2016 nahm die Belgierin Eline De Munck zum ersten Mal an der Silmo teil, da war Odette Lunettes genau ein Jahr jung. eyebizz fielen die Brillen auf – zeitloses Design mit kantigem Touch und kühner Form. Auch die Gründerin und Designerin prägte sich ein mit ihrer Offenheit und ihrem freundlichen Temperament. Jetzt erobert das aufstrebende Brillenlabel auch den deutschen Markt.
Der Teleprompter war schuld, dass es die belgische TV-Moderatorin Eline De Munck in die Augenoptik-Branche verschlug. Das Ablesen fiel schwer, noch schwerer die Wahl einer geeigneten Brillenfassung, denn Kontaktlinsen verträgt sie nicht. Keine Lappalie, findet sie: „Brillen sind mehr als nur ein funktionaler Gegenstand. Schließlich wendet man sich mit ihnen an die Welt.“
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Mit einer Hauptrolle in der belgischen Seifenoper „Thuis“ war Eline 2007 eher zufällig ins Showbusiness geraten. Es folgten Einsätze als Sängerin, Radiojournalistin und zuletzt TV-Moderatorin bei dem Sender JIM, bis sie kündigte.
TV-Star wird Unternehmerin
Als Eline vor sechs Jahren gemeinsam mit dem Regisseur Bob Geraets „Odette Lunettes“ gründete, begann eine erstaunliche Metamorphose: Aus einer in Belgien ungemein populären, zudem umwerfend gutaussehenden Medienpersönlichkeit wurde eine Unternehmerin, die ihre Vision eines besonderen Brillendesigns nicht nur mit Haut und Haaren, sondern mit gründlichem Sachverstand verfolgte: „Odette ist nichts, auf das ich einfach meinen Namen klebe.“ Sie erntete Respekt von vielen Seiten.
Während so manchem Eyewear-Start-up nach drei, vier Jahren die Puste ausgeht, hat Odette Lunettes nach sechs Jahren bereits ordentlich zugelegt: Aus den rund 20 unabhängigen belgischen Augenoptiker*innen, die man Ende 2015 belieferte, sind 400 in elf Ländern geworden. Nicht nur in Belgien ist der Marke der Promifaktor sicher. Internationale Stars wie die britische Sängerin Dua Lipa und der US-amerikanische Schauspieler Jamie Fox tragen die Modelle.
Das Sortiment umfasst Korrektions- und Sonnenbrillen, Fassungen aus Acetat, Metall oder eine Kombination davon in unterschiedlichsten Designs und Farben. Zwei Kollektionen bilden derzeit das Herzstück: „Allure“ zelebriert die Schönheit zeitgenössischer Eleganz, „Voyeur“ eher einen extravaganten Stil, und das gehört zur DNA: Die Brillen sind bei all ihrem Glamour immer auch ein bisschen rebellisch. Wie die Gründerin selbst.
Stores schaffen Markenbewusstsein
Das Unternehmertum steckt im Blut. Die Mutter wuchs in einer Familie mit zehn Kindern auf, acht davon haben ihr eigenes Geschäft. Eline folgte der Tradition. „Ich habe Odette gegründet, weil ich eine Leidenschaft für Brillen habe. Früher habe ich es gehasst, sie zu tragen, aber heute ist es ganz anders: Ich wähle zuerst meine Brille und baue dann mein Outfit um sie herum.“
Eline De Munck ist Unternehmerin, Designerin, das Gesicht der Marke und ein Kommunikationstalent. Unermüdlich spricht sie mit Augenoptiker*innen und Endverbrauchern, wird interviewt, taucht bei Events auf, steht auf Messen und im Geschäft und erklärt ihre Markenwelt. Mittlerweile hat das Label drei Geschäfte in Belgien, darunter einen kürzlich eröffneten Flagship-Store auf der Meir, der belebtesten Einkaufsstraße in Antwerpen, wo auch das Unternehmen sitzt.
„Es geht nicht nur darum, direkt zu verkaufen, sondern mit dem Store Markenbewusstsein zu schaffen, damit unsere B2B-Partner davon profitieren können. Wenn die Leute in unser Geschäft kommen und unsere DNA kennenlernen, aber gerade keine Brille benötigen, bleiben wir vielleicht trotzdem im Gedächtnis, bis sie eine neue Brille brauchen und dann den Weg zu einem unserer Händler in ihrer Nähe finden.“
Visuell starkes Storytelling
Zur Kommunikation nach außen gehört regelmäßiges Posten auf Instagram, Facebook und der eigenen Website. Die selbst produzierten Videoclips sind visuell stark. Ästhetisch anspruchsvolles Storytelling mit hohem Schauwert und „modischem Vibe“. „Es muss hochwertig aussehen, aber die Brillenfassungen selbst müssen kein Vermögen kosten. Wir wollen eine erschwingliche Marke schaffen, mit einem High-End-Ansatz und nachhaltiger Produktion – hergestellt in Frankreich und Deutschland.“
„Als TV-Gesicht kenne ich viele Menschen. Diese Medienerfahrung ist unser wichtigster USP.“
Das Erreichen der Zielgruppe ist vielleicht die größte Herausforderung. Die Bekanntheit aus ihrem früheren Leben hilft dabei. „Als TV-Gesicht kenne ich viele Leute. Die Medienerfahrung ist daher unser wichtigster USP.“ Mit der eigenen Prominenz geht die Unternehmerin locker um: „TV-Gesichter haben ein riesiges Ego, sonst würden sie nicht den ganzen Tag im Rampenlicht herumlaufen. Daran ist nichts falsch, aber man sollte dieses Ego anerkennen und etwas Positives damit tun.“
Wie jedes Start-up, das sich auf dem Markt behauptet hat, musste auch Odette Lunettes schon manche Misslichkeit meistern. „Doch jede Gelegenheit, aus der man lernen kann, ist eine Lektion und kein Flop, denn nächstes Mal kann man es besser machen.“ Lehrgeld durften die Belgier bezahlen, als ihr erster Hersteller ihre Unerfahrenheit ausnutzte. Gelernt haben sie dabei, sich fortan finanziell und rechtlich besser abzusichern. Eine andere Erkenntnis: Man muss sich mit Leuten umgeben, die von bestimmten Dingen viel mehr wissen als man selbst. Heute arbeitet Eline mit einem Team von rund 14 Mitarbeitern zusammen, ihr Partner Bob Geraets ist vor allem für das Finanzielle zuständig.
Langfristige Ziele machen blind
Die Zeit während der Pandemie nutzten sie, die B2B-Strategie zu analysieren. Europa bleibt der Zielmarkt für die nächsten Jahre, Konzentration auf Belgien, die Niederlande, Frankreich, Österreich, die Schweiz, Italien, Skandinavien und natürlich Deutschland. Dort hat man gerade Fuß gefasst. Die Verkaufspreise der Fassungen sollen sich zwischen 169 und 299 Euro einpendeln.
Die Zielmarke ist hochgesteckt: Der Markenname soll einen ähnlichen Bekanntheitsgrad wie Ray Ban erreichen, sagt Eline, bleibt aber etwas skeptisch. „Ich ziehe es vor, im Jetzt zu sein und mich umzuschauen, welche Möglichkeiten es heute gibt. Man verpasst viele Chancen, wenn man sich nur auf langfristige Ziele konzentriert. Das macht blind.“
Die wachsende Marktkonzentration – siehe EssilorLuxottica oder der Kauf von Lindberg durch Kering – sieht sie gelassen. „Je mehr Marken von den großen Jungs geschluckt werden, desto interessanter werden die komplett unabhängigen Labels. Ich fühle mich dadurch gestärkt, weil wir prestige- und nicht geldorientiert sind. Wir wollen, dass die Leute wieder Spaß am Brillentragen haben, und produzieren nur in kleinen Mengen, so dass wir unseren Trägern ein exklusives Gefühl mit einer Fassung in limitierter Auflage geben können. Eine große Massenmarke kann das nicht bieten.“
Und wo ist Odette?
Mindestens dreimal pro Woche joggt Eline, um den Kopf frei zu bekommen. Dabei findet sie auch Inspirationen für ihre Brillendesigns. „Wenn ich auf der Straße Leute mit Brillen sehe, die gut zu ihnen passen, bitte ich sie um ein Foto, damit ich später die Stimmung nachempfinden kann, welche die Fassung erst zum Funktionieren bringt. Ich schaue also nicht auf Fassungen an sich, sondern darauf, was sie mit dem Gesicht machen.“
„Brillen sind mehr als nur funktional. Schließlich wendet man sich damit an die Welt.“
Auch vor dem Fernseher sitzt sie und fotografiert. Früher saß dann auch Elines Zwergpinscher Odette daneben, der dem Label seinen Namen gab – schöner Zufall, dass er sich auf „Lunettes“ (Brille) reimt. Leider verstarb die vierbeinige Muse im Februar im Alter von elf. Doch Odette wird, wie Eline De Munck versichert, „in Elines Herzen und in der Marke weiterleben.“
/// JUEB
Odette Lunettes
Gründer: Eline De Munck und Bob Geraets
Gründungsjahr: 2015
Team: 14 Personen
Hauptsitz: Antwerpen
Stores in Belgien: Flagship Store (Antwerpen), DANN Store (Gent), Seasonal Store (Knokke)