Für EinDollarBrille in Malawi: Besserwisser helfen dem Land nicht
von Patricia Perlitschke,
Die Mentalität, die Schönheit des Landes und das Klima seien Balsam für die Seele, er könne sich vorstellen, dauerhaft dort zu leben, so der 28-jährige Augenoptiker René von Künßberg über Malawi. 2018 war er im Auftrag der EinDollarBrille („OneDollarGlasses“) ein halbes Jahr dort. Der Binnenstaat in Südostafrika, eingebettet zwischen Tansania, Sambia und Mosambik, ist eines der Einsatzgebiete der Hilfsorganisation.
Die EinDollarBrille, 2012 von Martin Aufmuth gegründet, will Menschen in Entwicklungsländern Zugang zu augenoptischer Grundversorgung und günstigen Brillen ermöglichen nach dem Prinzip: Hilfe zur Selbsthilfe. Über 500 Ehrenamtliche engagieren sich für die mit unzähligen Auszeichnungen gewürdigte Organisation in neun Ländern, über 260.000 Menschen kamen schon in den Genuss einer EinDollarBrille.
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„Bei uns stolpert man alle paar Meter über einen Augenoptiker, in anderen Ländern reicht das Einkommen nicht dafür, sich eine teure Sehhilfe anzuschaffen, oder man muss eine tagelange Reise auf sich nehmen. Wenn man weiß, dass rund 950 Millionen Menschen auf der Welt das Geld für eine Brille fehlt, obwohl sie dringend eine benötigten, dann muss man etwas tun”, beschreibt von Künßberg seine Motivation, für die „EinDollarBrille“ nach Afrika zu gehen.
2015 schloss René von Künßberg an der Fachschule für Augenoptik in München seine Ausbildung als staatlich geprüfter Augenoptiker und Augenoptikermeister ab. Im Rahmen des folgenden Bachelor-Studiums Augenoptik/Optometrie bot sich dem Münchener die Möglichkeit eines Auslandspraktikums. Die Wahl zwischen Sehlaboren in Sydney und Vancouver oder der Chance, das für Europäer exotische Malawi zu erkunden, fiel ihm nicht schwer. Kopfüber stürzte er sich ins „Afrika-Projekt“. Ein mutiger Schritt, denn René von Künßberg war noch nie außerhalb Europas gewesen war.
„Expats“ in einer Unterkunft
Malawi ist (neben Burkina Faso) eines der Schwerpunktländer der EinDollarBrille-Aktivitäten: Fehlsichtige Schulkinder erhalten kostenlos eine Brille, Erwachsene für umgerechnet fünf Euro. Das ehemalige Kolonialgebiet der Briten zählt zu den ärmsten Volkswirtschaften der Welt. Rund die Hälfte seiner Einwohner lebt von 60 Euro im Jahr.
Für seinen Aufenthalt von Februar bis Juli 2018 war René von Künßberg in Zomba (100.000 Einwohner) und Blantyre (800.000 Einwohner) beim Projekt GoodVision Malawi im Einsatz. Ein einfaches Visum reichte aus sowie eine Bescheinigung über seine Tätigkeit dort, den Flug bezahlte die Organisation. Vor Ort erhielt er ein monatliches Essensgeld und wohnte zusammen mit anderen „Expats“ in einer kostenfreien Unterkunft.
Malawi: The warm heart of Africa
„Alles viel grüner, als ich dachte“, so sein erster Eindruck. „Im Februar nach der Regenzeit grünte das Land noch in voller Pracht, zudem der Temperatur-Unterschied von knapp 40° Celsius gegenüber der Heimat. Ich verstand sofort, warum Malawi auch ´the warm heart of Africa` genannt wird. Die Menschen sind aufgeschlossen, entgegenkommend. Das Leben wird trotz der Armut mit einer gewissen Leichtigkeit angenommen.”
Das dürfte Bewohner reicher Industrienationen in einem Land erstaunen, in dem technische Geräte häufig streiken und stundenlange Stromausfälle das Leben zwangsläufig entschleunigen. „In Afrika sollte man sich auf die örtlichen Gegebenheiten einlassen und nicht versuchen, Konzepte, die man aus Deutschland kennt, verbissen zu implementieren“, so von Künßberg. „Wer meint, alles besser zu wissen oder zu können, wird keine Bereicherung für das Land sein.”
René kümmerte sich um Ausbildung und Weiterqualifizierung der für GoodVision in Malawi tätigen „Technicians“ (augenoptische Fachkraft), die Qualitätskontrolle bei der Kundenkonsultation und um die Implementierung eines internen Qualitätssicherungssystems. Außerdem organisierte er mobile Kampagnen für Sehtests und Brillenausgabe mit, führte Screenings bei Kindern und Erwachsenen durch und unterstützte beim Aufbau des neuen Büros samt EDV.
Fortgesetztes Engagement
„Niemals werde ich die Frau vergessen, die vor Freude ausgelassen tanzte und sang, als sie ihre erste Brille erhielt. Trotz hoher Kurzsichtigkeit hatte sie bislang keine Möglichkeit, eine zu bekommen.“
Das damals eingeführte Qualitätsmanagementsystem betreut René von Künßberg jetzt ehrenamtlich von Deutschland aus. Nach Abschluss der Bachelor-Weiterbildung unterstützt er die EinDollarBrille nun dauerhaft als „Coordinator Optics and Production“ und koordiniert den Optik-, Produktions- und Materialwirtschaftsbereich.
„Auch wenn man mit der Bereitschaft zu Helfen ankommt, sollte man sich durchaus auch selbst helfen lassen. Rückblickend bin ich mir gar nicht so sicher, wer mehr bewegt hat, ich in Malawi oder Malawi bei mir.“
Falls Sie in Malawi arbeiten wollen, melden Sie sich bei mir.
Mit freundlichen Gruessen,
Axel Hartleben
A. C. Opticals