Optiswiss: Weitblick mit kurzen Wegen in große Märkte
von Ingo Rütten,
Auch um den Standort zu erhalten, haben die Verantwortlichen von Optiswiss rund um CEO Samuel Frei einiges bewegt, auch riskiert und vor allem viel automatisiert. So ist die Zentrale des Brillenglas-Herstellers zu dem geworden, was Frei zumindest für den Innenbereich als „Samt und Seide“ bezeichnet.
Die Produktionshallen erstrecken sich auf zwei Stockwerke, und in beiden Etagen ist es recht eng geworden über die vergangenen Jahre. Von außen betrachtet versprüht die Heimat der Optiswiss AG vielleicht wenig Charme, doch innen erkennt man schnell die Philosophie der Schweizer, die sich 2015 nach der erfolgten Loslösung von Zeiss auf den Weg gemacht haben, rentabel in einer Drei-Schicht-Produktion am Standort mitten in Basel hochwertige Brillengläser zu produzieren. Um nachhaltig am Schweizer Standort wettbewerbsfähig zu sein, haben die Verantwortlichen rund um CEO Samuel Frei einiges bewegt, auch riskiert und vor allem viel automatisiert. So ist die Zentrale des Brillenglas-Herstellers zu dem geworden, was Frei zumindest für den Innenbereich als „einen der modernsten Produktionsstandorte in Europa“ bezeichnet.
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Eng wird es manchmal schon in dem kleinen Aufzug, der die Gäste der Optiswiss wahlweise in die Produktionshallen oder etwas darüber in die Büroräume des Brillenglas-Herstellers fährt. Die Fahrt ist kurz, aber das Gefühl, das hier und da ein bisschen mehr Platz wohltuend wäre, bleibt auch an den modernen Produktionsstraßen bestehen. Auch Samuel Frei, der sich durch die Hallen wie durch sein Wohnzimmer bewegt und offensichtlich jede Ecke kennt, würde gerne die durchaus vorhandenen Ausbaupläne vorantreiben, doch das ist offensichtlich nicht nur in Deutschland eine oft langwierige Geschichte.
Ein genereller Umzug kommt ohnehin nicht infrage und ist auch nicht nötig, da man bei der Optiswiss AG in Basel offensichtlich andere Wege gefunden hat, den Standortvorteil mitten in Europa mit kurzen Wegen in die großen Märkte Frankreich und Deutschland zu festigen und Stück für Stück auszubauen. „Der entscheidende Vorteil ist unsere Agilität. Wir legen großen Wert auf unsere Unabhängigkeit, kein Externer gibt uns etwas vor. Aufgrund unserer kompakten Größe bleiben wir flexibel und innovativ, verantwortungsvoll und regional verankert. Das ist die Basis für unser Handeln in allen Bereichen“, sagt Frei und spricht dabei für sein ganzes Team.
Deutlich sinnvollere Arbeiten erledigen
Dass die Mannschaft in der Produktion noch immer aus rund 150 Köpfen besteht, obwohl Optiswiss seit etlichen Jahren gerade in der Produktion automatisiert – wo es nur geht und sinnvoll ist –, ist nicht selbstverständlich. „Wir produzieren heute 30 Prozent mehr als vor ein paar Jahren, mit derselben Anzahl an Leuten. Die Automatisierung macht sie nicht überflüssig, im Gegenteil, heute können unsere Mitarbeitenden oft deutlich sinnvollere Arbeiten erledigen, was sie zusätzlich motiviert“, erklärt Frei.
Ein gutes Beispiel dafür, das auch gleichzeitig die angesprochene Agilität und Innovationslust verdeutlicht, ist die Maschine, die seit Kurzem in der Endkontrolle der Brillengläser ihren Dienst versieht: Zuvor prüften hier Menschen-Augen jede Brillenglas-Oberfläche auf Fehler. Man kann sich wohl ganz gut vorstellen, wie eintönig und gleichermaßen anstrengend ein solcher Arbeitstag gewesen sein muss – sieben Tage die Woche, in drei Schichten: 10.000 Brillengläser verlassen das Werk täglich und machen sich auf die Reise in bald zwanzig Länder.
Vor rund drei Jahren wurde der Prototyp der kosmetischen Kontrollanlage aufgestellt, der die subjektive Kontrolle des Menschen seitdem objektiv erledigt. Das System wurde trainiert, mithilfe der Mitarbeitenden und mit Künstlicher Intelligenz; solange bis es die gleiche Zuverlässigkeit bei der Endkontrolle erreichte wie die Mitarbeitenden, die zwar eine Zeit lang immer noch zur Sicherheit parallel prüfen, aber dank dieser Automatisierung mehr und mehr an anderen Stellen in der Produktion eingesetzt werden können; dort, wo es mehr Abwechslung im Arbeitsalltag gibt.
„Wir wollten diesen erhöhten objektiven Standard bei der Endkontrolle – dies war die Motivation für die mehrjährige Entwicklung der Anlage. Da es sich hierbei in der gesamten Industrie um ein ungelöstes Thema handelt, möchten wir die Anlage nun auch anderen Labs zugänglich machen“, erklärt der CEO mit einem Lächeln, denn diese Entwicklung der letzten Jahre scheint sich herumgesprochen zu haben und verdeutlich wohl auch die Innovationskraft des Unternehmens: So haben sich Optotech, AC Technology und Optiswiss dazu entschlossen, ihre gemeinsame Entwicklung auch anderen Brillenglas-Herstellern zur Verfügung zu stellen und verkaufen.
Automatisierung stößt an ihre Grenzen
Dass die Automatisierung beispielsweise in der Färberei an ihre Grenzen stößt und der Mensch hier auch in Zukunft auf Dauer die Entscheidungen trifft, widerspricht der grundsätzlichen Ausrichtung nicht. Nur die Augen von Frauen sind mit ihrer Farbwahrnehmung in der Lage, diese Arbeit dort zu verrichten: Farbe, das ist nicht nur in Basel ein großes Thema für einen Brillenglas-Hersteller. Ähnlich sensibel sieht das bei den Beschichtungen aus, auf die Optiswiss 36 Monate Garantie gibt und die neben einer enormen Entwicklungsarbeit auch eine besonders aufwändige Prüfung durchlaufen. Sehr bewusst wird das in menschlicher Hand belassen, so wie auch der Kundendienst: In fünf Sprachen beraten die Mitarbeitenden ihre Kunden von der Zentrale aus, im Zweifel können sie die kurzen Wege nutzen, um mal nachzusehen, wo der betreffende Auftrag steckt, zu dem es eine Frage gibt. Nur die dänischen Augenoptiker haben – Glück oder Pech? – ihren Ansprechpartner in Dänemark selbst.
Optiswiss: Mehr Produktion, weniger Energiebedarf
Optiswiss ist Vollsortimentler, produziert alle RX-Gläser zu einhundert Prozent in Basel, in 16 Kunststoffmaterialien und Silikat – rund zwei Millionen Stück im Jahr. Durch den Einsatz modernster Technologien, die Rückgewinnung von Energie und geschlossene Wasserkreisläufe in der Produktion ist der Energie- und Ressourcenbedarf pro produziertem Brillenglas in den vergangenen Jahren stetig gesunken: der Verbrauch von Strom um 30 Prozent, der von Wasser um 27 Prozent. Das Produktionswasser geht seit einiger Zeit nach dem Durchlauf der dafür angeschafften Zentrifuge komplett zurück in den Kreislauf. Die Kunststoffspäne können immer noch nicht vollständig recycelt, aber zumindest für die genutzte Fernwärme der Stadt Basel verwertet werden. So wie auch die Abwärme der Produktion dafür genutzt wird, das Gebäude und das Nutzwasser zu heizen. Zudem setzt das Unternehmen seit Jahresbeginn auf 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien.
„Nebenbei“ hat die Automatisierung in den zurückliegenden vier Jahren den Output um ein knappes Drittel erhöht. Optiswiss liefert in der Regel in zwei bis drei Tagen – auch wenn die Brillengläser gerandet werden sollen, denn dann dauert der Produktionsprozess dank der Automatisierung nur eine halbe Stunde länger.
Alles schneller, besser?
Ist also alles schneller, besser und in jeder Ecke der Produktionshallen effizienter an „einem der modernsten Produktionsstandorte in Europa“ inmitten von Basel? Nein. Tief im Inneren erlaubt sich der Brillenglas-Hersteller den Luxus, den einzigen bekannten 3D-Drucker in einer Brillenglas-Produktion in Europa zu betreiben. Dank der Kooperation mit Luxexcel, das Teil des META-Konzerns ist, ist Optiswiss bei der Entwicklung von 3D-gedruckten Brillengläsern mit dabei und stellt mit eigenen Tests hier und da auch eigene Forschungen an.
„Der 3D-Druck in der Brillenglas-Produktion ist momentan langsamer, teurer und die optische Qualität erreicht auch nicht die einhundert Prozent“, sagt Frei. Spannend sei es dennoch, die Entwicklung zu begleiten, „wie wir das auch noch in anderen Bereichen tun“. Nach dem Besuch der Produktion darf man getrost annehmen, dass auch das Projekt 3D-Druck mit Herzblut und Innovationsgeist in Basel weiter verfolgt wird.
/// IR
Gedanken in Gang setzen, Prozesse anstoßen, Vertrauen gewinnen
Exklusivkonzept setzt auf Sogwirkung
Vor rund anderthalb Jahren machte Optiswiss mit seinem „Exklusivkonzept“ von sich reden. Gesucht wurden – und werden – unabhängige, traditionelle Augenoptiker, exklusive Partner, die von den Vorteilen eines unabhängigen und sich dem augenoptischen Mittelstand zugewandten Brillenglas-Herstellers profitieren möchten (siehe eyebizz 6.2022). Detlef Göttlich hat als Mitglied der Geschäftsleitung und Chief Sales Officer (CSO) mit seinem Team ein paar Inhalte der angestrebten Partnerschaft angepasst, „um Brücken zu bauen. Auch wir lernen in der Zusammenarbeit mit unseren Kunden“, sagt Göttlich, der das Konzept der strategischen Partnerschaft zwischen Hersteller und Augenoptiker „grundsätzlich auf einem sehr guten Weg“ sieht.
Die Schweizer sehen sich nicht nur als Brillenglas-Lieferant: Optiswiss möchte als strategischer Partner wahrgenommen werden und mit seinen Kunden auf die Zukunft ausgerichtet zusammenarbeiten. Hier liegt die Krux, zumindest aber die Hauptarbeit in der Kommunikation des Konzeptes. „Manchmal müssen wir in den Gesprächen die Gedanken erst in Gang setzen, Prozesse anstoßen, unseren Weg aufzeigen im Gegensatz zu jenem der anderen. Das ist erklärungsbedürftig, zumal wir ja keinen Druck ausüben möchten und auch nicht können – wir setzen da eher auf Sogwirkung“, erklärt Göttlich. Letzteres scheint nach den Worten des CSO zu funktionieren, schließlich habe er noch nirgendwo „eine solch erfolgreiche Kundengewinnung“ erlebt.
Überzeugungsarbeit nach wie vor notwendig
Die Hürden seien bei den Zweiflern dieselben wie früher, Überzeugungsarbeit also nach wie vor notwendig. Den Brillenglas-Hersteller wechselt man nicht gerne und insbesondere die Mitarbeitenden im Betrieb müssen überzeugt werden. Abseits davon mache Optiswiss von sich reden, Göttlich zählt ein paar Argumente mit breiter Brust auf. „Mit unserer nachhaltigen Produktion mitten in Europa, dem Portfolio inklusive biometrischer Brillengläser und Smyle fürs Myopie-Management als Highlights, den mehrwertstiftenden Kooperationen und dem Vertriebskonzept samt Gebietsschutz für den Augenoptiker.“ Ihm sind die Reaktionen auf das Konzept in den vergangenen Monaten nicht verborgen geblieben, auch nicht die der Mitbewerber, die aber nicht in der Lage seien, ein solches zu kopieren.
„Manch ein Augenoptiker sucht vergeblich bei uns einen Haken, denn in der Augenoptik ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten viel Vertrauen verspielt worden“, sagt der CSO. Das mache einerseits Arbeit, andererseits sehen die Verantwortlichen in Basel genau an dieser Stelle ihre Chance. „Wir stehen für Transparenz. Entscheidend ist die Frage: wem vertraue ich? Das braucht auch Überzeugungsarbeit.“ Und das braucht offensichtlich etwas mehr als die anderthalb Jahre, die Optiswiss nicht mehr nur mit seinen Produkten, sondern zudem mit „ganzheitlichen Konzepten und Weitsicht“ wirbt.