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Brillen-Designschmiede aus Morbier

Fünf Linien – fünf Generationen Morel

Morel, Brillenhersteller mit Sitz in Morbier im französischen Jura, lud internationale Journalisten im Juni zu einer Werkbesichtigung mit Champagner-Empfang und abendlichem Dinner ein. Gastgeber: die Geschwister Francis, Jérôme und Amélie Morel, die das Unternehmen in vierter Generation leiten.

Morel Eyewear Zentrale Morbier
Morel Eyewear Zentrale Morbier

143 Jahre ist es her, dass ihr Urgroßvater Jules Morel, eigentlich Bergbauer, ein Geschäft für Sehhilfen mit Werkstatt gründete. Mit handbetriebenen Maschinen stellte er Kneifer und Zwicker her, 200 Stück schaffte er pro Woche, heute produziert Morel 50.000 Fassungen jährlich. In Zukunft werden es mehr sein.

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Geografisch abgeschieden, doch bestrickend idyllisch gelegen ist die größte Brillen-Designschmiede Frankreichs ein Vorbild dafür, wie made in France gelingen kann. Rund 250 Mitarbeitende aus fast 10 verschiedenen Fachbereichen widmen sich hier der Kunst des Brillenhandwerks: Von der Konstruktion über die Produktion bis hin zu Handel, Logistik und Verwaltung ist alles unter einem Dach.

Morel Eyewear Marius Morel

„In die Zukunft blicken und für die Vergangenheit dankbar sein – das war schon immer unsere Philosophie“, betont Amélie Morel während der Firmen-Präsentation. Die Marke ist in rund 20.000 augenoptischen Geschäften auf allen Kontinenten erhältlich. 35 % der Produktion bleibt in Frankreich, 39 % geht nach Nordamerika, 19 % nach Europa (außer Frankreich). Das Label überrascht immer wieder mit der Verwendung von untypischen Materialien wie Holz oder Leder (aus Italien) und innovativen Herstellungs-Techniken (3D-Druck).

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Morel: Neue Kollektion 2023, mit den typischen fünf Linien an der Bügelseite

Seit 1957 ist eine Katze mit einem großen M das offizielle Emblem der Marke. Ihr ausgezeichnetes Sehvermögen bei Tag und Nacht, ihre Beweglichkeit und Fähigkeit, Zeiten und Kontinente zu überwinden, prädestinierte dazu. Die Firmenhistorie ist an den Brillen ablesbar: Jede Fassung trägt eine Fünf-Linien-Signatur auf der Bügelspitze, die farbige vierte Linie repräsentiert die aktuelle Generation, die fünfte ist das Versprechen für die Zukunft.

Morel Eyewear Familie
Das starke Team hinter Morel (von links): Francis (Export), Jérôme (CEO) und Amélie Morel (Kommunikation), Yannick Jacob Eyer, Brand development Director, und Denis Bellone, Creative Director

Die engagierte Yannick Jacob Eyer, Brand development Director, berichtete von dem Engagement des Unternehmens für mehr Nachhaltigkeit: „100 % unserer Brillengläser sind recycelt und wiederverwertbar.“ Seit Jahresanfang verwende Morel zudem recyceltes Acetat aus Produktions-Abfällen der Bekleidungs-Industrie. Der nur wenige Kilometer vom Firmensitz entfernte Kooperations-Partner Decoracetmodot liefert neue Acetatplatten, die durch Thermokompression unter Verwendung von Granulat aus Acetat-Abfällen hergestellt werden.

Schon 2021 hat Morel den „Global Compact“ der Vereinten Nationen unterschrieben. Damit verpflichtet sich das Unternehmen, seine Aktivitäten und Strategien an zehn universell anerkannten Prinzipien in den Bereichen Menschenrechte, Arbeit, Umwelt und Korruptionsbekämpfung auszurichten und die Ziele der Vereinten Nationen, wie sie in den Sustainable Development Goals (SDGs) verankert sind, zu unterstützen. Die Brillen-Designschmiede im Jura verpflichtet sich damit auch, ihre Fortschritte in einem jährlichen Bericht („Communication on Progress“) öffentlich zu machen.

/// Jueb

 


„Jedes Morel-Modell hat ein Geheimnis“

Interview mit Denis Bellone, Creative Director bei Morel Eyewear, Bellone hat BTS Industriedesign („Brevet de technician supérier”) studiert. Seit November 2015 ist er Creative Director bei Morel Eyewear, zuvor war er viele Jahre Design Manager bei J.F. Rey. Er hat ein Faible für deutsche Philosophen und ist seit 2020 als Komponist, Instrumentalist und Produzent Teil des Elektro-Indie-Duos Unnima. Aktuelle Single: „Storm“.

eyebizz: Monsieur Bellone, wie sind Sie dazu gekommen, Brillen zu entwerfen?

Denis Bellone, Creative Director bei Morel Eyewear
Denis Bellone, Creative Director bei Morel Eyewear

Denis Bellone: Völlig zufällig. Ich habe Industriedesign studiert. Mein erster Job war bei einem unabhängigen französischen Brillenlabel, wo ich als Grafikdesigner an der Identität der Marke arbeitete. Damals fing das mit dem Webdesign gerade an. Ich erkannte, dass das Entwerfen von Brillen all das beinhaltet, wonach ich während meines Designstudiums gesucht hatte, es aber nicht finden konnte. Denn der Studiengang war sehr auf Fahrzeugindustrie ausgerichtet. So entdeckte ich das Brillendesign für mich: Hier treffen Kunst und Handwerk auf Industrie, und Hochtechnologie trifft auf die einfache Handzeichnung. Brillen zu entwerfen ist ein Projekt, das man selbst hundertprozentig selbst meistern kann. Die Brille ist ein Produkt, bei dem ich echte Gestaltungsmacht habe.

Erzählen Sie mir mehr darüber, was Ihre Leidenschaft für Brillen ausmacht …

Wahrscheinlich ist eine Brille das intimste Accessoire, das es gibt, weil es unsere Augen umrahmt. Eine Brillenfassung ist eine großartige Möglichkeit, unsere Persönlichkeit in eine gewünschte Richtung zu lenken. Wir können einen bestehenden Aspekt hervorheben, aber auch den umgekehrten Weg wählen, indem wir das genaue Gegenteil von dem zeigen, was wir wirklich sind. Das ist ein bisschen wie Betrug oder Täuschung und gar nicht schlecht, wie ich finde. Ich glaube auch, dass man wirklich ein Technikfreak sein muss, um so viel Zeit mit Produktions-Techniken und pfiffigen Technologie-Lösungen zu verbringen.

Mit welchem Material arbeiten Sie am liebsten?

Mit allen! Als Mono-Material oder gemischt. Das hängt von der Idee ab, die ich gerade verfolge. Manche Ideen eignen sich besser für Acetat, sodass Acetat an diesem Tag dein bester Freund sein wird. Doch am nächsten Tag könnte es etwas anderes sein, Edelstahl oder vielleicht Titan. Jedes Material hat etwas, was die anderen nicht haben, das ist die Magie. Bei Morel sind wir unersättlich, wir brauchen sie alle!

Was inspiriert Sie? Wie arbeiten Sie mit Ihren Co-Designern zusammen?

Bei Morel haben wir nur eine einzige Philosophie: Kein kreativer Prozess! Ich meine damit: keine Methode, kein Muster, kein stereotypisches Vorgehen. Ich ermutige jeden von uns, seinen eigenen Weg zu gehen. Wie ein Musiker, der immer wieder seinen eigenen Noten spielt. Wenn ein Projekt gereift und fortgeschritten ist und die Produktion ansteht, fangen wir natürlich an, eine gemeinsame Methodik zu entwickeln.

Morel Eyewear: Gummi und Carbon
Die brandneuen Kollektionen Karvag und Kalmar überraschen mit Kontrasten: Der Bügel aus gefärbtem Gummi wird zwischen zwei Carbonschichten eingefügt, fein austariert ist das Zusammenspiel zwischen den Farbtönen des Gummis, des Acetatrands und des Bügelkerns aus Edelstahl

Doch die ursprüngliche Idee für das Brillendesign kann von überall herkommen. Ich bin ein großer Befürworter davon, kreative Zufälle zuzulassen, nach dem Motto: Seien Sie nicht zu vorsichtig! Selbst ein sehr höfliches und minimalistisches Modell birgt ein kreatives Geheimnis in sich. Eigentlich ist es gar nicht so geheim. Für diejenigen, die neugierig sind.

Haben Sie ein „Lieblingsmodell“, eine Fassung, die Ihr Favorit geblieben ist oder die für Sie eine besondere Bedeutung hat?

Haha, nein! Ich persönlich schaue nie zurück und habe kein Interesse an dem, was ich und mein Team vorher gemacht haben. Das aufregendste oder schönste Modell ist immer dasjenige auf der Werkbank.

Morel Neue Kollektion 2023
Morel: Neue Kollektion 2023

Wenn Sie die Marke Morel mit nur drei Worten beschreiben würden, welche wären es?

Morel ist leidenschaftlich, authentisch und unabhängig.

Monsieur Bellone, Sie sind auch Teil des Elektro-Indie-Duos Unnima. Was bedeutet Musik für Sie?

Oh! Mit einer so persönlichen Frage habe ich nicht gerechnet! Danke, dass Sie mich daran erinnern. Brillenfassungen zu entwerfen, hat eine gute Seite: Man muss enthusiastisch sein, sich jeden Tag mit Leuten austauschen, ist Teil eines größeren Projekts, bei dem die eigene Arbeit auch ständig bewertet wird. Musik hingegen ist für mich eher die dunkle Seite, ein geheimer Ort, an dem ich mein anderes Ich erforschen kann. Ich arbeite gerne mit der sehr fragilen Koexistenz von Helligkeit und Dunkelheit, Lärm und Melodie. Ich denke, hier gibt es eine Ähnlichkeit mit dem Brillendesign: Nichts ist so gut wie der Prozess des Tuns.


/// Die Fragen stellte Jürgen Bräunlein.

Fotos: Morel, Jueb

 

Artikel aus der eyebizz 5.2023 (August/September)

 

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