3.000 qualifizierte Optometristen, schätzt der ZVA, arbeiten hierzulande zum Wohle des guten Sehens und der Sehgesundheit. Doreen Klepatz ist eine davon, Geschäftsführerin des neu eröffneten Sehzentrums Raddatz in Torgau. Für eyebizz nahm sich die 44-jährige Augenoptikermeisterin Zeit für ein Gespräch.
Torgau ist eine mittelalterlich geprägte Kreisstadt mit rund 20.000 Einwohnern und Verwaltungssitz des Landkreises Nordsachsen. Straßen, Häuser, Gassen atmen Geschichte. Die Lutherstadt zieht vor allem mit Schloss Hartenfels Touristen an.
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Wenn Doreen Klepatz über Optometrie berichtet, dem Schwerpunkt in beiden Betrieben (die erste Niederlassung des Unternehmens in Bad Düben existiert seit über 25 Jahren), sprudeln ihre Worte nur so heraus. Elan und Führungsstärke schwingen in der Stimme mit.
Die Lage des Sehzentrums Raddatz beschreibt sie selbst als 1a. Am Marktplatz 13 gelegen unter historischen Gebäuden (teilweise mehrere Jahrhunderte alt) punktet das frisch renovierte denkmalgeschützte Gemäuer besonders durch den Innenhof. Ein Glasdach öffnet den Blick nach oben.
Die Kunden flanieren in Richtung des angeschlossenen Bistros. Brillen? Für manchen beim Eintritt gar nicht das Thema. Optometrie? Ja bitte, hier ganz ohne Hürden direkt zu erleben.
„Bei jedem Kunden nehmen wir die Spaltlampe in die Hand“
eyebizz: Frau Klepatz, beschreiben Sie doch kurz Ihren Werdegang!
Doreen Klepatz: Seit 25 Jahren bin ich in der Augenoptik. Nach der Lehre folgte 2004 der Meister in Rathenow. Berufsbegleitend ging es weiter zur Ausbildung zur Optometristin (FH) bei Professor Degle an der Fachhochschule Jena, bis zur Zertifizierung als Sehzentrum mit der WVAO.
Kein Spaziergang für eine zweifache Mutter mit Hobbys wie Laufen, Skifahren, jetzt auch Sportboot …
Das ist kein Hexenwerk. Wenn man alles gut strukturiert, geht es. Die gemeinsame Zeit mit der Familie nutze ich intensiv, denn wenn meine Familie glücklich ist, bin ich es auch.
Ihre Kunden spazieren dank des großzügigen Innenhofs wie zufällig durch die Augenoptik.
Ja, der Innenhof ist ein Eyecatcher. Im Parterre haben wir neben dem Bistro die Augenoptik, auf der ersten Etage die Hörakustik, in der zweiten einen zusätzlichen Refraktionsraum, Aufenthaltsräume, Werkstatt und Büro. Im Dachgeschoss entsteht eine wunderschöne Wohnung. Zur Eröffnung im Oktober vergangenen Jahres spielte eine Band im Innenhof, die Stimmung war beeindruckend.
Wie gut lief dieses Jahr bislang? Haben Sie in Ihrem Geschäft in Bad Düben das Vor-Corona-Level im Umsatz erreicht?
2021 hat uns ausgebremst. Der Kundenstrom riss zwischendurch aufgrund der Corona-Maßnahmen ab. Die Menschen gingen nicht in die Innenstadt. Seit Frühjahr wird es besser. Ein wenig müssen wir noch aufholen.
Sie haben sich mit Ihren zwei Betrieben, dem in Torgau, aber auch der Filiale in Bad Düben, auf Optometrie spezialisiert. Was waren die Gründe?
Beide Unternehmen haben einen Schwerpunkt auf Optometrie. In der Bad Dübener Region gibt es einen Augenarzt-Mangel, in Torgau ist die Versorgung mit Augenärzten besser. Der Wendepunkt zur Optometrie kam für mich vor ein paar Jahren mit einem speziellen Fall.
Die Kundin kam mit einem Sehproblem. Ich hatte zwar alle Gerätschaften, um die Klientin ausreichend zu untersuchen – Keratograph, Spaltlampe, Aurorefraktometer, Tonometer –, habe den Keratographen und die Spaltlampe aber nicht benutzt, weil sie keine Kontaktlinsen-Anpassung wünschte. Die Werte waren mir suspekt: Zylindererhöhung, niedriger Augendruck. Ich erfuhr, dass sie seit Jahren auf ein Niederdruck-Glaukom behandelt wird. Ich konnte das Puzzle aber nicht sinnvoll zusammensetzen, deshalb bat ich die Kundin, eine Zweitmeinung bei einem anderen Augenarzt einzuholen.
Kurz darauf bekam sie ein Hornhaut-Transplantat, weil ihre Hornhaut kurz vor dem Durchbrechen stand. Mir war sie dankbar für die notwendige Weiterleitung an einen zweiten Augenarzt. Doch ich war wütend auf mich selbst, weil ich den Keratographen, der ja schon dastand, nicht genutzt hatte. So hätte ich ihr sofort einen Hinweis geben können.
Danach habe ich beschlossen, meine Gerätschaften in jede Augenprüfung mit einzubeziehen. Später haben wir über den WVAO die Zertifizierung zum Sehzentrum abgelegt. Damit wurde die optometrische Beratung weiter optimiert, alle Mitarbeiter entsprechend geschult.
Bringt das Angebot optometrischer Dienstleistungen einen Imagegewinn? Verkaufen Sie dadurch höherwertig?
Einen Imagegewinn lese ich tatsächlich an der hohen Zahl der Stammkunden ab. Was die zweite Frage betrifft: Gut geschulte Mitarbeiter verkaufen automatisch höherwertig. Allerdings decken wir mit unseren Geschäften alle Preiskategorien ab, besonders in Bad Düben sind wir quasi „Alleinversorger“.
Bezeichnen Sie sich dem Kunden gegenüber als Optometristin?
Wir nutzen den Begriff schon bei der Augenprüfung. Wir erklären die Optometrie als Zwischenstufe zwischen Augenoptik und Augenheilkunde und sehen uns als wichtige Schnittstelle. Alle Kollegen sind daraufhin geschult. Ziel ist, dass alle Mitarbeiter die Kunden gleichwertig bedienen und behandeln können. Deswegen muss regelmäßig an der Ausbildung des Teams gearbeitet werden. Im Gespräch über unsere drei Analyse-Pakete – die Standardprüfung, eine Komfortmessung und die Premium-Variante – ergibt sich innerhalb unserer optometrischen Untersuchungen bei der Anamnese, was für den Kunden jeweils sinnvoll ist.
Allerdings haben wir Mitbewerber direkt nebenan, die Refraktionen kostenlos anbieten. Insofern müssen wir an das Thema geschmeidig herangehen. Die Kunden sind aber bereit, für eine gute Sehanalyse zu zahlen. Gerade Neugierige und Enttäuschte kommen in das neue Geschäft. Sie fordern uns, sind aber auch Garant dafür, dass wir uns ein gutes Image aufbauen. Denn mit unserer Sehanalyse und Beratung sind wir in Torgau sicher einzigartig, selbst wenn es gute Mitbewerber gibt. Wir nehmen bei jedem Kunden die Spaltlampe in die Hand und schauen uns das Auge genauer an.
Sie sprachen es gerade selbst an: Was bringt Ihre Dreier-Staffelung Standard-, Komfort- und Premium-Messung?
Das Vorgehen wird für den Kunden transparent, aber auch für uns. Je mehr Zeit wir investieren, desto kostenintensiver ist der betriebswirtschaftliche Aufwand. Die Staffelung hilft, eine klare Struktur zu setzen. Die Mitarbeiter sprechen mit ihrem Gegenüber eben nicht nur über einen Preisrahmen zwischen 19 und 69 Euro, sondern können erklären: „Wenn wir nur Daten für die Brillenglas-Anfertigung erfassen, starten wir mit 19 Euro. Möchten Sie eine intensive Beratung für eine ganzheitliche Sehanalyse, dann werden es 69 Euro.“
Wenn wir bei der Analyse erkennen, dass es aufgrund von Kopfschmerzen oder Doppelbildern auf eine binokulare Messung hinausläuft, dann sind 49 Euro fällig. Immer geht es um den einzelnen Kunden und seine speziellen Bedürfnisse: um das Sinnvolle, nicht die komplette Analyse. Die 19 Euro werden in der Regel nicht verrechnet. Sie stehen als Betrag für die Dienstleistung explizit auf der Rechnung.
Woher nehmen Sie angesichts der gesellschaftlich und wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Portion Optimismus für aufwändige Seh-Untersuchungen?
(lacht) Auch wenn sich die Welt ändert und vieles gerade schwierig wird, muss ich den Anspruch an meine Arbeit nicht herabsetzen. Im Gegenteil: Der Kunde wünscht sich gerade jetzt Beständigkeit. Andererseits gibt es bei uns auch Brillen-Abos, Ratenvereinbarungen, Zusatzversicherungen, mit denen sich sparen lässt. Der Kunde bekommt die Brille, die er sich wünscht und in sein persönliches Budget passt. Das funktioniert gut.
Planen Sie in den nächsten zwölf Monaten weitere Investitionen?
Wenn überhaupt, geht es um räumliche Erweiterungen in Bad Düben.
Sie haben ein sympathisches Team aus zehn Mitarbeitern und vier Auszubildenden aufgebaut. Wie lautet Ihr Rezept für gutes Personalmanagement?
Wir bilden gern aus! Wir nutzen die Chance, die jungen Leute so zu formen, dass sie gut in unser Team passen. Auch Personal-Entscheidungen werden im Team gefällt. Entscheidungen treffe ich nicht allein, sondern spreche sie mit den Mitarbeitern ab. Zuhören ist wichtig. Es gibt jährliche Mitarbeitergespräche. Befindlichkeiten werden offen geäußert. Es wird aber auch kommuniziert, was verändert werden soll.
Die Teambildung stärken jährliche Events. Mal wurde auf der Mulde gepaddelt und anschließend gegrillt, mal ging es nach Prag.
Danke für das Gespräch und weiterhin alles Gute auf Ihrem Weg in die Zukunft!