Den Beruf des Augenoptikers kann man bekanntlich auf unterschiedlichste Weise ausüben. Viele machen vieles gleich oder ähnlich, aber manche gehen neue und andere Wege, mit Mut zum Risiko und dem Willen, ausgetretene Pfade zu verlassen. Solche Unternehmerpersönlichkeiten portraitiert eyebizz in jeder Ausgabe. Dieses Mal ist es: Giovanni Graffweg von Optik Breiderhoff in Essen.
Denkt der Ruhrpöttler an Essen, dann hat er schnell die Villa Hügel vor dem geistigen Auge. Kurz nach der Abfahrt von der A52 Richtung Bredeney fliegen tatsächlich auch schon die Hinweisschilder auf das Renommierhaus des Stahlmagnaten Krupp vorbei. Deutliches Zeichen, dass Essen-Bredeney eben nicht der tiefe Westen ist, in dem der Euro zweimal umgedreht werden muss.
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„Bredeney ist einer der sehr guten Stadtteile von Essen“, versichert Giovanni Graffweg. Der Essener Süden ist wohlhabend, voller Pracht. Hier lebt eine sehr privilegierte, kleine Oberschicht, reich wie die Grünwald-Bewohner in München oder in Hamburg-Blankenese. Um sie herum schart sich eine gehobene Mittelschicht. Bredeney, das ist da, wo die Familien der Aldi-Brüder ihre weitläufigen Villen hinter hohen Hecken verstecken, wo bis 2013 der Schuhhändler Deichmann lebte und einst auch Berthold Beitz als Herrscher über den Thyssen-Krupp-Konzern. Das Brucker-Holt-Viertel mit den teuersten Villen von Essen verspricht auch heute gute Kundschaft. Aber passt sie zu Giovanni?
Der 36-Jährige lächelt jedenfalls übers ganze Gesicht und freut sich auf eine Klientel, die das Besondere will. Der augenoptische Vollblüter umgibt sich hautnah mit Promis – auf seinen tätowierten Armen geben sich Elvis, Marilyn Monroe und Johnny Cash ein Stelldichein. Es passt zum Gesamtbild. Hochwertige Jeans, lässiges T-Shirt, raumgreifender Schritt in (heute) dunkelroten Cowboy-Stiefeln: Dieser Augenoptiker geht seinen ganz eigenen Weg. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Abgeraten? Trotzdem gestartet
In seiner Erfa-Gruppe hatten ihm zwölf von 15 Teilnehmern von seinem Projekt abgeraten. „Ich bin‘s trotzdem angegangen.“ Sein Blick wird ernst. In einem Urlaub an der Nordsee hat er die Pläne für die Raumaufteilung geschmiedet. Der Mann strahlt auch jetzt Durchhaltevermögen, Stil und Begeisterung aus. Vor der Tür empfängt den Kunden von Breiderhoff ein Mustang, golden lackiert, passend zu der Bulldogge in Gold, die den Kunden auf dem Gehweg schon signalisiert, dass es sich lohnt reinzuschauen, um eine andere Welt kennenzulernen.
Die schöne neue Welt, Social Media, Online Shop und Tradition
ergänzen sich an der Bredeneyer Straße 123.
Eins greift an der Bredneyer Straße 123 ins andere: Die Begeisterung für Vintage, handwerkliches Können, Netzwerke und junges Unternehmertum. Unternehmer unternehmen nämlich was: So Graffweg, der gefühlt stündlich auf Instagram postet, sich auf Facebook tummelt, Mailings organisiert, eben alles in allem seinen Laden auf Vordermann hält.
Netzwerke helfen
„Hab ich alles selbst entworfen“, schwingt er den Arm um sich ins Rund. Die Regalwände aus flambierter Eiche. Die Möbel aus auf Used-Look getrimmten Mangoholz sind einzelne Elemente, die auf Maß gearbeitet wurden. Im Schaufenster buhlt ein umgestylter Bauzaun eines Berliner Edelladens um die Aufmerksamkeit der Passanten: „Ich konnte diese Elemente günstig übernehmen“, erläutert Graffweg, genau wie die Original-Leuchten aus den 50er Jahren. Die Netzwerke des Neugründers funktionieren offensichtlich bestens.
Ein Highlight ist ein indisches Taxi – umgebaut zum kleinen gemütlichen Sofa, in mittelbraunem Leder bezogen. Die Armlehnen mit den Schweinwerfern leuchten gutmütig vor sich hin. Giovanni lässt sich darauf fallen und erzählt lässig weiter. Das Sofa hat er in den Niederlanden gefunden und sofort zum persönlichen Liebling erklärt. Im Retro Kühlschrank (SMEG) wartet der Champagner auf seinen Einsatz. Schließlich will das Team die Kunden mit kalten Getränken verwöhnen können. Sie sollen sich wohlfühlen wie im eigenen Wohnzimmer. Dafür ist man auf vieles vorbereitet, vor allem versprüht das Team gute Laune. Seinen Mitarbeitern würde er nur Bestnoten ausstellen, sagt Graffweg mit etwas Stolz. Was tut er dafür, dass sie bleiben? Wahrscheinlich zahlt er gut.
. . . gutes Team
Hochleistungen musste Graffweg auch bei der Installation seiner rechten Wand fordern. Die schwarz-grau-blaue Metallwand ist 450 Kilo schwer. Die drei Millimeter starken Einzelteile wurden angeliefert. Auf einer angefertigten Holz-Unterkonstruktion legte der Meister selbst Hand an, um die geschmiedeten Nägel einzuschlagen. Wenn der gebürtige Essener erzählt, klingt es nicht aufschneiderisch, sondern bodenständig, ganz einfach weil der Jungspund so viel selbst mit angepackt hat und auch auf die Hilfen aus seiner Familie zurückgriff. Teamwork hat er von klein auf gelernt als Zweitältester von insgesamt fünf Geschwistern.
Er läuft an den farbig dimmbaren und versenkten Neonröhren vorbei in den Refraktionsraum: Die Werkstatt mit ihren Geräten sind im Ton abgestimmt. Keine Kompromisse: Überall trifft das Auge auf Highend. Das kostet natürlich. Möglich wird das Dorado, weil der Name Breiderhoff in der Augenoptik schon seit 40 Jahren bekannt und erfolgreich ist. 1977 eröffnete der Onkel von Giovanni Graffweg den Meisterbetrieb. 2004 übernahm Altfrid Breiderhoff nach dem Tod seines Bruders das Geschäft. Seit vier Jahren nun ist Giovanni alleiniger Inhaber von Optik Breiderhoff in Essen-Bredeney und Borbeck.
Zielpunkt Termingeschäft
850 Fassungen hängen an den Wänden, nach Herstellern und Ländern sortiert: von Deutschland bis in die USA, von C wie Coblens bis R wie Retrosuperfuture. Exklusiv sind es zwölf Marken, ansonsten aber auch Independent Labels wie Cazal, Blackfin oder Munic Eyewear. Ursprünglich dachte der Neugründer, dass er sich auf eine Zielgruppe von 30 bis 60 einschießt. Die Realität straft den Businessplan Lügen. Auch über 80-Jährige finden den Laden toll und kaufen. Mit zweieinhalb Mann bzw. Frau ist das Team für die Kunden auf den 75 Quadratmetern Ladenraum aktiv. Fünf Prozent Kontaktlinsenumsatz sollen herausspringen: „Und am liebsten würde ich hier auf Termin arbeiten!“, verrät der Chef. Seine Öffnungszeiten lassen aufhorchen: von 10.10 bis 19.10 Uhr – sowie nach Vereinbarung bis 21 Uhr.
Damit auch der Termin-Traum wahr wird, baut Graffweg
einen Online-Shop auf: Reichweite ist (k)ein Zauberwort.
Damit auch der Termin-Traum wahr wird, baut Graffweg einen Onlineshop auf: Nicht, weil er denkt, darüber unbedingt direkt zu verdienen, sondern weil dies ein Weg ist, um Menschen zu erreichen, die nicht auf die Idee kommen, so viel Style in Essen-Bredeney zu finden. Reichweite ist das Zauberwort. Der Onliner will seine 24 Stunden-Internet-Reichweite nutzen, um auch online Termine zu generieren. Dafür, und um seine Marke aufzubauen, bloggt und postet er gefühlt stündlich auf Facebook, Instagram und Co.
Unter den Augen der Eule
Die schöne neue Welt, Social Media, Onlineshop und Tradition ergänzen sich an der Bredeneyer Straße 123: Einerseits die aufstrebende Welt des Internets, andererseits bleibt beispielsweise die Eule Wappentier des Unternehmens. Der Vogel steht landläufig für Weisheit und passt als Metapher ins Bild. Eulen sind als Gattung erstaunlich gut an ihren Lebensraum angepasst. Nachtaktiv und mit einigen extravaganten anatomischen Kennzeichen ausgebildet. Die Augen sind unbeweglich, dafür lässt sich aber ihr Kopf bis zu 270 Grad drehen. Eulen haben große, nach vorn gerichtete Augen mit einer relativ verkürzten Retina und einer konvexen Linse, die von einem langen Tubus aus Skleralknöchelchen, dem Skleralring, umgeben sind. Diese Augen ermöglichen es ihnen, Gegenstände sowie ihre Beutetiere räumlich zu sehen und Geschwindigkeiten und Abstände durch binokulares Sehen abzuschätzen. Der geräuschlose Flug der Jäger ist legendär.
Dem Bredeney-Neustarter fließen mit seinem Branchenblut hoffentlich ähnlich geniale Gene durch die Adern. Auf dass er sich anpasst und die Veränderungen, die die kommende Zeit mit sich bringt, erkennt und darauf eingehen kann. Glück auf nach Bredeney!