Den Beruf des Augenoptikers kann man bekanntlich auf unterschiedliche Weise ausüben. Viele machen vieles gleich oder ähnlich, aber manche gehen erstaunlich andere Wege, mit Mut zum Risiko. Solche Unternehmerpersönlichkeiten portraitiert eyebizz in jeder Ausgabe. Erfahren Sie mehr über Ines Kramer und David Gerlach, draeger + heerhorst, Duderstadt.
Nicht nur in der Politik setzen sich Doppelspitzen erfolgreich durch, wie man es bei den Grünen sieht. Auch in der Augenoptik gibt es Erfolgsgeschichten dazu. 150 Jahre draeger + heerhorst gehören dazu.
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Leuchtend gelbe Rapsfelder in einer hügeligen Landschaft begrüßen den Besucher auf dem Weg ins niedersächsische Duderstadt, östlich von Göttingen gelegen. Die kleine Stadt ist bekannt für ihr überwiegend mittelalterliches Erscheinungsbild mit pittoresken Fachwerkhäusern, 500 an der Zahl, die trotz diverser Kriege und Großbrände noch so gut und zahlreich erhalten sind wie kaum noch anderswo, außerdem mehrere Stadtkirchen und eines der ältesten und schönsten Rathäuser Deutschlands.
Zu besten Zeiten der Hanse aufgrund seiner Lage an der Kreuzung zweier wichtiger Handelsstraßen ein wohlhabendes Städtchen ging es mit dem Hanse-Niedergang auch den Duderstädtern schlechter. Jahrhunderte später erschwerte die Randlage an der innerdeutschen Grenze den wirtschaftlichen Erfolg. Eine lustige Legende um die Namensgebung besagt, dass die Stadterbauer, zwei Brüder, sich gegenseitig den Vorzug lassen wollten mit der Aufforderung: „Gib du der Stadt den Namen“, was dann irgendwie doch zum Ziel führte.
In der Marktstraße, zentral am Marktplatz, liegt das Optikgeschäft draeger + heerhorst: Die ganze Front des Ladens ist ein einziges Schaufenster, offen und einladend, das viel Licht in den Verkaufsraum lässt. 2015 auf 180 Quadratmeter erweitert und modernisiert, dominieren warmes Holz und helle Farben.
Seit zwei Jahren heißen die Inhaber Ines Kramer und David Gerlach. Während Ines Kramer 2003 schon als Meisterin dort anfing, startete David Gerlach dort 2005 als Azubi und kehrte nach der Meisterschule und Beschäftigung in Hannover vor zehn Jahren als jüngster Augenoptikermeister Niedersachsens zurück nach Duderstadt. Er übernahm immer mehr Führungsverantwortung, bis er das Unternehmen schließlich vor zwei Jahren kaufte. Vom Azubi zum Chef: Ein Karriereweg, von dem mancher träumt. Hier wurde er wahr.
Alles begann in Göttingen
Dass ein Angestellter die Firma übernahm, geschah nicht zum ersten Mal. Am 1. Oktober 1869 wurde der Betrieb von Florenz Sartorius als optische und feinmechanische Werkstatt mit Ladengeschäft in Göttingen gegründet. Von Beginn an dabei war Mitarbeiter Louis Dräger und blieb über Jahrzehnte der Firma treu, bis schließlich 1903 „der junge Mann von einst“ das Geschäft erwarb. 1920 traten Sohn und Schwiegersohn, Georg Dräger und Friedrich Heerhorst, ins Unternehmen ein. Daher rührt der heute noch gültige Name des Betriebs.
draeger + heerhorst: Immer schon Vorreiter
Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Tod von Dräger Senior (1947) und Schwager Heerhorst (1953) stieg Georg Ende der 50er Jahre als Geschäftsführer und Mitinhaber des Familienbetriebes auf, wandelte diese in eine Kommanditgesellschaft um und machte sich mit der zusätzlichen Fertigung und dem Vertrieb von Instrumenten und optischen, hörakustischen und medizinischen Geräten unter der Abkürzung DEHAG weltweit einen Namen.
Zum 100-Jährigen 1969 startete in Göttingen dann ein eigenes Augenoptik-Fachgeschäft unter dem Namen Dräger & Heerhorst. Moderne Technik und das Angebot von Innovationen, wie die damals neuen phototropen Brillengläser, gehörten von Anfang zum eigenen Anspruch.
draeger + heerhorst – fast immer mit Doppelspitze:
Ursprünglich die Namensgeber Georg Dräger und Friedrich Heerhorst,
später die beiden Inhaber Frank Bauer und Thomas Enzmann,
heute sind es Ines Kramer und David Gerlach.
Filialen und Aufteilung
Weil damit so erfolgreich und auch, um näher an den Kunden im Umland zu sein, startete 1999 die erste Filiale von draeger + heerhorst in Duderstadt, inzwischen unter den Ägide von Frank Bauer und Thomas Enzmann. Ersterer hatte das Unternehmen gekauft, Enzmann kam als Angestellter dazu und erwarb später Anteile daran. 2003 folgte das Geschäft in Gieboldehausen, und seit 2005 laufen beide Standorte mit dem Zusatz „Im Eichsfeld“, wie das Umland genannt wird. 2014 folgte ein Ableger im thüringischen Leinefelde, 25 Kilometer süd-östlich von Duderstadt.
Seit der Teilung 2015 gibt es zwei Unternehmen. Das Stammgeschäft „Draeger & Heerhorst“ mit Sitz in Göttingen verblieb beim Teilhaber Thomas Enzmann. Die Läden „im Eichsfeld“ führte weiterhin Frank Bauer. Als sich dessen Ruhestand abzeichnete, taten sich die Mitarbeiter Ines Kramer und David Gerlach zusammen und kauften das Unternehmen vor zwei Jahren zu 30 bzw. 70 Prozent.
Das Auge und die Eichsfeld-Liebe
Die Marke „Das Auge des Eichsfeldes“ (so wird auch der Seeburger See zwischen Duderstadt und Göttingen genannt) entstand. Diesen Slogan spiegelt auch das Icon über dem Namen draeger + heerhorst wider, ein stilisiertes Auge mit Krone darüber, die für die Tradition und lange Firmengeschichte steht.
Das Eichsfeld reicht von Göttingen im Westen bis Richtung Osten ins Thüringische hinein, wo auch die Filiale Leinefelde liegt. Die Verbundenheit mit der Region und den Kunden erneuern und festigen die beiden heutigen Inhaber immer wieder mit Aktionen und Events, wie zum Beispiel ein Foto-Wettbewerb über die Landschaft oder die Haus-Kollektion „Eichsfeldliebe“, deren 150 Fassungen – seit Februar erhältlich – schon zu drei Viertel verkauft sind.
Team-Building
Dass aus den einstigen Kollegen mal Teilhaber werden würden, hat sich so ergeben – eine gute Fügung und „allein hätte man das auch gar nicht stemmen können“, ergänzt Ines Kramer. Überhaupt zieht sich diese Doppelspitze wie ein roter Faden durch die Firmenhistorie. Zweier-Team-Building ist hier Programm: ursprünglich die Namensgeber Georg Dräger und Friedrich Heerhorst, später die beiden Inhaber Frank Bauer und Thomas Enzmann, und heute Ines Kramer und David Gerlach.
Passen die Charaktere und Fähigkeiten gut zusammen, ist das ein Gewinn für die Partnerschaft. In diesem Gespann ist für die Marketing-Ideen Bauchmensch David Gerlach zuständig. Der begeisterte Wanderer und Skandinavien-Fan muss immer öfter Verkauf und Beratung mit viel Zeit im Büro tauschen, denn die Service-Angebote und Kunden-Events wollen auch durchdacht und organisiert werden.
Ines Kramer ist eher der bedächtige und analytische Charakter. Die 39-jährige Mama von zwei Jungs ist neben Verkauf und Kundenberatung zuständig für die aufwändige Personalplanung, die immerhin 17 Mitarbeiter, viele davon in Teilzeit, urlaubs- und fortbildungs-bedingt mit passenden Arbeitszeiten unter einen Hut bringen muss. Zur Erholung geht sie dann am liebsten auf Kreuzfahrt und hat so schon viel von der Welt gesehen.
Die beiden ergänzen sich gut und sind sich bisher bei geplanten Projekten stets einig gewesen. Und das war schon einiges: Service-Angebote für die Kunden, ab und an Laden-Partys, das jährliche „Testival im Harz“ zum Testen von Mountainbikes, Kontaktlinsen und Sportbrillen und natürlich die Pflege von Social Media über Facebook und Instagram. Das alles ist mit großem Aufwand verbunden, mitunter auch nicht kostendeckend, bringt aber Präsenz und sorgt für mehr Bekanntheit bei potenziellen Kunden und im Nachhinein wieder für Nachfrage.
Eine große Rolle spielt auch die aktuelle persönlichere Werbung des Unternehmens mit den Konterfeis der Mitarbeiter, die einen engeren Bezug zu den Kunden schafft. Auch das kommt nicht von ungefähr.
Das größte Kapital: die Mitarbeiter
Die Doppelspitze ist nicht das Wichtigste: Das Erste, was man auf der Homepage von draeger + heerhorst sieht, ist das gesamte Team aller drei Geschäfte. Kein Zufall, denn die Mitarbeiter sind laut Gerlach das größte Kapital des Unternehmens. Aktuell sind dort 17 Augenoptiker und Hörakustiker beschäftigt, mehr als die Hälfte mit einem Meistertitel. Auch in diesem Jahr werden neue Mitarbeiter eingestellt und ebenso die Ausbildung mit neuen jungen Leuten besetzt.
„Ohne dieses geile Team, da kann der Gerlach noch so den Vortänzer machen,
ständen wir nicht dort, wo wir gerade sind.“
„Unsere ,Eigengewächse’ bleiben gerne bei uns und werden bei der Weiterbildung zum Meister unterstützt“, betont der 30-Jährige. Diese Unterstützung fängt an bei guten Gehältern, Fahrtkostenzuschüssen, Firmen-Events, Kosten-Übernahme von Handy und Kita-Platz bis hin zum Meister-Auto. Als Belohnung habe man hoch motivierte Leute, die sich gegenseitig unterstützen, so Kramer. Und ihr Kompagnon ergänzt: „Ohne dieses geile Team, da kann der Gerlach noch so den Vortänzer machen, ständen wir nicht dort, wo wir gerade sind“.
Mehrwert für die Kunden
Und „dieses geile Team“ bindet die Kunden immens an draeger + heerhorst. Aber auch zu den Produkten Brillen, Kontaktlinsen und Hörakustik bietet man den Kunden Mehrwert an – mit Erfolg. So machen die Hörgeräte am Gesamtumsatz rund 19 Prozent aus (Zahlen aus 2018). Ein wachsender Markt, was sich schon in den ersten Monaten dieses Jahres abzeichne.
Auch der Kontaktlinsenumsatz wächst weiter, obwohl oder gerade, weil man hier die Dienstleistung von der Ware trennt. „Bei uns zahlt der Kunde einen extrem niedrigen Boxenpreis und kann unsere Dienstleistung dazu bekommen – entweder im Abo oder Boxen-weise oder auch einfach als einzelne Dienstleistung für Internet-Kontaktlinsenkunden“, so Gerlach. „Der Internetkunde wäre gar nicht mein Kunde, wenn ich ihm das nicht anbieten würde. Die Nachkontrolle kostet bei uns 39 Euro und dauert rund 20 bis 30 Minuten. Somit ist der Stundenpreis vollkommen in Ordnung. Vielleicht kauft er dazu ja dann doch die besser angepassten Linsen bei uns. Und wenn nicht: 39 Euro sind schon mal in der Kasse.“
Zu jeder Brille ein Sorglos-Paket
Wenn auf Facebook oder Instagram gepostet wird, drehen sich die Meldungen meist um Neuigkeiten „aus dem Leben eines Optikers“, so Gerlach, und nicht um Rabatt- und Preis-Aktionen bei den Brillen. Nicht mehr, denn davon ist man gänzlich abgekommen und wirbt jetzt mit ganzjährig fairen Preisen, auch wenn die Umstellung anfangs für die Kunden gewöhnungsbedürftig war und schon ein dreiviertel Jahr brauchte. Ermöglicht werde diese Preispolitik, so David Gerlach, nicht zuletzt auch durch gute Verbindungen mit langjährigen, bewährten Lieferanten.
Stattdessen bekommen die Kunden automatisch zu jeder Brille ein Sorglos-Paket, das bei Beschädigung einmalig Ersatz auf Kosten von draeger + heerhorst sicherstellt. Eine „preisgünstigere“ Variante bietet entsprechend einen etwas reduzierten Schadensservice, während die „Premium“-Lösung mehr Service und Leistung mit einschließt. Dieses USP – auch eine Idee von David Gerlach – sorgt für Kundenbindung und Kauf-Anreize. Die anfänglichen Bedenken, damit draufzulegen, haben sich als unbegründet erwiesen.
Fazit
Die stationären Augenoptiker bräuchten die Onliner nicht zu „fürchten“, sollten da viel entspannter sein, meint David Gerlach. „Aber man muss etwas tun!“
Dieses Jahr wird jetzt erst mal das Jubiläum 150 Jahre von draeger + heerhorst gebührend gefeiert, im Juli mit Geschäftspartnern und im November mit den Kunden.
// PE
ID [9392]
Ines Kramer
Hobbys: Nähen für Groß und Klein, mit den Kindern Fahrrad fahren und Eis essen gehen, mit der ganzen Familie an einem verregneten Sonntag gemütlich mit Popcorn einen Film auf der Couch zu gucken – und natürlich mit ihren Freundinnen stundenlang quasseln.
Lieblings-Rückzugsort: Im Urlaub die Welt bereisen. Weil sie das Beifahren im Auto nicht verträgt, sie aber auch nicht immer lange Strecken selber fahren wollte, entdeckte sie Schiffsreisen für sich und ihre Familie (Hotel immer dabei). „Wir sind seit vielen Jahren Kreuzfahrt-Liebhaber und waren mit dem Schiff viel in Europa unterwegs, aber auch in der Karibik, Asien, USA, Kanada und sogar am Nordkap.“
Lebensmotto: Du kannst den Wind nicht ändern, aber du kannst die Segel anders setzen.
Lieblings-Rückzugsort: Seit fünf Monaten das Eigenheim, ansonsten die Natur, besonders der Harz: „Ich wandere für mein Leben gerne und kann dabei perfekt abschalten.“
Lebensmotto: Einfach machen. Mehr als schiefgehen kann es nicht!