwölfmal dicker.
Die Forschenden wollen die Beschichtung nun für Anwendungen weiterentwickeln. Dabei soll auch untersucht werden, ob sich andere Metalle ebenso gut eignen wie Gold. Neben Brillen und Autoscheiben könnte dieses Antibeschlags-Prinzip überall dort angewendet werden, wo etwas geheizt werden muss und gleichzeitig transparent sein soll, etwa bei Gebäudefenstern, Spiegeln oder optischen Sensoren.
Dass sich dabei ein Auto oder ein Gebäude im Sommer stärker aufheizen würde, muss laut ETH allerdings nicht befürchtet werden. Doktorand Hächler: „Die Scheibenbeschichtung absorbiert Infrarotstrahlen der Sonne, wodurch spezifisch die Scheibe geheizt wird und die Strahlung nicht mehr ins Innere des Autos oder des Gebäudes gelangt. Dadurch heizt sich das Innere sogar weniger auf, als es ohne Beschichtung der Fall wäre.“