Oxibis: Farbenfroh und technikverliebt aus dem Jura
von Dr. Jürgen Bräunlein,
In einer von Lizenzen dominierten Brillenwelt hat sich der französische Hersteller Oxibis mit eigenem Stil pfiffig durchgesetzt. Dabei gehört viel Geschick, Pflege und kontinuierliche Erneuerungswille dazu, die mittlerweile vier Marken über die Jahrzehnte stetig weiterzuentwickeln. Vor allem die Designer im eigenen Haus sind dabei gefragt.
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Im Hochjura in der Franche-Comté, etwa 15 Kilometer von der französisch-schweizerischen Grenze entfernt, liegt die Gemeinde Morbier. So klein sie auch ist, hat sie doch der Welt bis heute viel Gutes beschert. Ein halbfester Schnittkäse aus Kuhmilch mit dünner blauschwarzer Aschschicht in der Mitte, berühmt geworden als „Morbier“, wurde hier erfunden, doch auch das gehobene Brillenhandwerk zur Reife gebracht. Ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert verwandelten die Bewohner ihre Bauernhäuser im Winter zu Werkstätten, in denen sie Brillen herstellten.
Oxibis: Farbexplosionen in den Regalen
Auch Daniel Arnaud und Jérôme Colin, die beide aus dem Hochjura stammen, stehen in dieser Tradition, als sie Ende der 1980er Jahre über eine Geschäftsidee grübelten. Arnaud arbeitete 16 Jahre lang im Elsass als Augenoptiker und wusste als ehemaliger Leistungssportler zudem, wie man große Ziele erreicht und den Weg dorthin auch durchhält. Als Sohn eines Fabrikbesitzers kannte sich Colin wiederum bestens mit Geschäftspolitik und Betriebsführung aus. Beide entdeckten eine Nachfragelücke auf dem Brillenmarkt. Es gab damals kaum kolorierte Fassungen, Augenoptiker beklagten das auch.
Das war die Initialzündung, 1992 brachte das Duo mit Oxibis France ihre eigene Marke auf den Markt, Fassungen, die in den kommenden Jahren in den Regalen wie subtile Farbexplosionen wirkten. Dabei ging es den Machern nicht nur um die Entwicklung harmonischer Farbkombinationen und überraschender Designs, sondern mindestens genauso um eine gute Tragbarkeit, den Komfort des Brillenträgers. Das ist bis heute so geblieben.
Keramik-Scharnier als Innovation
Stetig baute Oxibis das Portfolio aus, drei weitere Marken, ebenfalls im gehobenen Marktsegment, wurden aufgebaut und lanciert. Exalto, 1998 eingeführt, verknüpft technische Raffinesse und architektonische Inspirationen mit Eleganz und edlen Materialien. Einige Modelle sind mit Palladium und Ruthenium. Die Unsichtbarkeit der Technik in den Dienst von Komfort und Ästhetik, so eine Leitidee. Tatsächlich muss man manchmal zweimal hinschauen, um die versteckten Details zu bemerken und sich daran zu erfreuen. Vor allem Männer fühlen sich angesprochen, so dass Exalto seit 2015 als reine Männerlinie geführt wird.
2016 gab es dann den Silmo d’Or für Exalto – es war nicht der erste für Oxibis. Preiswürdig war ein innovatives Scharnier, das durch einen Stift aus Keramik haltbarer gemacht wurde. Durch ein ausgeklügeltes System stehen die Bügel in der normalen Öffnung unter Spannung und klappen nicht zurück. Kein Selbstzweck: Der Tragekomfort der Brille erhöhte sich so.
Fashiontrends inspirieren
Seit 2013 hat Oxibis mit Jooly eine reine Frauenlinie. Zeitlos, farbenfroh, modisch und radikal feminin, doch immer auch mit leicht und angenehm zu tragenden Fassungen und für alle Gelegenheiten: Trend und Casual. „Jooly“ ist ein Wortspiel, das französische „jolie“ klingt an: hübsch, nett, schön. Aurelia Devillers ist die Designerin, die Jooly aufgebaut hat. Der Entwurf der Brillen sei ein sehr komplizierter Prozess, erzählt sie lebhaft. Anspruch der Marke ist, dass sich die aktuellen Trends des Fashion-Markts auch auf den Fassungen widerspiegeln, wenn auch nicht eins zu eins.
„Inspirationen dazu hole ich mir nicht nur von Modeschauen, sondern ebenso von Möbel- und Designmessen, aktuellen Accessoires, Stoffmustern und auch aus dem Internet. Doch wir können nicht alles machen, was die Modebranche vorgibt, schon allein von der Fläche, die wir designen, sind wir eingeschränkt. Wir haben auch nicht die Palette an Materialien.“ Je nachdem, wie die Farbe wirken soll, eher transparent oder dicht, wird das Fassungsmaterial gewählt. Die Entwürfe, die Aurelia aufs Papier bringt, berücksichtigen schon alles, auch die genaue Farbgebung, die bei Jooly einen hohen Stellenwert hat. Ein wichtiges Qualitätsmerkmal insgesamt ist es, dass die Schönheit der Farben dauerhaft erhalten bleibt.
Marken schaffen Orientierung
Modisch on Top sind die „Eighties“, die aktuelle Kollektion von Jooly, die stilistisch an den 1980er Jahre Mode- und Lifestyle anknüpft mit seinen XXL-Schulterpolstern, Rüschenblusen, breiten Taillengürteln und geometrischen Mustern. Die Finesse der Vollrandgestelle aus gelbgold- oder rotgoldfarbenem Metall oder Palladium kontrastiert hier mit einem eleganten Acetat-Steg. Darauf prangen Zeichnungen wie große Quadrate, Kreise, feminine Formen, die gerade im Trend liegen. Doch man wählte dazu nicht die grellen Neonfarben der 80er, sondern weiche Farben, hell schimmernd (Weiß oder Puderrosa) oder intensiv (Marineblau, Smaragdgrün, Gold-Khaki, Bordeauxrot und Schwarz). Die Signatur der Marke, ein Lasermotiv, ziert die Innenseite der Bügel.
„Das Nebeneinander von Jooly und Exalto, also die klare Unterscheidung zwischen Herren- und Damenlinie, hat sich für Oxibis bewährt. Es verschafft dem Kunden Orientierung, erzählt Jean-Claude Semblat, der den Oxibis-Vertrieb in Deutschland aufgebaut hat, wo man seit 2002 vertreten ist. Und er erzählt von der vierten Marke – Dilem – 2006 eingeführt, und ebenfalls ein sprechender Name mit Hintersinn: Dilem, wie das deutsche Dilemma, wenn man morgens vor dem Spiegel steht und sich fragt: Welche Farbe wählen, die zu meinen Klamotten passt? Die Antwort von Dilem sind Brillenfassungen mit Wechselbügel, damals ein revolutionäres Konzept. Mittlerweile wurde auch diese Marke weiterentwickelt mit neuen Akzenten.
Vom Extrem zum Understatement
Auf der Silmo wurden drei neue Kollektionen von Oxibis vorgestellt, die jeweils wiederum aus drei Fassungsentwürfen bestehen, die sich ästhetisch aufeinander beziehen, wie Monsieur Semblat erklärt: „Eine Idee wird stilistisch durchgespielt, auf die Spitze getrieben und in Abstufungen variiert, vom spektakulären Extrem bis hin zu subtiler Raffinesse und tragbarem Understatement.“
Als begeisterter Bergsportler nahm der Designer Benoît Topin bei der Kollektion 3B etwa die Kult-Gletscherbrille als Ausgangspunkt, variierte den ursprünglichen Zweck des Modells als Sportbrille im Lifestyle-Spirit und leitete daraus Fassungen für Korrekturgläser ab. Bei der Front setzte er gerundete Formen auf die ursprüngliche Brille auf: konzentrische Kreise wiederholen und überlagern sich, als lösten sie sich von der Fassung. Bei den Bügeln wird die Wölbung beibehalten. Statt der Lederseitenteile kommt Acetat mit intensiver Farbgebung zum Einsatz. „All diese Merkmale sind beim Modell Show (in limitierter Auflage) besonders ausgeprägt, bei den Linien Studio und Live! in abgeschwächter Form vorhanden“, so Semblat. Das Konzept, mit dem Dilem gestartet ist, wird auch hier beibehalten: Die Brillen haben Metallbügel mit Schnur und austauschbaren Bügelenden.
Oxibis ist heute mit seinen vier Kollektionen mittlerweile in 41 Ländern vertreten und hat drei Modelleinführungen pro Jahr. Daniel Arnaud ist immer noch „die kreative Seele“ des Unternehmens, Jérôme Colin der Mann für Zahlen, Fakten, Umsätze. Schritt für Schritt geht es damit in die Zukunft. Was den Brillenhersteller dabei voranbringt, sind die gleichbleibende Qualität, der Wille, innovativ zu bleiben, aber auch die Nähe, Zugänglichkeit und ein Instinkt für die Dynamik eines Unternehmens in überschaubarer Größe.