Zum Geburtstag blickt das Auge im dreigezackten Oculus-Logo in eine goldfarbene Zukunft: Aus dem Blau wurde Gold. Durchaus angemessen bei einem deutschen Hersteller feinoptischer Geräte und Instrumente für Ophthalmologen, Optometristen und Augenoptiker, der sich seit 125 Jahren erfolgreich auf dem Markt behauptet. Anlässlich des Jubiläums lud die Familie Kirchhübel Fachjournalisten nach Wetzlar ins Stammhaus ein. Die Führung durch die Firmenräumlichkeiten imponierte ebenso wie manch offenes Wort der Unternehmensspitze.
1895 in Berlin-Mitte von Alois Mager als „Spezialfabrik Ophthalmologischer Instrumente“ gegründet, setzte die Oculus GmbH – so der Firmenname seit 1932 – immer wieder Maßstäbe. Mit dem ersten manuellen Perimeter zur Gesichtsfelduntersuchung für statische und kinetische Perimeter – in Zusammenarbeit mit der Universitäts-Augenklinik Tübingen entstanden – leistete man 1958 Pionierarbeit für Augenärzte. Längst operiert das Unternehmen, seit 1947 in der Optikstadt Wetzlar ansässig, weltweit, mit zehn Niederlassungen außerhalb Deutschlands und 400 Mitarbeitern. 150 junge Menschen wurden seit 2000 ausgebildet: zum Elektroniker, Industriemechaniker und Einzelhandelskaufmann. Zur Zeit in der Ausbildung: 28. Doch noch immer liegen die Geschicke des Unternehmens in Familienhand.
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Oculus: Erfolgreiches Familienquintett
Bei der Pressekonferenz waren sie alle versammelt: Seniorchef Rainer Kirchhübel (sein Vater Kurt stieg 1947 in das Unternehmen ein und war ein Schwager des Gründer-Sohnes), umrahmt von seinen beiden Söhnen: zur Linken Christian, der zweite Geschäftsführer, verantwortlich für den globalen Vertrieb, zur Rechten Matthias, zuständig für Prozessentwicklung und auch mit in der Geschäftsleitung. Komplettiert wurde das Familienquintett von Rita Kirchhübel, seit 25 Jahren Leiterin des Marketings, und Kerstin Kirchhübel, die sich um die technische Dokumentation und das Qualitätsmanagement kümmert.
Beachtliche Fertigungstiefe: 85 Prozent
Nach einem Imagefilm zur Unternehmenshistorie ging es auch schon los mit einer Führung durch das 12.000 Quadratmeter große Firmengebäude mit seinen verschiedenen Montageabteilungen mit mechanischer Fertigung, Automatisierung, hochkomplexen Messverfahren, Oberflächenveredelungen, Logistik, Lagerbereich, Schauräumen. Dass das Unternehmen mit der Losung „made in Germany“ nicht übertreibt, zeigt die Fertigungstiefe von 85 Prozent, also der Anteil der Eigenfertigung innerhalb des Produktionsprozesses. Im Werk II in Münchholzhausen hat man eine eigene Spritzgussabteilung und stellt sphärische, zylindrische und prismatische Gläser her.
Im Zentrum der Führung Klassiker und Innovationen im Produktportfolio: der Keratograph 5M zur Vermessung der Hornhautvorderfläche oder auch die Pentacam zur Untersuchung des vorderen Augenabschnittes, beide Geräte komplex in der Herstellung,. Besonders aufwendig: die diffizil eingesetzten Beleuchtungssysteme und die Kameratechnik. Allein 40 Konstrukteure und Software-Ingenieure sind im Unternehmen beschäftigt.
Senior Rainer Kirchhübel scheute bei der engagierten Vorstellung des Betriebs offene Worte nicht: „Wenn Medien behaupten, in zwei Jahren wird alles in 3D-Druck gemacht, dann verunsichert das nicht nur Mitarbeiter in der Optik, es ist einfach auch falsch.“ Bei allem Bemühen um Nachhaltigkeit und Umweltschutz treibt ihn auch ein Thema wie die Energiewende um.
Denn um Qualität und Zuverlässigkeit – das sind zentrale Werte des Unternehmens – zu garantieren, muss der Strom am Produktionsort allerdings verlässlich fließen, Stromschwankungen oder gar Unterbrechungen beeinträchtigten die Produktion unter Umständen massiv. Kirchhübel ist nicht der einzige Mittelständler, den die anstehende Energiewende und die Abhängigkeit von Windkraft oder Solarenergie deshalb auch mit Besorgnis erfüllt.
Messbrille von 1917 reloaded
Besonders faszinierend waren die Einblicke in die Fertigung der Messbrillen zur subjektiven Refraktion. Das neueste Modell – die UB 6 – besteht aus einem komplett anderen Satz von Teilen als der Vorläufer UB 4. Hier zeigen sich auch die Grenzen der Automatisation: Speziell dafür ausgebildete Mitarbeiter bauen die Messbrille in Handarbeit zusammen, aus rund 160 Einzelteilen; da wird montiert und feinjustiert mit Fingerspitzengefühl und Sinn für Proportionen. Anders geht es nicht.
Die Oculus Universal-Messbrillen – die Urform wurde bereits 1917 produziert – sind immer noch zentrales Arbeitsgerät für Augenoptiker. Umso mehr wundert man sich in Wetzlar, in welchem beklagenswerten Zustand manche Messbrille zur Reparatur bei ihnen eintrifft. Wurde damit tatsächlich vor kurzem noch am Kunden gearbeitet? Rainer Kirchhübel verrät: „Manchmal kriegen wir beschädigte Messbrillen, links Oculus, rechts China, aber so was reparieren wir nicht.“
Innovation Myopia Master
Gerade bei den hochentwickelten Hightech-Geräten ist der Kundensupport für das Unternehmen wichtig. Oft ist das Problem dabei weniger technischer Natur, sondern Fehlbedienung. „Heute lässt sich viel online regeln, sodass wir uns beim Kunden aufschalten“, so Matthias Kirchhübel. Mitarbeiter sind immer wieder im Ausland vor Ort, in Amerika oder China.
Und natürlich in Japan, denn seit 1985 vertreibt das Unternehmen die Diagnostik- und Laserproduktlinie von Nidex. Auf der opti stellte man den Nidek RT-6100 vor, einen vollautomatischen Phoropter mit Bedienpanel. Eine andere Innovation aus Wetzlar ist der Myopia Master, das erste Gerät, das die wesentlichen Parameter für das Myopie-Management in einer Myopie-Software vereint (mehr dazu in eyebizz 3.2020).
Wie stark der Blick des 125 Jahre alten Unternehmens in die Zukunft gerichtet ist, zeigt nicht zuletzt das komplett automatisierte Lager. 2.400 Paletten sorgen für raumsparende Stapelung, per Handheld werden die Aufträge bearbeitet. Auf 780 verschiedenen Tablaren wird das Lager- und Transportgut befördert. Doch der besondere Knüller kam am Ende der Führung: Ein innovatives Verpackungssystem, bei dem sich ein Karton nach Maß ganz schnell erstellen lässt, also genau in dem Moment, wenn er benötigt wird. Natürlich automatisch.
/// JUEB
ID [12035]
Nachgefragt
eyebizz: Welche Märkte sind derzeit besonders wichtig. Und welche besonders schwierig?
Rainer Kirchhübel: China ist ein wichtiger Markt, durch das Coronavirus momentan natürlich auch schwierig. In den USA sind wir gut aufgestellt. Seit kurzem haben wir eine Niederlassung in England, da wird es für uns wahrscheinlich schwieriger, auch wenn wir im Bereich der Medizintechnik auf einen sanften Brexit hoffen. Nicht so einfach sind derzeit die Märkte Indien oder Brasilien, wo wir eine neue Niederlassung haben, die noch im Aufbau ist. Da schlagen wir uns mit viel Bürokratie herum. In jedem Land müssen wir die Produkte einzeln zulassen. Das kostet viel Kraft und Mühe.
Wird in China noch so viel kopiert wie früher?
Leider ja. Ich habe kurz vor der opti gerade noch verhindern können, dass eine chinesische Kopie einer unserer Messbrillen dort ausgestellt wird. Von der Mentalität her sind die Chinesen ein bisschen wie Konfuzius: „Never copy the copy, always copy the original“. Schon früher haben die Chinesen auch unsere Pentacam kopiert. Wir haben dann zu dem chinesischen Hersteller gesagt: Sie haben unsere Patente verletzt. Und der Hersteller antwortete uns: „Wir müssen jetzt erst einmal jemanden einstellen, der die Patente untersucht, dann kommen wir wieder auf Sie zu.“ Und solche Patentverletzungen kostet viel Geld, wenn man das durchsetzen will.
Mit anderen Worten, es ist keine Handhabe da?
Ja, das ist schwierig. Das chinesische Patentrecht ist eben ganz besonders. Dort ein Patent anzumelden ist nicht einfach, auch wegen der Sprache. Wenn wir aber ein Patent in Deutschland anmelden und nicht in China, und die Chinesen melden es bei sich an, dann ist es für uns dort gestorben. Und wir dürfen dann unser Gerät nicht mehr nach China exportieren.
Oculus
Geschäftsführer: Dipl.-Ing. Rainer Kirchhübel, Dipl.-Kfm. Christian Kirchhübel
Gründung: 1895 in Berlin als „A. Mager Spezialfabrik Ophthalmologischer Instrumente“, ab 1932: Oculus GmbH
Firmensitz: (seit 1947) Wetzlar, Werk II in Münchholzhausen (Spritzgussfertigung, Marketing-Abteilung, neue Optikproduktion)
Größe: rund 400 Mitarbeiter, 10 firmeneigene Tochterunternehmen mit über 200 Händlern in über 80 Ländern
Niederlassungen im Ausland: Tschechische Republik, Slowakai, Polen, Spanien, Brasilien, Kanada, Großbritannien, USA, Türkei und Hongkong
Seit 1985 Exklusivvertrag, Vertrieb und Service der Nidex Diagnostik- und Laserproduktlinie in Deutschland