Bartels in Aschaffenburg: Vorhang auf für gutes Sehen
von Patricia Perlitschke,
Auf den ersten Blick könnte man meinen, in der Heinsestraße 8 in Aschaffenburg handelt es sich um ein exklusives Einrichtungs-Geschäft mit Designer-Möbeln, lägen da in den seitlichen Regalen und auf dem großen runden Tisch im Eingangsbereich nicht auffallend viele Brillen: Das sind die Räume von „Bartels – stil bewusst sehen“.
In dem offenen Raum wandert der Blick der Besucherin vom Entrée weiter nach links zur stylishen Sitzgruppe eines Wohnzimmers, dahinter Esstisch mit Stühlen und eine Kücheninsel mit Kaffee und Bar-Utensilien. Inhaber Christian Bartels, distinguiert und gleichzeitig lässig, mit graumeliertem Vollbart und dunkler Brille, unterstreicht sein herzliches Willkommen mit einem perfekt zubereiteten Cappuccino, ganz der leidenschaftliche Hobby-Barista.
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Vorhang-Stores und dekorative Kacheln an den Wänden sowie flauschige Teppiche schaffen einen warmen Wohnungs-Look und bilden einen spannenden Gegensatz zu Boden, Pfeilern und Decke aus rohem Beton und den für Lofts so üblichen, sichtbaren Rohrleitungen. Ab und zu ein grüner Pflanzen-Spot und Blumen-Arrangements. Die Spots leuchten gezielt die Brillen an, setzen Akzente mit den im Raum verteilten Spiegeln.
So wenig, wie es eine klassische Kassentheke gibt, so untypisch ist auch das Schaufenster. Wo sonst gerne viel zu viele Produkte gezeigt werden, ist es hier gerade mal eine einzige Sportbrille, auf einem kleinen Tisch drapiert, als wäre sie das persönliche Eigentum der Loft-Bewohner.
Design aus München und der Welt
Pastell- und Candy-Farben und ein mutiger Mix aus unterschiedlichen Formen und verschiedenen Stoffen wie Samt oder Bouclé sorgen für pfiffige Frische, und Gemütlichkeit – eine Kombination aus Mid-Century, Industrial und pastelligen 50er-Jahren, und doch modern. Christian Bartels nennt es den Thatenhorst-Stil.
Die ausgezeichnete Interieur-Designerin Stephanie Thatenhorst (www.stephanie-thatenhorst.com) begeisterte den 55-Jährigen in einer Fernseh-Reportage so sehr, dass er sofort Kontakt aufnahm. Die Münchnerin stylt nur ab und zu Optikläden, hauptsächlich sind es Hotels, Restaurants und Privatwohnungen.
Das Wohnzimmer-Feeling bei Bartels geht noch einen Schritt weiter als bei manch anderen Augenoptikern, hier prägt es das gesamte Geschäft. Kein Wunder, dass Christian Bartels mit seinem Ladenlook schon in zwei Designbüchern vertreten ist, was den Inhaber auch stolz macht. Doch hinter den farbenfrohen Vorhängen stecken noch mehr Vorzüge.
Zum Beispiel die bereits erwähnten, so dekorativ in Szene gesetzten Brillen. Handverlesene Independent Labels, darunter Kuboraum, Cutler and Gross, Leinz Eyewear und Kaleos, werden hier präsentiert, deren Geschichte auf der Homepage erzählt wird. Ausgefallene Brillendesigns entdeckt Christian Bartels auf Instagram und Messen. Für Kunden, die es lieber klassisch möchten, hat er seine Eigen-Kollektion Bartels Eyewear in Petto.
Im hinteren Bereich sind weitere Sonnenbrillen und Brillenglas-Varianten dekoriert. Auf der Rückseite einer Wand thront ein schöner Sessel mit Spiegel, geheimnisvoll und einsam – dazu später mehr.
Von stilbewusst zu bewusst sehen
Verlässt man den Verkaufs-Bereich „Stil bewusst“ mit seiner Lounge-Atmosphäre und geht in den linken Teil des 300 qm großen Geschäfts vorbei an Sportbrillen und der gläsernen Werkstatt mit Büro, kommt man in die Zone „Bewusst sehen“. Hier finden sich zwei getrennte Räume für Refraktion und KL-Beratung und eine „Optometrie-Straße“ mit Messgeräten, die sich mit Vorhang abteilen lässt.
Auch wenn es hier cleaner und zweckmäßiger zugeht, sorgen Farbe, schöne Designerleuchten und ein kreisrundes Sofa, das an viktorianische Hotel-Lobbys erinnert, für Gemütlichkeit. Die Schaufenster lassen sich während der Beratung ebenfalls mit Vorhängen vor Blicken von draußen verhüllen.
Mit 3D-Refraktion, MKH-Prüfung, Dämmerungs- und Nachtsehen wird hier umfassend getestet und gemessen, je nach Wunsch mit Brille oder Kontaktlinsen versorgt. Sportbrillen mit Korrektion, Myopie-Management und Optometrie bei Kinderaugen gehören dazu. Im Bereich der optometrischen Leistungen bietet Christian Bartels für die Erwachsenen-Vorsorge Netzhautscan, Gesichtsfeldmessung, Dry-Eye-Sprechstunde, Screening Grauer und Grüner Star und Tränenfilm-Analyse an.
Auch wenn alle Altersgruppen in Bartels Klientel zu finden sind und nicht nur Fancy People, macht die Kundschaft zwischen 40 bis 60 Jahren den Löwenanteil aus. Gleitsicht und Augengesundheit bescheren die größte Nachfrage.
Wo früher eine Bankfiliale war
Die Optometrie auszubauen, war für den Optometristen der Hauptgrund, 2021 in diese ehemalige Bankfiliale zu ziehen. Das vorherige Ladenlokal in der Weißenburger Straße ganz in der Nähe, mit dem sich Christian Bartels 2002 selbstständig gemacht hatte, war mit 80 qm einfach zu klein dafür.
Dass er damit von der 1A- in eine 2B-Lage wechselte, bereitete dem Augenoptikermeister mit Masterabschluss keine Kopfschmerzen: „Für mein Optometrie-Angebot ist der Standort nicht entscheidend, die Leute kommen wegen der guten Leistung und weniger zum Schaufenster-Bummel. Weniger Miete bei größerer Fläche, die Kostenstruktur ist in etwa gleichgeblieben“.
Jetzt stehen sogar Parkplätze zur Verfügung, ein Plus in der Innenstadt. Kunden kommen nur mit festem Termin, die Messungen sind zeitintensiv. Bartels praktizierte solches Zeitmanagement teilweise vor Corona schon, jetzt läuft es ausschließlich so.
Die Umbauphase von Entwurf über Fertigstellung lief über anderthalb Jahre, es gab schlaflose Nächte bis zur Eröffnung im März 2021. Sollte trotz Corona an den Umzugsplänen festgehalten werden? „Im Nachhinein ist alles gut gelaufen, zeitlich genau richtig, aber währenddessen war das keineswegs sicher.“ Bestimmt halfen Bartels seine Fähigkeiten als praktizierender Yogi, Ruhe zu bewahren.
Nachhaltigkeit ist auch lange schon ein Thema. Das Schleifwasser lief von Beginn an durch entsprechende Filteranlagen, Verpackungs-Recycling und Ökostrom wurden genutzt. Später kamen E-Autos dazu, und aus dem Hahn der Küchenzeile im neuen Geschäft kommt das gute Aschaffenburger Leitungswasser. Christian Bartels schaut auf nachhaltige Fassungs-Lieferanten möglichst aus Europa, auch wenn das mit Mehrkosten verbunden ist.
Jetzt im Team
Zur One-man-Show im ersten Geschäft kam ein fünfköpfiges Team dazu. Zeitgleich mit den größeren Räumen hat Bartels auch Logo, Claim und Website neugestalten lassen, letztere von der Web-Agentur Rocktician.
Die Dokumentation der Sehanalysen, Online-Anprobe und -Termin-Vereinbarung laufen digital wie auch die Unterstützung bei Beratung und Messung mittels Tablets. Demnächst können Kunden von Bartels auch eine App nutzen.
Bartels hat das RAL-Gütezeichen für optometrische Leistungen, wie auf der Homepage zu lesen ist. Der Hinweis im Online-Register sei für ihn eine große Chance, es verpflichte zur stetigen Weiterbildung: „Dieses Fachwissen ermöglicht mir eine Kommunikation mit Augenärztinnen und Augenärzten auf Augenhöhe.“ Und eine gute Zusammenarbeit mit ihnen bis nach Frankfurt am Main.
Im vergangenen Oktober feierte Bartels 20-jähriges Bestehen, 14 Tage lang mit „Brand Days“, Foodtruck, Barista und rund 250 Gästen. Das gab noch mal einen Push fürs Publikum, die Designer-Marken und den erweiterten Optometrie-Bereich näher zu entdecken.
Der geheimnisvolle Sessel
Was aber bedeutet der geheimnisvolle Sessel hinter der Wand? „Das ist der dritte Bereich, unsere Brillen-Abgabe“, verrät Christian Bartels zum Schluss. Hier können es sich die Kunden stilvoll bequem machen und für den ersten besonderen Moment mit der neuen Brille zunächst ganz für sich sein. Was sie sehr genießen würden, so der Chef.
Die Rückseite der Wand entpuppt sich als Schrankfront, in der verborgen die fertiggestellten Brillen sortiert auf ihre zukünftigen Besitzer warten sowie Zangen und Ventilette für die Anpassung bereitliegen plus Computer und Kartenlesegerät für die abschließende Bezahlung.
Auf die Frage nach seinem Alleinstellungsmerkmal überlegt Christian Bartels etwas, bevor er antwortet: „Ein toller Ladenbau gehört dazu, aber man muss einfach einen guten Job machen. Die Produkte müssen stimmen und der Umgang mit den Kunden, auch die Optometrie ist ein wichtiger Baustein. Aber letzten Endes muss das Gesamtpacket stimmen, und man muss das Ganze leben, und das tun wir hier!“
Wenn immer mehr Betriebe, auch in seinem Umfeld, optometrische Leistungen anbieten, und das wird kommen, muss sich auch Bartels weiterentwickeln, in eigenes Wissen investieren, den eigenen unverwechselbaren Stil weiter pflegen und die Kundschaft erneut überraschen, so wie bisher mit der Performance hinter den Vorhängen im Optik-Loft.
/// PE
Bartels – stil bewusst sehen Heinsestraße 8, 63739 Aschaffenburg www.bartels-optik.de
3 Tipps von Christian Bartels:
Einzelbetriebe sollten wandelbar sein und offen bleiben für neue Entwicklungen, um sich gegen Optikketten zu behaupten.
Jeder muss seinen eigenen Weg finden und Chancen nutzen.
Spezialisieren und dranbleiben.
Alle Bilder: Bartels – stil bewusst sehen, Fotografen: Felix Krumbholz und Konrad Kastenmeier
Artikel aus der eyebizz 2.2023 (Februar/März)
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