Bobo in Grönland: Mit dem Schneemobil auf den eisigen Fjord hinaus
von Dr. Jürgen Bräunlein,
Kaum ein Land ist so dünn besiedelt wie Grönland, kaum eines so bitterkalt und wechselhaft. Augenoptiker*innen müssen wetterfest und abenteuerlustig sein, um dort jedes Mal gutgelaunt per Schneemobil, Boot oder Hundeschlitten zu ihren Kunden zu gelangen. Eine von ihnen ist Bobo. 2009 eröffnete sie in Ilulissat ein Augenoptikgeschäft. Deutschland kennt sie von regelmäßigen Besuchen der opti.
Meine Berufung
Als ich in Qaqortoq aufs Gymnasium ging, kam der Studienberater kurz vor den Sommerferien in alle Klassen und verlangte, dass wir in den Ferien darüber nachdenken sollten, was wir werden wollten. An diesem Tag sah ich auf dem Heimweg eine alte Dame, die mit schweren Tüten beladen nach Hause ging und eine Brille trug, die schief saß, weil der linke Bügel fehlte. Da war mir klar: Ich will Augenoptikerin werden und ein eigenes Geschäft eröffnen.
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Meine erste Brille
Bekam ich mit 12. Damals lebten meine Familie und ich in Qaqortoq in Südgrönland. Wir verbrachten viel Zeit im Freien, spielten (Fuß)Ball, kletterten Hügel hinauf, rutschten im Winter im Schnee auf einem großen Plastikrucksack den Berg hinunter. Dabei ging die Brille schnell kaputt. Da es bei uns kein Augenoptikergeschäft gab, versuchten wir, die Brille mit Klebe- oder Gummiband zu befestigen.
Meine Ausbildung zur Augenoptikerin
Schloss ich an der Kopenhagener Optikerschule in Frederiksberg ab. Damals umfasste das Studium ein Jahr an der Hochschule und ein Jahr in der Praxis. Das einzige Optikergeschäft in Grönland war zu dieser Zeit Synoptik in Nuuk, unserer Hauptstadt. Für fünf Jahre zog ich von Qaqortoq nach Nuuk, einmal im Jahr flog ich nach Dänemark. Nach Beendigung des Studiums bot mir Synoptik einen Job an.
Mein Geschäft Bobo’s Optik auf Grönland
Eröffnete ich 2009 in Ilulissat, einer Küstenstadt im westlichen Grönland. Ich arbeite allein. Der Tag beginnt mit einem Ausflug zur Post, denn die Gläser, die der Kunde gewählt hat, werden mir geschickt. Im Laufe des Tages probiere ich die Gläser aus, dann rufe ich die Kunden an, sie kommen vorbei. Doch häufig fahre ich mit dem Flugzeug, dem Boot oder dem Schneemobil auf dem Eis des Fjordes hinaus, um Kunden in Städten und Dörfern zu besuchen.
Zwei große Koffer habe ich dabei, einen mit Fassungen (250-300 Stück), einen mit der Ausrüstung zum Vermessen der Augen, der besonders schwer ist. In einem Servicehaus (dänisch: „forsamlingshus“) breite ich die Fassungen aus, führe Refraktionen durch, berate meine Kunden. Hinterher habe ich jede Menge Aufträge.
Meine Kunden
Meistens verkaufe ich Fassungen mit Nasenpads. Andernfalls würde die Fassung auf den Wangen aufliegen, was im Winter zu Erfrierungen führen kann. Von Mitte November bis Anfang Januar, wenn es bei uns dunkel ist, wollen die Grönländer klare Gläser haben, wenn die Sonne und der Schnee im Februar oder März sehr hell werden, möchten sie dunkle oder selbsttönende Gläser tragen.
Meine Besuche auf der opti
Die opti im Januar ist für mich immer eine gute Zeit im Jahr, weil ich dort meine Fassungen bestellen kann. Nach dem Winter und dem Aufbrechen des Eises fangen die Grönländer zu fischen an, bekommen mehr Geld in die Hand, der Verkauf geht hoch, und ich habe viele Kunden. Am Ende des Jahres geben sie ihr Geld für Festessen und Weihnachtsgeschenke aus, und die Nachfrage geht runter, aber da muss ich ohnehin meine Steuern machen und viel Papierkram erledigen.
Meine Herausforderungen
Grönländer leben mit der Natur und sind deshalb sehr geduldig. Wenn das Wetter nicht mitspielt, kann das Flugzeug oder der Hubschrauber nicht fliegen, und ich muss alle Kunden anrufen und ihnen sagen, dass ich nicht komme. Da Grönland so groß ist, kann ich nicht erwarten, dass der Kunde von weit her zu mir kommt, wenn er seine Brille verliert; er wird warten, bis ich zu ihm komme. Deshalb mache ich jedes Jahr im Sommer eine Bootsfahrt, besuche die vielen Dörfer an der Küste. Die Reise kann eine ganze Woche dauern, aber wieder hängt es vom Wetter ab.
In diesem Jahr z.B. bin ich nicht mit dem Schneemobil rausgefahren, weil der Winter in Grönland nicht so kalt war und sehr windig, sodass das Eis zerbrochen ist. Bei manchen Kunden war ich deshalb schon fast ein Jahr nicht mehr, jetzt muss ich bald zu ihnen. Hoffentlich warten sie auf mich.