Bereits 2015 richtete Julbo eine eigene Abteilung für die Korrektions-Verglasung seiner Sport- und Sonnenbrillen ein. 2021 modernisierte man das RX Lab mit großem Aufwand, um noch mehr auf die Bedürfnisse fehlsichtiger Sportfans eingehen zu können. Mitte April gewährten die Franzosen einen Blick hinter die Kulissen.
Der Markt boomt: 255 Mio. sportbegeisterte Europäer geben laut Julbo für ihre Ausrüstung viel Geld aus, fragen nach optimalem Equipment auch beim Sehen. Für den Sportbrillen-Hersteller Motivation genug, die Korrektion bei Sportfassungen mit dem RX Lab in Longchaumois zu forcieren und so ihre Partner-Augenoptiker*innen noch mehr zu unterstützen.
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Über kurvige Serpentinen ans Ziel
Die kleine 1.100-Seelen-Gemeinde liegt rund 890 Meter hoch im französischen Jura-Gebirge.
Größere Städte gibt es nicht in dieser waldreichen Gegend, rund 60 km nordwestlich der Schweizer Metropole Genf, mit dem nächstgelegenen Flughafen und Bahnhof. Auf dem Weg zur Firmenzentrale geht es für die Besucher von dort per Auto über die Grenze und weiter durch enge, zerklüftete Täler. Die Straße schraubt sich über kurvige Serpentinen und hohe Steinbrücken rauf und runter ins nächste Tal.
Lediglich einige großflächige Julbo-Sportmotive weisen an den überraschend unscheinbaren, flachen Gebäuden auf den Sportbrillen-Spezialisten und größten Arbeitgeber am Ort hin. Vorbei an der Vitrine mit etlichen Silmo-d’Or-Preisen am Eingang führt ein langer Flur um ein paar Ecken nach Büros und Auftragsannahme zum neuen RX Lab.
Fünf neue Maschinen, Kapazitäten verdoppelt
RX steht für Rezeptgläser. Mehr als 30 Julbo-Modelle mit Kurve 6 und 8 können aktuell mit Einstärken- und Gleitsichtgläsern aus Polycarbonat und Trivex ausgestattet werden – mit sämtlichen Filtergläsern mehr als 500 mögliche Kombinationen, wie Christophe Baudry (Manager RX Lab) und Stéphanie Dugas (Marketing) bei der Präsentation im Showroom nicht ohne Stolz erklären.
Mit dem Lab vor Ort kann Julbo hier flexibel und eigenständig agieren. Mehr als 1 Million Euro investierten die Inhaber, die Brüder Christophe (CEO) und Matthieu Beaud (Produktionsleitung), in die Modernisierung mit fünf neuen Maschinen im vergangenen Jahr. Unter den Neuanschaffungen befinden sich ein Generator für das Erstellen der korrekten Rückkurve der Gläser, eine Poliermaschine und ein Gerät für Schleuderbeschichtung zum Auftragen einer harten Beschichtung.
Außerdem leistete sich das Unternehmen einen neuen Kantenschneider, der die Gläser auf die Form der Fassung fräst, und eine Lasergravur: Die Gläser werden mit 2 Kreisen und dem Julbo-Logo (Einstärkengläser) graviert und bei Gleitsichtgläsern mit einem Zusatz versehen.
30 Prozent der Aufträge aus Deutschland
Auf diese Weise konnten die Kapazitäten verdoppelt werden. Und die Investition hat sich gelohnt: Seit Monaten steigt die Nachfrage im RX Lab enorm. Aufträge aus Deutschland machen derzeit 30 % aus; für das kommende Jahr wird eine Steigerung um 10 % angepeilt, erfahren die Besucher.
Verantwortlich für den reibungslosen Ablauf ist Frédéric Michelli, seit 2014 in der Firma, mit seinem Team aus bis zu sechs Augenoptiker*innen. Beim Rundgang durch die aufeinander folgenden, schlichten Werkstatträume erklärt er die einzelnen Verarbeitungsschritte an den insgesamt neun Stationen: von Blank Selection, Blocken, Schleifen der Korrektion, Polieren, über Reinigen/Beschichten, Randen und Gravieren der Brillengläser bis hin zum Einfassen und der abschließenden Qualitätskontrolle.
Online-Auswahl in sieben Schritten
Die präzise und moderne Technik ist die eine Sache, die Vermarktung über Augenoptiker*innen eine andere. Über ein eigens entwickeltes, einfaches „RX Selector Tool“ können sich Endkunden schon online in sieben Schritten zu ihren Glaswerten und Lieblings-Sportarten Vorschläge mit passenden Fassungen und Filtervarianten erstellen lassen – und als „Pre-Order“ bestellen.
Die Messung im Vorfeld und Abholung der fertigen Sportbrille rund eine Woche später erfolgt über die rund 3.000 Partner-Optikbetriebe europaweit. Sollte sich auch nach 3 Monaten Nutzung beim Sport keine optimale Zufriedenheit einstellen, kann die RX-Brille zurückgegeben werden, was momentan bei 3 bis 4 % der Kunden der Fall sei, wie in der Präsentation erläutert wird.
Sportbrillen-Tests vor der Haustür
Die hohe Kundenzufriedenheit ist kein Zufall. Meterhoch Schnee im Winter und ein Wander- und Radtour-Paradies im Sommer: Das Jura-Gebirge bietet viel für Outdoor-Sportler. Davon machen auch die Julbo-Mitarbeiter in mancher Mittagspause Gebrauch und probieren gleich die eigenen Produkte vor der Haustür aus. Die ersten 100 Exemplare jeder neuen Fassung werden in Longchaumois zum ersten Testen und Ausprobieren der Farben genutzt, bevor die Produktion in größeren Mengen im Werk in Rumänien anläuft.
Für den Härtetest werden auch Profisportler eingespannt, die Lucie Lacroix (International Sports Marketing Manager) seit Jahren erfolgreich betreut. Unter den mehr als 150 Sportgrößen der Julbo Family aus über 20 Nationen finden sich Weltmeister und Olympiasieger, wie z.B. Langläufer Martin Foucade, oder Segel-As Armel le Cléac’h und seit 2021 Radprofi David Gaudu. Die Berater, Co-Designer oder Markenbotschafter testen die Neuheiten in mehr als 30 Disziplinen unter härtesten Bedingungen und geben den Entwicklern und Designern so wertvollen Input für die Feinjustierung.
Mit Erfolg: Bei den Winterspielen in Peking im Februar freuten sich einige Julbo-Olympioniken über Medaillen; Biathlet Quentin Fillon-Maillet holte sich gleich fünf davon. Ein sportlicher Erfolg der etwas anderen Art war für das Unternehmen in diesem Jahr sicher die Lizenzvergabe für die offiziellen Eyewear-Modelle der Olympischen Spiele 2024 in Paris.
Neues bei Korrektionsfassungen
Neben der individuellen Verglasung von Sport- und Sonnenbrillen erweitert Julbo in diesem Jahr den Bereich der optischen Kollektionen, wie Designer Thibaut Bressin nach der Besichtigungstour des RX Lab ergänzt.
Auch hier führt das Design den Sportgedanken fort. Bei der neuen Kollektion Pure werden Materialien wie Gummi und Kohlefaser aus den Sportbrillen mit Titan und Stainless Steel kombiniert. Für Flexibilität sorgt ein neues multi-direktionales Gelenk. „Die Gelenke sind neben den Bügeln bei der Brille am anfälligsten“, weiß Bressin aus Erfahrung.
Mit den vielen Informationen und Eindrücken der Julbo-Welt geht es auf verschlungenen Wegen wieder hinunter ins Tal Richtung Genf – zum Flieger oder Zug, und – in diesem Fall – zurück in die eyebizz-Redaktion.
/// PE
„Der Erfolg des Unternehmens hängt von unseren Mitarbeitern ab“
3 Fragen an Christophe Beaud, der gemeinsam mit seinem Bruder Matthieu das Unternehmen leitet.
Ihr Unternehmen ist sehr in der Region verwurzelt. Wie viel trägt der Standort zum Erfolg bei?
Im Jura zu sein, bedeutet, in der Wiege der französischen Brillenindustrie zu stehen. In diesem Sinne kann es ein Vorteil sein. Der Erfolg des Unternehmens hängt jedoch nicht so sehr mit der Region zusammen, sondern mehr mit den Menschen, die im Unternehmen arbeiten.
Ihre Kinder und die Ihres Bruders arbeiten nicht bei Julbo. Gibt es Pläne dafür?
Bei meinen Kindern und denen meines Bruders hat sich die Situation nicht geändert. Jeder macht seine eigenen Erfahrungen und baut ein eigenes Know-how auf. Bis jetzt verfolgen sie ihre eigenen Karrieren.
Wie besorgt sind Sie über die Konzentration auf dem Markt durch große Konzerne?
Wir machen uns keine allzu großen Sorgen wegen der Marktkonzentration, da wir uns auf Nischenmärkte konzentrieren, während größere Marken normalerweise eher auf ein breites Publikum ausgerichtet sind. Das ist einer der Gründe, warum es noch Platz für uns gibt.///