Augenoptiker*in zu sein ist vielseitig und herausfordernd zugleich. Wer hier mit Herzblut, Mut zum Risiko und frischen Ideen erfolgreich seinen Weg geht, verdient unsere ganze Aufmerksamkeit. In jeder Ausgabe von eyebizz portraitieren wir Unternehmerpersönlichkeiten, die kennenzulernen sich lohnt. Diesmal ist es Sjoerd Panis, Panis, Oisterwijk (Niederlande).
Es passiert nicht oft, dass Augenoptiker*innen landesweit für Schlagzeilen sorgen. Der Niederländer Sjoerd Panis hat das im September 2018 geschafft, wenn auch unfreiwillig. Ein roter Citroën Saxo, der sich später als gestohlen herausstellte, rammte gegen drei Uhr nachts die gläserne Schaufensterfront seines Geschäftes Panis in Oisterwijk, drei maskierte Männer stürmten hinein und flohen schließlich mit rund 300 Brillen im teuren Luxussegment. Gesamtwert rund 95.000 Euro. Das Video der Überwachungskameras wurde im holländischen Fernsehen gezeigt, das halbe Land war auf Tätersuche.
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„Echt der Hammer“
„Leider ohne Erfolg“, erzählt Sjoerd Panis. Bis heute habe man die Einbrecher nicht gefasst. Doch der 44-jährige Geschäftsführer sieht die irre Geschichte mittlerweile mit einem lachenden Auge. „Die Versicherung hat uns voll entschädigt, zum Glück passierte der Einbruch, bevor wir unser Geschäft umgebaut haben, so floss ein Teil des Geldes in die neue Einrichtung.“
Und die ist der Hit oder auch „Echt der Hammer!“, „Wunderschön“, „Mit einem Wort: erstaunlich!“, so die Reaktionen bei Facebook. Wer das Fachgeschäft Panis jetzt betritt, das Ende 2019, noch vor Corona, wieder eröffnet wurde, wird empfangen, als wäre er in einer noblen Hotel-Lounge und nicht bei einem Augenoptiker. Die Polstermöbel in Altrosa und die preußischblauen Wände nehmen die Farbigkeit flämischer Malerei auf.
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„Jede Brille gleicht einem Stück Gold
und braucht eine eigene Bühne.“
(Sjoerd Panis)
Im Zentrum des Raums ragen breite Säulen empor, die mit goldglänzenden Kacheln gefliest sind und funkelnd glitzern. Deckenbündig montierte Einbauleuchten schaffen einladende Lichtinseln für die Beratungsplätze. Doch der eigentliche Blickfang ist wohl die breite Seitenwand, die täuschend echt als roher Felsen gestaltet ist und Brillenschätze birgt, auf die effektvoll die Spotlights gerichtet sind.
Jede Brillenfassung ein Stück Gold
Entworfen wurde die Einrichtung von dem Innenarchitekturbüro King Kongs aus Eindhoven, das sich mit kühnen Retail- und Gastronomie-Interieurs einen Namen gemacht hat. Sjoerd gab den Raumdesignern lediglich Schlüsselwörter an die Hand: „Mode, Frieden, Gemütlichkeit, Exklusivität, Gastfreundschaft“, dazu wenige Anhaltspunkte zur Warenpräsentation. „Ich sagte ihnen, dass jede Brillenfassung einem Stück Gold gleicht und deshalb eine eigene Bühne haben muss.“
Für Sjoerd war der Umbau seines Geschäftes eine innere Notwendigkeit. „Die meisten augenoptischen Geschäfte in den Niederlanden sind langweilig. Doch Brillen haben sich längst zu einem Modeprodukt entwickelt. Deshalb wollte ich die Augenoptik ein bisschen mehr sexy machen.“
Oisterwijk ist eine wohlhabende Gemeinde in der niederländischen Provinz Noord-Brabant mit rund 23.000 Einwohnern, die Umgebung mit viel Wald und Seen zieht auch Touristen an. Panis, im Erdgeschoss eines traditionellen giebelständigen Hauses an der örtlichen Flaniermeile „De Lind“ untergebracht, liegt in direkter Nachbarschaft zu schicken Schuhgeschäften, exquisiten Modeboutiquen, teuren Bars und Restaurants.
„Die Menschen, die hier wohnen oder uns besuchen, haben Qualitätsbewusstsein, sind sehr an Mode interessiert und an hohe Preise gewöhnt“, so Sjoerd. Augenoptiker*innen, die sich vor allem auf den gesundheitlichen Bereich konzentrierten, gibt es in der Umgebung genug. So kam die Entscheidung, sich auf das gehobene, fashionaffine Kundensegment zu konzentrieren.
Renovierungsverkauf mit Extra-Angeboten
Acht Wochen lang wurde das 140 Quadratmeter große Geschäft umgestaltet, in dieser Zeit mietete Sjoerd Panis drei Minuten Fußweg entfernt Räume für Refraktion und Beratung an und kommunizierte seinen Kunden: „Wir renovieren gründlich, deshalb müssen wir den Laden schließen, sind aber weiter für Sie da. Die gute Nachricht: Wir haben während dieser Zeit einen Renovierungsverkauf mit besonderen Angeboten.“
Schon als Sjoerd den ersten Designentwurf als 3D-Grafik sah, war er begeistert. Anfänglich war er noch unsicher, ob er den Innenarchitekten nicht zu vage Vorgaben gemacht hat, doch mittlerweile ist er sicher, dass es sich gelohnt hat, „der Kreativität freien Lauf zu lassen“.
Aufgewachsen ist der Niederländer mit der Augenoptik. Vater Ruud gründete das Geschäft 1976, im Geburtsjahr des Sohnes. Als ausgebildeter Augenoptiker und Optometrist arbeitete Sjoerd zunächst in drei anderen Unternehmen, bevor er 2006 endgültig in die väterliche Firma eintrat, die damals noch von einem zweiten Geschäftsführer geleitet wurde. 2009 ging der Vater in den Ruhestand, 2016 trennte sich Sjoerd von dem noch verbliebenen Partner und machte sein eigenes Ding. Als ersten Schritt verkürzte er den Ladennamen „Ruud Panis“ auf Panis, um besser „brandmarken“ zu können.
Panis: USP mit Luxusmarken
Die größte Herausforderung für unabhängige Augenoptiker*innen bestünde darin, sich qualitativ von den großen Ketten zu unterscheiden, so Sjoerd. Die würden aggressiv mit günstigen Preisen locken. Die meisten Augenoptiker in den Niederlanden möchten deshalb möglichst alle Kunden ins Geschäft bekommen, er nicht: „Ich verschob meine Positionierung vom Mittelsegment hin zum Premiumbereich. Derzeit gibt es in den Niederlanden außer uns nur zwei oder drei Augenoptiker mit der gleichen Anzahl an Luxusmarken.“
Panis führt Brillen und Sonnenbrillen von Cartier, Maybach, Dita, Matsuda, Lindberg, Tom Ford, Chanel und Alexanian. Kunden, die explizit Büffelhorn, Leder, Holz oder japanischem Titan wünschen, kommen auf ihre Kosten. Für die Fassungsberatung der anspruchsvollen Kunden gibt es unter den sechs Mitarbeitern eine eigene Brillen-Stylistin.
Auch Kontaktlinsen bieten Sjoerd und sein Team an. Zudem hilft man Fehlsichtigen, die eine Laser-Augenbehandlung wünschen. „Bei uns können sie die Voruntersuchungen und die Kontrolluntersuchungen nach der Behandlung machen.“ Ein anderer Service ist das jährliche Diabetes-Screening für Patienten, die von ihrem Hausarzt überwiesen werden.
Sjoerd gefällt die Vielseitigkeit seines Berufs. Es gehe um Mode, Technik, Gesundheitswesen, und er könne seine Kreativität einbringen. So hat er bis heute rund 30 Fassungen für die hauseigene Kollektion entworfen in Zusammenarbeit mit der Marke Tom Davies, darunter eine oktogonale Fassung – für ihn das gelungenste Modell.
Von Instagram zum Webshop
„Ein Augenoptikgeschäft mit Luxusbrillen zu führen, ist manchmal nicht einfach. Wir können uns weniger Fehler bei unseren Kunden erlauben“, gibt er zu. Zu den Kunden gehören nicht nur CEOs großer Unternehmen, sondern auch Studenten. Das überrascht nicht, wenn man sieht, wie intensiv Facebook und Instagram mit Postings gefüttert werden: Mitarbeiterfotos, Tipps für Brillenträger, Ankündigung von Geschenkgutscheinen oder Fashion Shows, an denen man teilnimmt. Und immer wieder Modelle neuer Kollektionen, manche von Influencern getragen.
Gerade läuft eine Zusammenarbeit mit der Stylistin Manon Meijers, die zudem die Frau eines bekannten holländischen Sängers ist, und dem (Kick)Boxer Nieky Holzken, auch er ein Prominenter mit großer Online-Community. „Die Kooperation mit Influencern bringt uns viel, weil sie in den sozialen Medien Macht haben und andere wirklich beeinflussen.“ Bei Panis steht ein eigener Webshop kurz vor der Fertigstellung, auch das eine strategische Entscheidung. „Die Leute werden auf Instagram auf die Brillen aufmerksam, es ist naheliegend, ihnen auch die Gelegenheit zum Einkaufen zu geben.“
Das Geschäftsjahr 2020 schloss Sjoerd trotz der Pandemie mit 7 % mehr Umsatz ab, die Gesamtmenge der verkauften Fassungen war niedriger, dafür der Betrag, den die Kunden jeweils ausgaben, höher. Qualität, Beratung und die anspruchsvolle Ladengestaltung sprächen sich herum, immer häufiger kämen Kunden von weiter her. Daraus schöpften er und sein Team eine Vision für die Zukunft: „In den nächsten drei Jahren wollen wir unser Einzugsgebiet weiter vergrößern. Wir werden E-Commerce nutzen, um dorthin zu gelangen. Dann können wir, da bin ich mir sicher, auch expandieren.“