In jeder Ausgabe von eyebizz portraitieren wir Unternehmer-Persönlichkeiten, die kennenzulernen sich lohnt. Diesmal ist es Optometrist Dirk den Dulk, Partners in Vision by G&M Eyecare, New South Wales (Australien). Als er 1979 in den Beruf einsteigt, ist die australische Optometrie noch in erster Linie auf Refraktion ausgerichtet. Seitdem hat sich vieles im Berufsbild verändert.
Dass der 67-jährige Dirk den Dulk im australischen Bundesstaat New South Wales 85 Kilometer südlich von Sydney in Wollongong lebt, unweit von spektakulären Küstensteilhängen und herrlichen Sandstränden, ist Schicksal. Seine Eltern, beide Holländer, wanderten 1952 nach Australien aus, wo sich Dirk die Türen zu mehr Bildung öffnen. Er ist der Erste in der Familie, der in den Genuss einer Hochschulausbildung kommt.
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Doch Arzt, so sein ursprünglicher Traum, wird er nicht, denn der Schwager, der es geworden ist, macht ihm die Profession madig: Tag und Nacht arbeiten, kein Familienleben, nur mit dem Beruf verheiratet. So wird Dirk den Dulk Optometrist. Und bereut es nicht. „Ich bin mit der Optometrie verheiratet und habe mich trotzdem gut entschieden, ich liebe jeden Tag, den ich praktiziere.“
Verheiratet mit der Optometrie
Als er 1979 seinen Abschluss in Sydney an der University of New South Wales macht und in den Beruf einsteigt, ist die australische Optometrie noch in erster Linie auf Refraktion ausgerichtet. Optometristen untersuchen Augen, um Brille oder Kontaktlinsen zu verschreiben, im Fall einer Augenerkrankung überweisen sie an den örtlichen Augenarzt. Doch die Branche steht vor Umbrüchen.
Ursprünglich erbrachte die Augenheilkunde in Australien die gesamte primäre augenärztliche Versorgung und reagierte deshalb immer defensiv auf das Eindringen der Optometrie in ihre berufliche Domäne. Doch in den 1980er Jahren senkt Medicare, die staatliche Krankenversicherung, die Erstattungskosten für die augenärztliche Refraktion, was dazu führt, dass die Augenärzte ihre Refraktionsleistungen fast über Nacht an die Optometrie abtreten. Gleichzeitig erweitert sich das Arbeitsfeld in Bezug auf weitere Spezialgebiete (Netzhaut, Katarakt, vordere Augenkrankheiten). Doch Optometristen bleiben als „Überweisungsbasis“ für Augenärzte wichtig, wie Dirk den Dulk erzählt.
Berufsbild im Umbruch
In den Nullerjahren verschiebt sich das Berufsbild deutlich. „Optometristen stoßen in den Aufgabenbereich von Augenärzten vor, behandeln Patienten mit leichten Augenerkrankungen und arbeiten bei schweren sogar mit Augenärzten zusammen.“ Er selbst wird zum Pionier, gehört 2008 zu den ersten Optometristen in New South Wales, die eine therapeutische Lizenz erwerben, um primäre Augenerkrankungen zu behandeln. Er kann jetzt Medikamente bei Glaukom, Infektionen, Entzündungen und atopischen Augenkrankheiten verschreiben.
„Die Optometrie hat ihr Leistungsspektrum erheblich erweitert“, so beschreibt er den Status quo, „hat etwa 90 % der augenärztlichen Grundversorgung übernommen und wird jetzt auch von den Patienten viel besser wahrgenommen.“
Diagnostik mit Künstlicher Intelligenz
Wollongong hat 260.000 Einwohner, in der lokalen Aborigine-Sprache bedeutet das Wort „Meeresrauschen“ oder „reiche Fischmahlzeit“. Die beiden Optometriepraxen, in denen Dirk den Dulk mit einem weiteren Optometristen arbeitet, befinden sich in Abion Park und Balownie, zwei Vororten von Wollongong, 22 Kilometer voneinander entfernt. Zum Team gehören eine Optometrie-Assistentin, zwei Augenoptiker*innen und eine Empfangsdame für Terminvergabe und Büroarbeiten. Typisch für eine australische Optometriepraxis ist die gute Ausstattung für Diagnostik: Gesichtsfeldscreener, Augenkohärenztopographie, Fundusfotografie, biomikroskopische Fotografie und Hornhauttopographie.
„In Australien gibt es ein Sprichwort: ‚Man bekommt das, wofür man bezahlt‘. Das bedeutet, dass billig nicht immer gegen Service und Qualität ankommt.“
Beide Praxen nutzen die in Australien entwickelten, auch in Europa verfügbaren klinischen Support-Tools des MedTech-Unternehmens Eyetelligence. „Bisher verwendeten wir künstliche Intelligenz für die optische Kohärenztomographie und die Gesichtsfelder, aber nicht bei der Fundusbildgebung – das ist wirklich aufregend“, so der Optometrist. „Ich zeige Patienten, wie ein gesundes Auge im Vergleich zu ihrem aussieht, so sind sie besser in der Lage zu verstehen, warum sie in sechs Monaten wiederkommen müssen oder doch einen Augenarzt brauchen.“
55 Prozent Optometristinnen
Dirk den Dulk verwendet die Tools auch als Lehrmittel für die Studierenden an der Deakin University, wo er seit zehn Jahren Lehrbeauftragter für Optometrie ist. „Wir können uns die Bilder eines Patienten ansehen und diskutieren, was wir sehen, und vergleichen unsere Analyse mit der Analyse der Künstlichen Intelligenz. Bei Grenzfällen wird den Studenten klar, dass selbst Experten unterschiedlicher Meinung sein können, doch die KI kann nur so gut sein wie die Menschen, die sie trainieren.“
Dirk den Dulk betreut die Studenten auch bei ihrem sechsmonatigen Praktikum in einer optometrischen Praxis. „In zehn Jahren hatte ich nur zwei männliche Studenten. Die Optometrie ist überwiegend weiblich, wie viele andere Gesundheitsberufe auch. Es gibt Bestrebungen, für ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in Führungspositionen zu sorgen, aber ich glaube, dass Australien in dieser Beziehung noch einen weiten Weg vor sich hat.“
Extrem sind die Unterschiede bei der Geschlechterverteilung allerdings nicht: 2019 waren in Australien 3.241 Frauen als Optometristinnen registriert, was einer Quote von 55,2 % entspricht, 2012 waren es 47,17 %, so die Zahlen von mivision, dem wichtigsten nationalen Kommunikationsportal für Optometristen und Augenärzte.
Im Online-Kurs zum Augenoptiker
Während der Berufsstand der Optometristen in Australien qualitativ und quantitativ zulegte, verschlechterten sich Situation und Ansehen von Augenoptiker*innen in den letzten Jahren. Musste man früher eine 3-jährige technische Ausbildung absolvieren, die Theorie und praktischen Unterricht umfasste, können Australier jetzt einen Fachnachweis zum Augenoptiker online in einem 12-monatigen Kurs erwerben. Auch sei es nicht unbedingt erforderlich, den Kurs wirklich abzuschließen, weiß Dirk den Dulk, der diese Entwicklung kritisch sieht.
„Mit der Deregulierung der augenoptischen Versorgung und dem Einsatz von Einzelhändlern anstelle von geschulten und professionellen Augenoptiker*innen befürchte ich ein Ungleichgewicht. Angesichts der immensen Qualitätsverbesserungen bei Brillengläsern und der Fortschritte bei den Diagnosegeräten benötigen wir gut ausgebildete Fachkräfte, um die höchste Qualität an Sehgesundheit zu gewährleisten. Das wird leider nicht von jedem erkannt.“
Auch in Australien herrscht in der Augenoptik Preisdruck, angetrieben von Marktkonzentration und Filialisierung, aber es gibt eine große Nachfrage bei modischen Brillenfassungen und Qualitätsgläsern, so den Dulk. Er selbst hat nie auf die Billigschiene gesetzt, auch wenn er, wie er zugibt, durch preisaggressive Optikunternehmen wie Spec Savers zeitweise Kunden verloren hat, die aber wiederkamen.
Symbiose zwischen Optometrie und Augenoptik
Vor 40 Jahren gab es in Australien mehr unabhängige Optometristen. Heute dominieren schnell wachsende Optikunternehmen, die eine symbiotische Beziehung zwischen Optometrie und Augenoptik eingehen wie OPSM, EYE Q Optometrists und allen voran Spec Savers, eine britische, doch international agierende Einzelhandelskette. 2007 wurde die erste Spec Savers-Praxis in Australien eröffnet, mittlerweile sind es 324.
Die Optometrie ist allerdings eine Wachstumsbranche. Laut IbisWorld umfasst die australische optometrische Industrie 3.182 Unternehmen, die 14.226 Menschen beschäftigen und einen Jahresumsatz von 3 Milliarden australische Dollar erwirtschaften. Das Wachstum liegt seit 2012 bei 1,2 % pro Jahr.
Nicht zuletzt COVID-19 und immer wiederkehrende Schließungen haben unabhängige Optometristen, die als Einzelkämpfer unterwegs sind, neue Herausforderungen beschert: Probleme mit Vermietern, Kreditgebern, Lieferanten und (fehlendem) Personal. Manche suchen in unsicheren Zeiten den Zusammenschluss.
Die Individualität als Optometrist bewahren
Auch Dirk den Dulk und sein Partner gingen vor 20 Monaten diesen Weg und verkauften beide Praxen an George & Matilda Eyecare, einem Optometrie-Kollektiv, das mittlerweile rund 90 unabhängige Optometrie-Praxen besitzt. Ihre Philosophie ist es, diesen Praxen zu ermöglichen, so weiterzumachen, wie sie es immer getan haben. Der Augenoptiker wird zum Angestellten, ist aber dennoch am Gewinn beteiligt.
Eine Partnerschaft von Einzelpersonen und Unternehmen, die für Dirk den Dulk, funktioniert. „Für mich bedeutet das, dass ich Optometrie ausüben kann, ohne mich um die geschäftliche Seite kümmern zu müssen. Buchhaltung, Steuern, Altersvorsorge und Personalfragen – all das wird mir abgenommen. Umgekehrt war es mir wichtig, meine Individualität als Optometrist zu bewahren.“
Dass der Optometrist mit niederländischen Wurzeln seine Herkunft nicht vergisst, dafür sorgen seine zwei Enkelkinder, die nicht Grandpa, sondern Opa zu ihm sagen, wie es auch auf Niederländisch heißt. „Australien ist isoliert und rau, aber ein wunderbarer Ort, um zu leben“, sagt Dirk den Dulk, „allerdings liebt meine Frau, die in siebter Generation Australierin ist, die Niederlande vielleicht noch mehr.“
/// JB
Partners in Vision by G&M Eyecare
155 Tongarra Rd, Albion Park, New South Wales 2527
125-129 Balgownie Road, Balgownie, New South Wales 2519