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Interview

Kontaktlinse von morgen: Wie bei Wöhlk geforscht wird

Wöhlk Contactlinsen - Anna-Lena Band - Roland Fromme
Anna-Lena Band, bei Wöhlk zuständig für die Unternehmenskommunikation, und Roland Fromme, Leiter der Materialforschung (Bild: Wöhlk)

Vor 75 Jahren erfand Heinrich Wöhlk die „Mini-Corneal-Contactlinse“. Doch woran wird bei dem Kontaktlinsen-Pionier in Schönkirchen bei Kiel aktuell geforscht und wie dort im Labor gearbeitet? Wo liegen Entwicklungschancen, wo sind Hürden? eyebizz unterhielt sich mit Roland Fromme, Leiter der Materialforschung, und Anna-Lena Band, zuständig für Unternehmenskommunikation.

Die Zahl der Kontaktlinsenträger in Deutschland bleibt seit Jahren weitgehend stabil, wenn auch auf niedrigem Niveau, die Zunahme ist marginal. Aktuell tragen 5,5 Prozent der Bundesbürger über 16 Jahre Kontaktlinsen, entweder regelmäßig oder gelegentlich, dann häufig im Wechsel mit einer Brille (Quelle: Brillenstudie 2019, Allensbach). Demgegenüber steht die immense Forschungs- und Entwicklungsarbeit bei den Herstellern. Zum Beispiel bei Wöhlk Contactlinsen.

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„Wir simulieren so praxisnah wie möglich“

eyebizz: Frau Band, im Trendverlauf der letzten acht Jahre zeigt sich laut Branchenreport Augenoptik Spectaris, dass der Anteil der regelmäßigen Kontaktlinsenträger geringfügig, aber kontinuierlich zurückgegangen ist. Warum wird die Kontaktlinse in Deutschland deutlich weniger nachgefragt als in anderen europäischen Ländern?

Anna-Lena Band: Schwer zu sagen. Wir betreiben natürlich Markt- und Trendforschung. Das Thema Brille als Modeaccessoire wird hierzulande durch die Berichterstattung in den Medien, durch Bilder und Storys in Frauenmagazinen stark vorangetrieben. Aus einigen skandinavischen Ländern oder den Niederlanden wissen wir, dass es vielen jungen Leuten aus Eitelkeit wahnsinnig wichtig ist, früh Kontaktlinsen zu tragen, um eben nicht mit Brille vor die Tür gehen zu müssen. Wir als Kontaktlinsenhersteller würden die Brille nie verteufeln. Wir setzen auf die Kombination aus beiden und erklären, warum es Vorteile hat, bei einer Fehlsichtigkeit Brille und Kontaktlinsen zu nutzen.

Herr Fromme, Sie leiten den Bereich Materialforschung bei Wöhlk und tragen – zumindest während unseres Zoom-Gesprächs – einen weißen Kittel. Arbeiten Sie hauptsächlich im Labor?

Roland Fromme: Das war einmal so, als ich vor mehr als 29 Jahren hier anfing. Mittlerweile nicht mehr. Ich gehe zwar jeden Tag mehrmals ins Labor und spreche mit den Mitarbeitern, doch die meiste Zeit arbeite ich am Schreibtisch und am Computer. Wir haben bei Wöhlk mehrere Laborräume, in denen wir Synthesen durchführen und Materialien für Kontaktlinsen herstellen. Es gibt eine Produktionsabteilung, die täglich Kontaktlinsenmaterial produziert. Dafür bin ich verantwortlich. Dann gibt es eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung, mit der ich im permanenten Austausch bin. Dann haben wir noch eine analytische Abteilung, die aber nicht meiner Verantwortlichkeit unterliegt.

Im Bundesamt für Materialforschung in Berlin testen Entwickler z.B. Holzlacke, indem sie Termiten unter Laborbedingungen darauf ansetzen. Werden neue Kontaktlinsen bei Ihnen ähnlich spektakulär getestet?

Wöhlk - Roland Fromme
Für das extra anberaumte Fotoshooting entschied sich Roland Fromme für eine Krawatte mit Periodensystem (Bild: Wöhlk)

Wir möchten Untersuchungen von neuen Kontaktlinsenmaterialien so nah wie möglich am Auge ausrichten, dürfen aber wiederum nicht wirklich ans menschliche Auge gehen. Das ist eine große Herausforderung. Eine klinische Studie wäre sehr teuer. Trotzdem können wir praxisnah untersuchen, wenn auch nicht mit Termiten. Wenn wir neue Materialien oder Beschichtungen von Kontaktlinsen überprüfen, egal ob weiche oder harte, simulieren wir im Labor mit dem Pflegemittel das Reinigen der Linsen.

Wir beobachten und prüfen, vereinfacht gesagt, ob es messbare oder sichtbare Einflüsse hierbei gibt. Wir simulieren und erforschen so praxisnah wie möglich, welche Haltbarkeit und Belastbarkeit neuartige Oberflächen bzw. Strukturen erfüllen. Reagieren Bestandteile des Tränenfilms „im Reagenzglas“ in Kontakt mit der Kontaktlinse? Bilden sich Ablagerungen aus dem Tränenfilm? Dabei werden die Tränenfilmbestandteile untersucht, die entsprechend häufig vorkommen, sodass sie eine Relevanz besitzen.

Welchen aktuellen Fragestellungen gehen Sie bei Wöhlk zurzeit nach?

Uns interessiert aktuell, die hydrophoben, nicht so gut benetzbaren Materialien benetzbarer und damit angenehmer fürs Auge zu machen. Ziel sind weniger Ablagerungen, mehr Komfort beim Tragen, sodass die Kontaktlinse sich im Tränenfilm wohler fühlt und kein Fremdkörper mehr ist. Damit wird das Produkt verträglicher oder, wie wir sagen, biokompatibler.

Wir kooperieren dabei mit verschiedenen Partnern. In der Beschichtungsforschung arbeiten wir z.B. mit der TU München zusammen. Wir wollen eine im Tränenfilm vorhandene Substanz auf die Kontaktlinse aufbringen. Ein neuer Ansatz. Dafür muss man diese Substanz erst einmal in hoher Reinheit gewinnen. Auch das Gewinnungsverfahren ist aktueller Forschungsgegenstand im Verbund, da bisherige Labor- bzw. Katalogpräparate eine teilweise deutlich vom Naturstoff abweichende Qualität besitzen. Hier wird Grundlagenforschung geleistet. Wir lernen Jahr für Jahr dazu.

Wie lange dauert die Markteinführung einer neuen Kontaktlinse?

Momentan beschäftigen mich Silikonhydrogele, die wir mit neuen Materialien und Inhaltsstoffen verbessern wollen. Bis zur Zulassung müssen wir mit fünf bis zehn Jahren rechnen. Bei einer Neuheit, mit der man auf etwas Bekanntem aufsatteln kann, dauert es drei bis fünf Jahre. Den UV-Schutz zu verbessern ist in überschaubaren Zeiträumen möglich.

Wie viele Kontaktlinsen bieten eigentlich UV-Schutz?

Geschätzt haben rund 50 Prozent aller Kontaktlinsen auf dem Markt UV-Schutz. Aber es gibt eine Norm, die einen sehr hohen UV-Schutz verlangt. Erst dann darf man davon sprechen, dass die Kontaktlinse eine UV-schützendes Produkt ist. Einige bekannte Firmen haben keine UV-absorbierende Substanzen in den Kontaktlinsen, andere sehr hohe Mengenanteile, aber das ist die Minderheit. Doch es wird mehr werden, der Lichtschutzbedarf ist insgesamt ansteigend. Auch bei uns im Unternehmen arbeiten wir hierfür an Verbesserungen.

Frau Band, werden Kontaktlinsen mit UV-Schutz vermehrt nachgefragt?

Band: Wir haben dazu keine verlässlichen Zahlen. In unserer Argumentation spielt dieser Aspekt aber auch keine große Rolle. Wir sagen: Jetzt im Sommer sollte jeder eine Sonnenbrille tragen. Aber viel günstiger als eine Sonnenbrille mit Sehstärke ist es, Kontaktlinsen zu tragen. Denn dann kann man sich jede beliebige Sonnenbrille dazu auswählen. Im Übrigen würden wir niemals behaupten, dass Kontaktlinsen mit UV-Schutz allein ausreichen, die Augen vor UV-Strahlen zu schützen.

Wann wird die Biolinse kommen?

Fromme: Bis zur Biolinse, die biologisch abbaubar bzw. vollkommen recyclingfähig ist, führt noch ein sehr weiter Weg. Man muss da den Sprung in eine neue Richtung schaffen. Wir möchten ja auf all die Eigenschaften, die wir heute an der Linse schätzen und die über Jahrzehnte entwickelt wurden – die Sauerstoffdurchlässigkeit, die Optik, der UV-Schutz – nicht verzichten. Es gab gute Gründe, dass man sich diese Eigenschaften an der Kontaktlinse, wie sie heute ist, erarbeitet hat. Und dann soll sie plötzlich aus einem ganz anderen Werkstoff bestehen? Die Entwicklung sehe ich nicht in naher Zukunft.

Ich habe es hautnah miterlebt, wie die Wegwerfsysteme entstanden sind. Was für ein Einschnitt das war! Wir haben ja nur Jahreskontaktlinsen hergestellt, für ein Jahr und länger. Der Kunststoff hatte also eine längere Verwendung. Die Einführung der Monatslinsen Ende der 90er Jahre war schon ein Erdrutsch. Danach kamen die Tageslinsen. Ich verstehe die Vorteile, etwa auf hygienischer Seite. Trotzdem finde ich es gut, dass wir immer noch in aller Breite Kontaktlinsen für die Jahresanwendung anbieten. Und das macht den Unterschied gegenüber Mitbewerbern, die nur noch auf Ein-Tageslinsen setzen.

Frau Band, welche Impulse setzt Wöhlk, um Endverbraucher in Richtung mehr Umweltbewusstsein zu schubsen?

Wöhlk - Anna-Lena Band, zuständig für die Unternehmenskommunikation
Diplom-Kommunikationswirtin Anna-Lena Band ist seit September 2020 bei Wöhlk (Bild: Wöhlk)

Band: Nachhaltigkeit ist natürlich ein großes Thema bei uns. Hier haben wir einen Standortvorteil. Wir verkaufen Kontaktlinsen, die in Deutschland hergestellt wurden und eben nicht einmal um die Welt geflogen sind. Auch die Rohstoffe und Materialien stammen von hier. Natürlich bleibt die Kontaktlinse ein Wegwerfprodukt, gerade die Tageslinse. Wir können nur immer wieder darauf hinweisen, dass die Träger sie bitte nicht in der Toilette entsorgen.

Nimmt Wöhlk gebrauchte Kontaktlinsen zurück bzw. bieten Sie so etwas an?

Nein. Es mag Augenoptiker*innen geben, die einen solchen Service anbieten. Ob es aber ökologisch sinnvoll ist, wenn unsere Kunden, die überall verteilt sind, uns gebrauchte Kontaktlinsen zurückschicken, wage ich zu bezweifeln. Ich denke an Portokosten, Verpackung und längere Versandwege. Das Gewicht der Kontaktlinse im Verhältnis zur Umverpackung legt nahe, dass der Rückversand nicht sinnvoll ist. Wir können eine Kontaktlinse nicht so aufbereiten, dass sie wieder verwendet werden könnte und müssten sie auch entsorgen.

Herr Fromme, was bedeutet das gerade verabschiedete neue Medizinprodukterecht für Innovationen bei der Kontaktlinse?

Fromme: Als Entwickler habe ich immer viele Ideen für das Unternehmen. Innerhalb der neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen ist vieles nicht mehr realisierbar, weil die Ansprüche an die Zulassung von Neuheiten stark verschärft wurden. Jede Zulassung ist zeitaufwendiger und umfangreicher geworden und papierorientiert in einem Maße, wie es das noch nicht gab. Die verlangten biologischen und klinischen Gutachten und Studien können wir ohne Hilfe von externen Experten gar nicht durchführen. Die Kosten explodieren. Das heißt, wir müssen uns auf wenige Vorhaben konzentrieren, können nicht mehr so viel parallel verfolgen.

Marketing und Entwicklungsabteilung ziehen bekanntlich an einem Strang. Ist es trotzdem schon passiert, dass Ihnen die Marketingabteilung reingeredet hat, Herr Fromme?

(lacht) Nein, das habe ich noch nicht erlebt. Mich interessiert, wo die Bedürfnisse liegen, und wenn ich Hinweise vom Marketing bekomme, umso besser. Im Übrigen bin ich in meinem Denken auch sehr kundenorientiert.

Und bei Ihnen, Frau Band? Manchmal von der Entwicklungsabteilung genervt?

Band: Auch nein! Aus Sicht der Unternehmenskommunikation ist es immer spannend, zu hören und zu sehen, woran wir gerade arbeiten, und wann der Moment ist, wenn ich zum ersten Mal nach außen darüber sprechen darf. Wir kommunizieren ja mit zwei Zielgruppen: B2B, den Augenoptiker*innen, und den Endkunden, immer mit dem Ziel, den Marktanteil der Kontaktlinsen insgesamt zu erhöhen. Da kommt es dann schon vor, dass ich sage: Das ist ein Thema, das müssen wir aufgreifen, das interessiert die Welt da draußen. Oder: Das versteht der Endkunde nicht, bitte beschreibt das jetzt noch einmal in einfacheren Worten.

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www.woehlk.com

 

Beitrag aus der eyebizz 5.2021 (August/September)

 

 

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